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Justus van Effen über den holländischen Kunsthandel um 1700—1734
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räsonieren, der tüchtig hereingefallen war. (Das
Bild gehörte einem Kunsthändler, der es selbst in die
Auktion gesteckt hatte und es nun mit steigerte!).....
Dann hört man die Brabanter Herren die Bilder
rühmen, daß mir die Leber vor Lachen zu springen droht:
»Da hast du ein Bild, ja, es ist wie gezaubert,
diese Blumen sind nicht gemalt, drauf geblasen sind
sie, das Wasser ist so klar und hell, wirf einen Groschen
drauf, er wird drin wegsinken. Bei diesem Kerzen-
licht möchte man abends die Zeitung lesen; diese
Früchte, man wagt nicht sie zu berühren, weil der
Duft heruntergehen würde, diese Tiere — nur das
Sprechen fehlt ihnen. Diese Austern, dieser Hummer
würde eine schwangere Frau rasend machen« usw.
Einer sagt: »Für das Ding gebe ich 100 ducatons
(330 Gulden)«. »Ach was,« sagt der andere, »du
möchtest dir schaden, ich biete noch 85 Gulden mehr!«
»Eine Freundschaft ist die andere wert,« sagt der erste
wieder und bietet 500 Gulden. Nun der Auktionator:
»So, so meine Herren! Bieten wir mit 100 Gulden
auf einmal, und noch eine Stunde weiter, dann haben
wir die Hälfte des Wertes dieser Perle erreicht!« ....
Besucht man jetzt erst die Wohnungen der Herren
Kunsthändler, so fragt man sich: »Wo holen Sie das
Geld her, das da herumhängt.« Ich rechnete einmal
zusammen, was einer dieser Herren bekommen müßte,
wenn er nur die Hälfte von dem, was er für seine
Bilder verlangte, erhielt. Es wären wenigstens dreißig-
bis vierzigtausend Gulden. Aber da eine Menge
Kopien dazwischen hingen, wäre höchstens ein Achtel
dieser Summe zu erzielen.
Hält man sich recht dumm, wenn man sie be-
sucht, dann reden sie sich erst recht warm. Je
dümmer man tut, desto mehr ist man über ihre Un-
verschämtheit erstaunt. Man wage nur zu sagen:
»Dasselbe Bild, was Sie mir da zeigen, hat auch mein
Freund X in seinem Kabinett! Eins kann doch nur
echt sein,« — da haben sie gleich den Mund voll:
60, 70 Dukaten wetten sie, daß jenes nur eine ge-
meine Kopie ist, nach dem herrlichen Original, was
sie besitzen---und man bekommt eine Genea-
logie des Bildes, so authentisch, wie jene gewissen
»Champignons de la fortune« ....
Man muß sie aber nicht alle über einen Kamm
scheren, es gibt noch welche, die mit einem ehrlichen
Gewinn zufrieden sind und auch als anständige Kauf-
leute renommiert sind; diese betrügen niemanden, es
sei denn, daß sie selbst auch betrogen sind.
Jetzt muß ich noch eine gute Geschichte erzählen.
Ein Schlaufuchs, dessen Namen ich verschweige, hatte
erfahren, daß ein Brabanter (Vlame) ein gewisses Genre
von Bildern in Holland aufsuchen wollte. Er bittet
einen Bekannten, drei oder vier seiner Bilder zwischen
dessen mittelmäßige Sachen in sein Vorzimmer zu
hängen, er solle dann tun, als hätte er sie mit von seinen
Vorfahren ererbt; er müsse sagen, sie seien von die-
sem und jenem Künstler, und müsse sie zu gewissen
Preisen anbieten. Der nichts ahnende Bekannte geht
drauf ein, bekommt die Bagage ins Haus, und einige
Tage später den Besuch des Schlaubergers mit einem
fremden Herrn, der die Bilder einmal sehen möchte.
Der eine spielte gut als Besitzer, der eigentliche Be-
sitzer als Makler, und mit Fordern und Bieten wurden
schließlich die Bilder das Eigentum des Brabanters.
Der Verkäufer hatte noch eine Zeitlang eine geheime
Angst, die Bilder zurück zu erhalten, aber im Gegen-
teil. Er bekommt einen sehr zufriedenen Brief. »Er
— der Käufer — hätte die Bilder tüchtig geputzt,
und die Namen, die man im Hause des Sammlers
nicht hätte finden können (sie hatten auch nie darauf
gestanden), wären jetzt so klar zu sehen, wie die Sonne
am Mittag!« Da rief unser Freund aus: »Dieser
verd.....Schwindler, jetzt hat er sie wahrhaftig
selbst drauf geschmiert!« (Nun folgt noch eine lange
Geschichte, wie man die kleine Kopie eines sehr be-
kannten, von de Jode gestochenen Van Dyck als treff-
liches Original von Poelenburgh verkauft hatte!)
• Im zweiten Kapitel, zum Teil in Dialogform, er-
zählt van Effen:
Oodfried Schalcken, dessen Bilder in London sehr
gesucht waren, und von den dortigen Kunsthändlern,
die sie ihm in Holland abgekauft hatten, für hohe
Preise verhandelt, entschloß sich, mit einigen seiner
besten Stücke selbst über den Kanal zu fahren, um
seine Reise reichlich damit zu bezahlen. Ein vor-
nehmer Lord kauft ihm wirklich sofort ein Bild ab.
Dieses hört einer von der Bande; und wütend, nichts
an dem Geschäft verdient zu haben, eilt er zu dem
Lord, bittet den Schalcken sehen zu dürfen, lobt
das Bild sehr, fragt dann aber, wie teuer er es bezahlt
habe. Der Herr nennt den Preis. Da hatten wir es!
So viel Geld!
Nein, so viel Geld! Ich werde Ihnen das Pendant
viel billiger verschaffen, dann werden your Lordship
sehen, daß es viel vorteilhafter ist, durch uns zu kaufen,
als sich so von den Malern prellen zu lassen. Der
Lord dachte, das kann man ja einmal versuchen, und
wollte auch gerne seine Landsleute etwas verdienen
lassen. Der Kunsthändler rennt zu Schalcken, findet
dort das Bild, welches er sucht, verspricht dem Künst-
ler goldne Berge, will ihn überall empfehlen und be-
günstigen, nur soll er ihm dieses Bildchen einmal
recht billig überlassen. Schalcken glaubt ihm und
gibt ihm das Bild für ein Butterbrot, in der Hoffnung,
durch solche Hilfe recht viel verkaufen zu können.
Der andere geht zum Lord, überläßt ihm das Bild
zu demselben Preis, den er Schalcken gezahlt, tut
aber dabei, ob er selbst noch recht ordentlich daran
verdiene. Der Lord, böse, erzählt sofort jedermann
die Geschichte, mit dem Resultat, daß niemand Schalcken
mehr ein Bild abkaufen wollte.
Ein Kunsthändler, der diese Geschichte gehört
hatte, erwiderte darauf: Nun, die Herren Maler machen
auch oft recht böse Sachen. Ein einfacher Sammler
bat einmal einen Maler, ein wertvolles Bild, das etwas
beschädigt war, zu restaurieren. Gewiß, sagt der
Maler, Sie sollen es zurückbekommen, so tadellos,
als hätte der Künstler es soeben gemalt! Was tut er?
Er kopiert das Bild, gibt ihm dann einen recht dicken
Firnis, liefert das neue für das alte Bild, fordert soviel,
wie er kaum für seine Kopie bekommen hätte, behält das
Original und verkauft es später für einen hohen Preis.
Justus van Effen über den holländischen Kunsthandel um 1700—1734
188
räsonieren, der tüchtig hereingefallen war. (Das
Bild gehörte einem Kunsthändler, der es selbst in die
Auktion gesteckt hatte und es nun mit steigerte!).....
Dann hört man die Brabanter Herren die Bilder
rühmen, daß mir die Leber vor Lachen zu springen droht:
»Da hast du ein Bild, ja, es ist wie gezaubert,
diese Blumen sind nicht gemalt, drauf geblasen sind
sie, das Wasser ist so klar und hell, wirf einen Groschen
drauf, er wird drin wegsinken. Bei diesem Kerzen-
licht möchte man abends die Zeitung lesen; diese
Früchte, man wagt nicht sie zu berühren, weil der
Duft heruntergehen würde, diese Tiere — nur das
Sprechen fehlt ihnen. Diese Austern, dieser Hummer
würde eine schwangere Frau rasend machen« usw.
Einer sagt: »Für das Ding gebe ich 100 ducatons
(330 Gulden)«. »Ach was,« sagt der andere, »du
möchtest dir schaden, ich biete noch 85 Gulden mehr!«
»Eine Freundschaft ist die andere wert,« sagt der erste
wieder und bietet 500 Gulden. Nun der Auktionator:
»So, so meine Herren! Bieten wir mit 100 Gulden
auf einmal, und noch eine Stunde weiter, dann haben
wir die Hälfte des Wertes dieser Perle erreicht!« ....
Besucht man jetzt erst die Wohnungen der Herren
Kunsthändler, so fragt man sich: »Wo holen Sie das
Geld her, das da herumhängt.« Ich rechnete einmal
zusammen, was einer dieser Herren bekommen müßte,
wenn er nur die Hälfte von dem, was er für seine
Bilder verlangte, erhielt. Es wären wenigstens dreißig-
bis vierzigtausend Gulden. Aber da eine Menge
Kopien dazwischen hingen, wäre höchstens ein Achtel
dieser Summe zu erzielen.
Hält man sich recht dumm, wenn man sie be-
sucht, dann reden sie sich erst recht warm. Je
dümmer man tut, desto mehr ist man über ihre Un-
verschämtheit erstaunt. Man wage nur zu sagen:
»Dasselbe Bild, was Sie mir da zeigen, hat auch mein
Freund X in seinem Kabinett! Eins kann doch nur
echt sein,« — da haben sie gleich den Mund voll:
60, 70 Dukaten wetten sie, daß jenes nur eine ge-
meine Kopie ist, nach dem herrlichen Original, was
sie besitzen---und man bekommt eine Genea-
logie des Bildes, so authentisch, wie jene gewissen
»Champignons de la fortune« ....
Man muß sie aber nicht alle über einen Kamm
scheren, es gibt noch welche, die mit einem ehrlichen
Gewinn zufrieden sind und auch als anständige Kauf-
leute renommiert sind; diese betrügen niemanden, es
sei denn, daß sie selbst auch betrogen sind.
Jetzt muß ich noch eine gute Geschichte erzählen.
Ein Schlaufuchs, dessen Namen ich verschweige, hatte
erfahren, daß ein Brabanter (Vlame) ein gewisses Genre
von Bildern in Holland aufsuchen wollte. Er bittet
einen Bekannten, drei oder vier seiner Bilder zwischen
dessen mittelmäßige Sachen in sein Vorzimmer zu
hängen, er solle dann tun, als hätte er sie mit von seinen
Vorfahren ererbt; er müsse sagen, sie seien von die-
sem und jenem Künstler, und müsse sie zu gewissen
Preisen anbieten. Der nichts ahnende Bekannte geht
drauf ein, bekommt die Bagage ins Haus, und einige
Tage später den Besuch des Schlaubergers mit einem
fremden Herrn, der die Bilder einmal sehen möchte.
Der eine spielte gut als Besitzer, der eigentliche Be-
sitzer als Makler, und mit Fordern und Bieten wurden
schließlich die Bilder das Eigentum des Brabanters.
Der Verkäufer hatte noch eine Zeitlang eine geheime
Angst, die Bilder zurück zu erhalten, aber im Gegen-
teil. Er bekommt einen sehr zufriedenen Brief. »Er
— der Käufer — hätte die Bilder tüchtig geputzt,
und die Namen, die man im Hause des Sammlers
nicht hätte finden können (sie hatten auch nie darauf
gestanden), wären jetzt so klar zu sehen, wie die Sonne
am Mittag!« Da rief unser Freund aus: »Dieser
verd.....Schwindler, jetzt hat er sie wahrhaftig
selbst drauf geschmiert!« (Nun folgt noch eine lange
Geschichte, wie man die kleine Kopie eines sehr be-
kannten, von de Jode gestochenen Van Dyck als treff-
liches Original von Poelenburgh verkauft hatte!)
• Im zweiten Kapitel, zum Teil in Dialogform, er-
zählt van Effen:
Oodfried Schalcken, dessen Bilder in London sehr
gesucht waren, und von den dortigen Kunsthändlern,
die sie ihm in Holland abgekauft hatten, für hohe
Preise verhandelt, entschloß sich, mit einigen seiner
besten Stücke selbst über den Kanal zu fahren, um
seine Reise reichlich damit zu bezahlen. Ein vor-
nehmer Lord kauft ihm wirklich sofort ein Bild ab.
Dieses hört einer von der Bande; und wütend, nichts
an dem Geschäft verdient zu haben, eilt er zu dem
Lord, bittet den Schalcken sehen zu dürfen, lobt
das Bild sehr, fragt dann aber, wie teuer er es bezahlt
habe. Der Herr nennt den Preis. Da hatten wir es!
So viel Geld!
Nein, so viel Geld! Ich werde Ihnen das Pendant
viel billiger verschaffen, dann werden your Lordship
sehen, daß es viel vorteilhafter ist, durch uns zu kaufen,
als sich so von den Malern prellen zu lassen. Der
Lord dachte, das kann man ja einmal versuchen, und
wollte auch gerne seine Landsleute etwas verdienen
lassen. Der Kunsthändler rennt zu Schalcken, findet
dort das Bild, welches er sucht, verspricht dem Künst-
ler goldne Berge, will ihn überall empfehlen und be-
günstigen, nur soll er ihm dieses Bildchen einmal
recht billig überlassen. Schalcken glaubt ihm und
gibt ihm das Bild für ein Butterbrot, in der Hoffnung,
durch solche Hilfe recht viel verkaufen zu können.
Der andere geht zum Lord, überläßt ihm das Bild
zu demselben Preis, den er Schalcken gezahlt, tut
aber dabei, ob er selbst noch recht ordentlich daran
verdiene. Der Lord, böse, erzählt sofort jedermann
die Geschichte, mit dem Resultat, daß niemand Schalcken
mehr ein Bild abkaufen wollte.
Ein Kunsthändler, der diese Geschichte gehört
hatte, erwiderte darauf: Nun, die Herren Maler machen
auch oft recht böse Sachen. Ein einfacher Sammler
bat einmal einen Maler, ein wertvolles Bild, das etwas
beschädigt war, zu restaurieren. Gewiß, sagt der
Maler, Sie sollen es zurückbekommen, so tadellos,
als hätte der Künstler es soeben gemalt! Was tut er?
Er kopiert das Bild, gibt ihm dann einen recht dicken
Firnis, liefert das neue für das alte Bild, fordert soviel,
wie er kaum für seine Kopie bekommen hätte, behält das
Original und verkauft es später für einen hohen Preis.