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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0317

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613

Sammlungen

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des 17. und 18. Jahrhunderts überwiegen, als ob eine be-
wußte Betonung der Barockmalerei beabsichtigt wäre.
Bei den stark nach dieser Seite gravitierenden Neigungen
der jüngeren Kunsthistorikergeneration wäre es nicht
wunderbar, wenn ein derartiger Versuch einmal gemacht
würde. Die Leipziger Galerie dürfte insofern nicht un-
geeignet dafür sein, als diese in der Hauptsache moderne
Sammlung in ihrer älteren Abteilung eine gewisse Selbst-
beschränkung üben muß und auf dem Gebiete der alt-
deutschen und niederländischen Malerei bereits ansehnliche
und geschlossene Bestände besitzt, zu deren würdiger Er-
weiterung erhebliche Mittel gehören würden. In ihren
italienischen Bildern verfügt sie über einen leidlichen Grund-
stock, der aber des Ausbaues fähig ist und einen solchen
durchaus lohnen würde. Die Tendenz, hierbei die spätere
Zeit zu begünstigen, scheint uns an sich ebenso fruchtbar
und anregend, wie sie bei der gegenwärtigen Markt-
konjunktur begreiflich ist. Allerdings wäre ein vorsichtiges
und von Einseitigkeit freies, vor allem auf künstlerische
Qualität gerichtetes Handeln dabei die notwendige Voraus-
setzung. —t.

Eine Zentrale für Museumskataloge regt Dr. Val.
Scherer in einem Aufsatze der von K. Koetschau edierten
»Museumskunde« an. Der Verfasser wünscht in Deutschland
zum mindesten eine Stelle, wo vorerst einmal die neuesten
Kataloge sämtlicher öffentlichen Sammlungen Deutschlands
einzusehen sind. Die Zentrale müßte jedoch außerdem
systematisch alle bisher erschienenen Kataloge jeder öffent-
lichen deutschen Sammlung bis in ihre Anfänge zurück
sammeln. Erwünscht wären Kataloge oder Verzeichnisse
der deutschen Privatsammlungen und wenn möglich deut-
scher Kunstauktionen. Hieran hätten sich schließlich
wenigstens die besten und neuesten Kataloge der außer-
deutschen Museen zu gliedern. Als Ort einer solchen
Zentrale wird Berlin vorgeschlagen. — n.

Neuerworbene Antiken im New Yorker Museum.

Kaum hatten wir über hervorragende Antiken, welche das
Metropolitan-Museum of At in New York erworben hat, be-
richtet, (siehe Kunstchronik vom 2. Mai 1913), so finden wir in
dem Mai-Bulletin des genannten Museums wiederum zwei
neue in das Museum eingetretene Antiken abgebildet, die
von allerhöchster Bedeutung sind. Es handelt sich zunächst
um eine archaische Grabstele von ungewöhnlicher Größe
— es ist in der Tat die größte aus der archaischen Periode
bekannte —, welche mit einer Sorgfalt ausgeschmückt ist,
die sie ebenfalls zu einem Unikum macht. In der Aus-
schmückung waren sowohl Skulptur wie Malerei angewandt.
Von den Farben sind noch soviel Reste übrig geblieben,
daß sie nicht allein von der Art und Weise, wie sie für
die Skulptur angewandt worden sind, Aufschluß geben,
sondern auch noch Konturen, die allein in Farbe wieder-
gegeben waren, erkennen lassen. — Im allgemeinen gehört
die Stele zu dem wohlbekannten Typus des hohen dünnen
Schaftes, der auf einer viereckigen Basis steht und durch
ein Endstück gekrönt ist. Die Vorderseite der Stele trägt
die Darstellung des Verstorbenen in Relief in voller Größe,
aber während die anderen Beispiele solcher Grabdenk-
mäler nur eine Figur zeigen, stehen hier deren zwei, ver-
mutlich Bruder und Schwester, nebeneinander. Der Jüng-
ling ist nackt und hält in der linken Hand einen Granat-
apfel. Ein kleiner Aryballos, wie ihn Athleten mit Öl
gefüllt trugen, hängt an seinem Handgelenk. Rechte Hand
und Arm fehlen; man kann ahnen, daß sie an der Seite
schlaff herunterhingen. Das Mädchen ist in vollerGewandung
und trägt eine kleine Blume in der linken Hand. Kopf
und Hand des Mädchens, wie sie auf der Reproduktion
des Bulletins zu sehen sind, sind jedoch aus Gips an-

gefügt; denn, wie wohl bekannt ist, befinden sich die
Originale dieser Teile im Berliner Museum seit zehn oder
zwölf Jahren, und im edlen Wettstreit, das Ganze zu besitzen,
ließ keines der beiden Museen dem anderen seinen Besitz
an dieser Stele ab. Um die oberen Teile dieser Figuren
herum und auf denselben zeigen sich noch bedeutende
Farbenreste, meistens rot; möglicherweise ist aber ein Teil
dieses Rot Überrest von einer anderen Farbe, deren übrigen
Bestandteile sich verflüchtigt haben, denn es lassen sich
sonst noch geringe Spuren von einigen anderen Farben
erkennen. Unter der Linie, auf der die Figuren stehen,
ist eine rechteckige Fläche, die möglicherweise mit Malerei
bedeckt war, von der sich aber jetzt nichts mehr sehen
läßt. Die Krönung besteht aus zwei Teilen; der untere
Teil war vollständig mit Farben verziert und es bleibt
genug von der Dekoration zu erkennen, so daß man sie gänz-
lich rekonstruieren kann. Es war eine Kombination von Vo-
luten und Palmetten. Der oberste Teil der Krönung be-
stand aus einem sitzenden Löwen oder Sphinx, vollrund
ausgearbeitet, was zweifellos dem Ganzen eine bedeutende
Wirkung gab. Außer den vier Füßen läßt sie aber nichts
erkennen. Während die bis jetzt geschilderten Teile der
Grabstele aus pentelischem Marmor bestanden, befand sich
darunter ein Block aus blaugrauem Hymettos-Marmor.
Auf diesem sind Reste einer noch nicht entzifferten größeren
Inschrift zu sehen. Die Höhe des ganzen Monumentes
ist über 4 m, die Stele als solche ohne die Krönung ist
2,70 m hoch. Wenn man das Tier, das als oberste Krö-
nung auf der Stele saß, dazunimmt, muß sich das Ganze
nochmals um mindestens 70 cm erhöht haben. Das Monu-
ment ist von einzigartiger Bedeutung für die frühe grie-
chische Kunst und namentlich der Kopf des Jünglings
ist ein Meisterwerk archaischer Reliefkunst und in solcher
Erhaltung nach New York gelangt, als wenn er eben erst
das Atelier des Meisters verlassen hätte. Für das Studium
der griechischen Skulptur ist das Werk unschätzbar als
eine Illustration der Feinheit und Subtilität der Technik
der frühen attischen Künstler. Der Bildhauer hatte noch
nicht gelernt, das Auge korrekt im Profil wiederzugeben;
er konnte auch noch nicht dem Munde den richtigen Aus-
druck geben, aber die Aussenzeichnung des Gesichts ist ex-
quisit und das Gesicht selbst ist mit einer Feinheit modelliert,
die eine volle Kenntnis der Qualitäten des Fleisches zeigt.
Das Stück ist in die Zeit von 550—525 v. Chr. zu rechnen.
— Von nicht minderer Bedeutung — und durch
seine Aufstellung auf der Höhe der Haupttreppe des
Museums als derartig gekennzeichnet — ist ein römischer
Porträtkopf, der nach dem Stil der Modellierung und den
Eigentümlichkeiten der Büstenform in die letzten Jahre der
Republik oder den Beginn der römischen Kaiserzeit zu
setzen ist. Der Porträtkopf muß einen nicht zu identifi-
zierenden Zeitgenossen des Cäsar oder des Augustus dar-
stellen. Eine Eigentümlichkeit in der Ausführung dieser
prächtigen Büste muß noch erwähnt werden. Man könnte
nach der Photographie glauben, daß der Kopf vollständig
kahl ist, aber das ist nicht der Fall. Die Linie des Haares
ist klar durch eine kleine Erhebung um Gesicht und Nacken
zu erkennen und die von dieser Linie umfangene Ober-
fläche über den ganzen Schädel ist in feiner Weise aus-
geraspelt. Die dadurch hervorgebrachten Linien sollen
aber keinesfalls das Haar repräsentieren. Es ist nun ganz
unbegreiflich, daß Gesicht, Nacken und Ohren in solchem
Detail vollendet ausgearbeitet sind und der übrige Teil
des Kopfes gleichgültig behandelt worden sein sollte. Man
darf daher annehmen, daß die jetzt sichtbaren Linien nur
die Vorbereitung für den Bildhauer für eine Auflage von
Stuck oder Farbe waren. Wir haben zwar kein anderes
Beispiel einer solchen Technik in der römischen Skulptur,
 
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