l 8g Justus van Effen über den holländischen Kunsthandel um 1700—1734 igo
Ein Maler, der dabei war, erwiderte: Es gibt immer
Ausnahmen, aber gegen einen unter uns gibt es bei
Euch zehn Schwindler. Hast du nicht noch kürzlich
mit Wasserfarben einen sehr berühmten Namen auf
ein Bild setzen lassen, damit der Käufer, wenn er es
später mit einem Schwamm abwäscht, auch dein
Schelmenstück auswischt?
Der Kunsthändler drauf: Ach was, ist es nicht
eine Regel geworden bei Euch und Eurer Sorte, daß
Ihr, wenn Ihr die Bilder kopiert, auch immer hübsch
fein den Namen mit drauf kopiert? Und ist dann die
erste Kopie nicht wiederum das Original der zweiten?
Da kann ich noch eine feine Geschichte erzählen,
die vor kurzem in Rotterdam stattfand. Ein Maler
will eine Auktion^ abhalten von Kopien, meist alle
von ihm selbst gemalt. Er läßt einen Katalog drucken
und Nr. l heißt Jan Steen. Ein Kunsthändler, der
auch wohl wußte, wie es gemacht wurde, geht ins
Hotel zum Verkäufer und findet ihn beschäftigt mit
dem Kopieren der Nr. l der Auktion: des Jan Steen,
des Hauptstücks der Sammlung, welches er noch für
ein Original hält. Er bittet den Maler, ihm dieses vor
der Auktion zu verkaufen, es sei ja noch Zeit genug,
um die Kopie fertig zu malen, und diese anstatt der
andern zu verauktionieren. Der Maler tut erst, als
lasse ihm sein Gewissen nicht zu, so etwas zu tun.
Nein, auf so etwas könne er sich nicht einlassen. Als
der andere ihm aber eine gute Summe bietet, wird
der Kauf abgeschlossen, und »het Jongste Steentje
koomt in plaats van't oudre bastaardje op de Vendue«.
Nun aber warnt der Kunsthändler im Stillen alle seine
Bekannten, daß Nr. l eine Kopie sei; er besitze ja das
echte Original. Trotzdem kauft er sich die neue
Kopie dazu, scheinbar, um vorzubeugen, daß jemand
darauf hereinfällt. Einige Tage später schickt er sein
»Original« nach einer gewissen Stadt, um es dort
den Amateurs zu präsentieren. Nicht bloß erklärt
man es für unecht, aber man teilt ihm mit, bei wem
er das wirkliche Original sehen könne, nebst der
ersten Kopie, die danach gemalt war und als Cheminee-
Bild diente. So war das Original schon Urgroßvater
geworden und jeder Bastard hatte wieder einen
Bastard erzeugt!
Aber es ist erklärlich, daß ein Kunsthändler zu-
weilen so hereinfällt. Viele darunter wissen so viel
von Kunst wie das Kalb vom Sonntag — man forsche
nur nach, was diese Leute früher gewesen sind.
Derselbe Maler, von dem ich eben erzählte, hat dem-
selben Kunsthändler noch folgendes geliefert: er hatte
zwei Kopien nach Marinen von Willem van de Velde
auf alte Leinewand gemalt und hing daneben zwei
andere, welche noch naß waren, und fragte dann,
ob man noch einen Unterschied zwischen ihnen
sehen könne. Natürlich, sagte der Händler, die
Originale (!) sind viel freier und geistreicher gemalt,
die andern sind steifer und härter, man sieht ja, daß
es Kopien sind! Er kauft sie auch sofort, und wie
er sie wieder verkaufen will, schwört er natürlich auf
die Echtheit derselben.
Eine andere Geschichte. Ein Kunsthändler schickt
seine Frau mit einer Kopie nach Wouwerman (denn
man läuft immer nur Gefahr, mit den Bildern von
berühmten Meistern betrogen zu werden) nach dem
Haag. Sie sagt den dortigen Kunsthändlern, es käme
eben aus einem alten Hause, aus welchem aber wüßte
sie nicht. Es wird als Wouwerman gekauft, aber bald
sehen andre es, und beweisen, durch Nachweisung des
Originals, daß es nur eine Kopie ist. Man bedroht
die Frau, bei ihrem nächsten Besuch, mit einem ge-
richtlichen Einschreiten. »Weshalb denn?« fragt sie,
und hält sich so dumm, als könne sie nicht bis drei
zählen. »Weil du uns eine Kopie verkauft hast,«
lautete die Antwort. »Das kann nicht sein,« antwortet
die Frau, ich habe den Namen vergessen, aber »Copy«
hieß der Maler nicht.
Und nun erst die italienischen Bilder! Ein Maler
erzählte, daß sein Lehrer einmal für einen Kunst-
händler ein italienisches Bild kopieren mußte. Als es
fertig war, kam er, um es zu sehen. »Etwas fehlt
noch,« rief er aus, »aber das können Sie in drei
Stunden perfekt in Ordnung machen!« Zu gleicher
Zeit nimmt er ein Messer, stößt ein Loch in das
Bild, beauftragt den Maler, es von hinten mit einem
schmutzigen alten Lappen zu verkleben und von vorn
wieder so gut wie möglich zu übermalen. »So wird
es erst als Original gelten können, denn die italieni-
schen Bilder haben meist viel gelitten.«
Einer der Anwesenden sagt: »Darum kaufe ich
lieber Bilder von lebenden Künstlern, dann weiß ich
wenigstens, daß ich Originale habe!«
»Ob es nicht Maler gäbe, die sich selbst kopieren,
und dasselbe Bild oft zwei- oder dreimal gemalt
hätten! Und immer verkaufen sie es dann für eine
gute Summe, als sei es das einzige, das sie von
dem Gegenstand gemacht hätten!«
»Wenn man das alles hört,« meinte ich (van Effen),
»sollte man alle Liebhaberei an Bildern verlieren, es
sei denn, daß man direkt von Privatleuten kaufen
könnte.«
Einer der anwesenden Kunsthändler erzählt dann
folgendes: Ein vlämischer Kollege wäre kürzlich in
ein Wirtshaus geraten, wo ein tüchtiges Glas Wein
vorgesetzt wurde. Ein schlauer Kerl ladet ihn darauf
ein, mit ihm nach seinem Hause zu gehen, dort
würde er ihn erst einen andern Est Est trinken lassen.
Der Mann, der gerne einen guten Tropfen mag, läßt
sich das nicht zweimal sagen. Er wird in einen
schönen Saal geführt, wo einige Bilder hängen, und
inzwischen wird ihm der Wein kredenzt. Unter
anderem sieht er zwei kleine Bilder und frägt, ob
das nicht Werke von Dou wären, zugleich einen
guten Preis dafür bietend. Nein, das ginge nicht, es
wäre alter Familienbesitz, man hätte ihn auf Wein,
nicht auf Bilder eingeladen. Inzwischen wird fort-
während eingeschenkt, und je mehr er trinkt, desto
schöner findet er die Bilder, und sie werden ihm
schließlich »aus Freundschaft« für eine hohe Summe
verkauft. Am nächsten Tage holt er sie ab und be-
zahlt sie, sieht sie dann aber mit ganz andern Augen
an und begreift, daß er betrogen ist. Er glaubt sich
aber daraus retten zu können. Er geht zurück in die
Wohnung, gibt vor, die Rechnung verloren zu haben
Ein Maler, der dabei war, erwiderte: Es gibt immer
Ausnahmen, aber gegen einen unter uns gibt es bei
Euch zehn Schwindler. Hast du nicht noch kürzlich
mit Wasserfarben einen sehr berühmten Namen auf
ein Bild setzen lassen, damit der Käufer, wenn er es
später mit einem Schwamm abwäscht, auch dein
Schelmenstück auswischt?
Der Kunsthändler drauf: Ach was, ist es nicht
eine Regel geworden bei Euch und Eurer Sorte, daß
Ihr, wenn Ihr die Bilder kopiert, auch immer hübsch
fein den Namen mit drauf kopiert? Und ist dann die
erste Kopie nicht wiederum das Original der zweiten?
Da kann ich noch eine feine Geschichte erzählen,
die vor kurzem in Rotterdam stattfand. Ein Maler
will eine Auktion^ abhalten von Kopien, meist alle
von ihm selbst gemalt. Er läßt einen Katalog drucken
und Nr. l heißt Jan Steen. Ein Kunsthändler, der
auch wohl wußte, wie es gemacht wurde, geht ins
Hotel zum Verkäufer und findet ihn beschäftigt mit
dem Kopieren der Nr. l der Auktion: des Jan Steen,
des Hauptstücks der Sammlung, welches er noch für
ein Original hält. Er bittet den Maler, ihm dieses vor
der Auktion zu verkaufen, es sei ja noch Zeit genug,
um die Kopie fertig zu malen, und diese anstatt der
andern zu verauktionieren. Der Maler tut erst, als
lasse ihm sein Gewissen nicht zu, so etwas zu tun.
Nein, auf so etwas könne er sich nicht einlassen. Als
der andere ihm aber eine gute Summe bietet, wird
der Kauf abgeschlossen, und »het Jongste Steentje
koomt in plaats van't oudre bastaardje op de Vendue«.
Nun aber warnt der Kunsthändler im Stillen alle seine
Bekannten, daß Nr. l eine Kopie sei; er besitze ja das
echte Original. Trotzdem kauft er sich die neue
Kopie dazu, scheinbar, um vorzubeugen, daß jemand
darauf hereinfällt. Einige Tage später schickt er sein
»Original« nach einer gewissen Stadt, um es dort
den Amateurs zu präsentieren. Nicht bloß erklärt
man es für unecht, aber man teilt ihm mit, bei wem
er das wirkliche Original sehen könne, nebst der
ersten Kopie, die danach gemalt war und als Cheminee-
Bild diente. So war das Original schon Urgroßvater
geworden und jeder Bastard hatte wieder einen
Bastard erzeugt!
Aber es ist erklärlich, daß ein Kunsthändler zu-
weilen so hereinfällt. Viele darunter wissen so viel
von Kunst wie das Kalb vom Sonntag — man forsche
nur nach, was diese Leute früher gewesen sind.
Derselbe Maler, von dem ich eben erzählte, hat dem-
selben Kunsthändler noch folgendes geliefert: er hatte
zwei Kopien nach Marinen von Willem van de Velde
auf alte Leinewand gemalt und hing daneben zwei
andere, welche noch naß waren, und fragte dann,
ob man noch einen Unterschied zwischen ihnen
sehen könne. Natürlich, sagte der Händler, die
Originale (!) sind viel freier und geistreicher gemalt,
die andern sind steifer und härter, man sieht ja, daß
es Kopien sind! Er kauft sie auch sofort, und wie
er sie wieder verkaufen will, schwört er natürlich auf
die Echtheit derselben.
Eine andere Geschichte. Ein Kunsthändler schickt
seine Frau mit einer Kopie nach Wouwerman (denn
man läuft immer nur Gefahr, mit den Bildern von
berühmten Meistern betrogen zu werden) nach dem
Haag. Sie sagt den dortigen Kunsthändlern, es käme
eben aus einem alten Hause, aus welchem aber wüßte
sie nicht. Es wird als Wouwerman gekauft, aber bald
sehen andre es, und beweisen, durch Nachweisung des
Originals, daß es nur eine Kopie ist. Man bedroht
die Frau, bei ihrem nächsten Besuch, mit einem ge-
richtlichen Einschreiten. »Weshalb denn?« fragt sie,
und hält sich so dumm, als könne sie nicht bis drei
zählen. »Weil du uns eine Kopie verkauft hast,«
lautete die Antwort. »Das kann nicht sein,« antwortet
die Frau, ich habe den Namen vergessen, aber »Copy«
hieß der Maler nicht.
Und nun erst die italienischen Bilder! Ein Maler
erzählte, daß sein Lehrer einmal für einen Kunst-
händler ein italienisches Bild kopieren mußte. Als es
fertig war, kam er, um es zu sehen. »Etwas fehlt
noch,« rief er aus, »aber das können Sie in drei
Stunden perfekt in Ordnung machen!« Zu gleicher
Zeit nimmt er ein Messer, stößt ein Loch in das
Bild, beauftragt den Maler, es von hinten mit einem
schmutzigen alten Lappen zu verkleben und von vorn
wieder so gut wie möglich zu übermalen. »So wird
es erst als Original gelten können, denn die italieni-
schen Bilder haben meist viel gelitten.«
Einer der Anwesenden sagt: »Darum kaufe ich
lieber Bilder von lebenden Künstlern, dann weiß ich
wenigstens, daß ich Originale habe!«
»Ob es nicht Maler gäbe, die sich selbst kopieren,
und dasselbe Bild oft zwei- oder dreimal gemalt
hätten! Und immer verkaufen sie es dann für eine
gute Summe, als sei es das einzige, das sie von
dem Gegenstand gemacht hätten!«
»Wenn man das alles hört,« meinte ich (van Effen),
»sollte man alle Liebhaberei an Bildern verlieren, es
sei denn, daß man direkt von Privatleuten kaufen
könnte.«
Einer der anwesenden Kunsthändler erzählt dann
folgendes: Ein vlämischer Kollege wäre kürzlich in
ein Wirtshaus geraten, wo ein tüchtiges Glas Wein
vorgesetzt wurde. Ein schlauer Kerl ladet ihn darauf
ein, mit ihm nach seinem Hause zu gehen, dort
würde er ihn erst einen andern Est Est trinken lassen.
Der Mann, der gerne einen guten Tropfen mag, läßt
sich das nicht zweimal sagen. Er wird in einen
schönen Saal geführt, wo einige Bilder hängen, und
inzwischen wird ihm der Wein kredenzt. Unter
anderem sieht er zwei kleine Bilder und frägt, ob
das nicht Werke von Dou wären, zugleich einen
guten Preis dafür bietend. Nein, das ginge nicht, es
wäre alter Familienbesitz, man hätte ihn auf Wein,
nicht auf Bilder eingeladen. Inzwischen wird fort-
während eingeschenkt, und je mehr er trinkt, desto
schöner findet er die Bilder, und sie werden ihm
schließlich »aus Freundschaft« für eine hohe Summe
verkauft. Am nächsten Tage holt er sie ab und be-
zahlt sie, sieht sie dann aber mit ganz andern Augen
an und begreift, daß er betrogen ist. Er glaubt sich
aber daraus retten zu können. Er geht zurück in die
Wohnung, gibt vor, die Rechnung verloren zu haben