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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Münchener Brief, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0208

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Münchener Brief

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die Rembrandtrepliken (Nr. 341, 342) und die zwei
aus den Kabinetten herübergenommenen Bildnisse von
Maes untergebracht, wobei man dazwischen noch eine
Marine des Verschuur (Nr. 611) und ein Tierstück von
Hondecoeter einschob. Aus den Kabinetten stammt
auch das schöne Stilleben von Beijeren, das an Stelle
des Everdingen zwischen die zwei v. d. Heist gesetzt
wurde, während man auf der linken Seite dieser (west-
lichen) Schmalwand den bisherigen Platz des Ruijsdael
mit dem Admiralsbildnis von Pickenoy belegte und
zu seinen Seiten, statt der Rembrandtrepliken, zwei
Stilleben von Weenix und Jac. Victor aufhing. Die
obere Reihe dieser Wand zeigt die beiden großen
Landschaften von Wijnants (Nr. 57g, 580). Der folgende
Vlamensaal (V), dessen ursprüngliche Bespannung
Tschudi seinerzeit mit einem ziemlich giftigen Grün
hatte überstreichen lassen, steht nicht auf der gleichen
Höhe wie der so harmonisch wirkende Raum der
Holländer, was ich/in erster Linie darauf zurückführe,
daß man ihn, der Absicht Tschudis folgend, wieder
auf ein helles Grün gestimmt hat. Nun ist dieses
Grün, allein schon infolge der Qualität des Stoffes,
zwar weit besser wie der ehemalige Anstrich und gibt
dem Saal ein zweifellos vornehmes Aussehen, es ist
aber trotzdem keine Farbe, die die Bilder hebt, sondern
einzelne von ihnen im Gegenteil nicht unbedeutend
beeinträchtigt, so daß man sich z. B. selbst schon
genötigt gesehen hat, das Bild der Helene Fourment
mit ihrem nackten Söhnchen in den großen Rubens-
saal zu versetzen und dafür den »Christus und die
reuigen Sünder« hereinzunehmen, der nun zwischen
einem im vergangenen Sommer erworbenen hl. Sebastian
von Antonis Mor1) und dem Porträt des Mathematikers
Neudörffer von Neufchatel (Nr. 663) hängt. Die Bilder,
die bisher diese Stelle eingenommen hatten, der Fran-
ziskanermönch und der Infant Don Ferdinand von
Rubens, wurden dafür zu seiten der Schäferszene an
die rechte Wandfläche gerückt, was die Transferierung
des vlämischen Porträts (Nr. 1298) in den Van Dyck-
saal bedingte. Dann wurde noch kürzlich eine weitere
Veränderung vorgenommen, indem man die Porträts
des Thulden und des alten Brant von Rubens (bisher
zu Seiten des Engelsturzes an der Südwand) mit dem
großen Bildnis der Helene Fourment und dem Doppel-
bildnis Rubens-Isabella Brant (bisher zu Seiten des
Kindermordes an der Nordwand) und ebenso in der
oberen Reihe die Jordaens mit den Jagdbildern von
Rubens und Fyt die Plätze tauschen ließ. Da-
durch wurde an der Nordwand zwar ein treppen-
förmiges Ansteigen der Bilder nach der Mitte zu aus-
geschaltet, dafür aber die Südwand verschlechtert,
ganz abgesehen davon, daß dem Doppelbildnis ein
Anrecht auf einen der besten Plätze im Saal zusteht.
Günstig wirkt, daß einzelne Bilder, wie auch im
Holländersaal, schwarze oder doch dunkle Rahmen
bekommen haben, wodurch der ganze Raum ab-
wechslungsreicher geworden ist. Der große Rubens-
saal hat seine alte Bespannung und — mit Ausnahme

1) Solid und sorgfältig gemalter Halbakt auf schwarzem
Grund. Das Bild wird im Münchener Jahrbuch ausführlich
besprochen werden.

des vorerwähnten kleinen Austausches — auch seine
Hängung behalten; dagegen wurde der Van Dycksaal
in ähnlicher Weise wie der vlämTsche mit einer neuen
grünen Tapete ausgestattet. Das Verhältnis der Bilder
zu derselben ist hier nahezu das gleiche wie bei dem
eben besprochenen Saal, so daß ich mich auf die in
diesem Fall ziemlich weitgehende Umhängung be-
schränken kann. Vor allem ist als sehr erfreulich zu
melden, daß man Van Dycks im Verein mit P. Snayers
gemaltes Bild der Schlacht bei Martin l'Eglise wieder
aus dem Depot hervorgeholt und an seinen alten
Platz, nur bedeutend tiefer, gehängt hat. Die Eckplätze
dieser (Süd-) Wand hat man den beiden Sebastians-
darstellungen gegeben und dazwischen die angeblichen
Bildnisse des Herzogs von Croy und seiner Gemahlin
untergebracht. An der gegenüberliegenden Wand
nehmen die ganz nahe aneinandergerückten Bildnisse
des Kaufmanns Leerse und seiner Frau die Mitte ein,
während die große Beweinung Christi, die Susanna
und zwei ganzfigurige Porträts nach den Seiten hin
folgen. Die obere Reihe der beiden Wände bilden
wie bisher die großen Schlachtendarstellungen Van der
Meulens, die nur unter dem Grün ziemlich stark leiden.
An den Schmalwänden sind keine nennenswerten Ver-
änderungen hervorzuheben, dagegen sind mehrere der
Brustbilder Van Dycks, darunter das jugendliche Selbst-
porträt, der Bildhauer Petel usw., in ein Kabinett
versetzt worden, um dem Schlachtenbild Platz zu
machen. Daß man den großen Porträts schöne alte
Barockrahmen gegeben hat, möchte ich schließlich
zu erwähnen nicht vergessen. Bei dem nun folgenden
Frühitalienersaal hat man analog den altdeutschen
Sälen und Kabinetten zu einer ganz hellen Bespannung
gegriffen, einem sehr lichten, nahezu weiß wirkenden
Grau mit goldenem Sternenmuster. Daß die Wirkung
nicht ebenso stark ist wie bei den Räumen der deut-
schen Malerei, liegt an dem doch wesentlich anderen
Farbenempfinden, das sich in den italienischen Bildern
der gotischen Zeit ausspricht, wozu noch kommt, daß
hier auch eine kleine Anzahl von Werken des Cinque-
cento untergebracht ist, die notwendig eines dunklen
Grundes bedürfen. In der Hängung ist nur Neben-
sächliches geändert, neu die wieder aus dem Depot
hervorgeholte Madonna des Pontormo1). Der wunder-
volle Perugino, die Vision des hl. Bernhard, hat einen
sehr schönen einfachen alten Rahmen bekommen und
auch der Raffaellino del Garbo hat den schweren
Renaissancerahmen mit einem anspruchsloseren ver-
tauscht. Die vier kleinen oberitalienischen Täfelchen mit
Szenen aus dem Leben des hl. Augustin (Nr. 1520—23),
die bisher den Heiligen des Spinello Aretino als
Predella dienten, sind in ein Kabinett versetzt worden,
die bisher dem Agnolo Gaddi zugeschriebenen Tafeln
mit dem hl. Nikolaus von Bari und Julianus tragen
nun die Bezeichnung G. Starnina.2)

Tritt man von dem Frühitalienersaal in das zu-
nächst gelegene Kabinett XVII, so sieht man sich un-
vermutet dem neuerworbenen ferraresischen Familienbild

1) Katalog der Alten Pinakothek von 1908. Nr. 1090.

2) Vgl. Aug. Schmarsow, Wer ist Oherardo Starnina.
Leipzig 1912. S. 4.
 
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