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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0051

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Die Gestalt des Sandalenlösers in der mittelalterlichen Kunst

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sind ihrem Wesen nach nicht erzählend, sondern aussagend18. Die dort zur Abbildung gelangenden,
ausgewählten Szenen des Alten und Neuen Testamentes dienen der Illustration einmaliger Geschehnisse
nur insoweit, als sich in ihnen die Wahrheiten des Glaubens und die Jenseitshoffnungen des Verstorbenen
und seiner Hinterbliebenen verkörpern. Schon Le Blant hat daher zwischen der allegorischen Auslegung
von Exodus 3,5 - der an Moses ergangenen Aufforderung, sich der irdischen Dinge zu entledigen, um
sich ganz dem Dienste des Herrn zu weihen - und der Darstellung des sandalenlösenden Moses in der
Sarkophagplastik eine Verknüpfung gesehen19. Den Ausdeutungen Gregors von Nazianz, Augustins und
Isidors von Sevilla fügt er die Übersetzung einer Trauerrede Gregors von Nyssa bei, in der dieser den
Verstorbenen mit Moses vergleicht, der das Schuhwerk der Seele abgelegt habe, damit ihr unbefleckter
Fuß allein das heilige Land berühre, in dem man zur Betrachtung Gottes gelangt20.
Wilpert kommt in seinen Untersuchungen über die Darstellung des sandalenlösenden Moses in der
Malerei der Katakomben21 und auf den christlichen Sarkophagen22 zu dem Schlüsse, daß diese Figur den
Verstorbenen symbolisiere, der sich anschicke, vor das Antlitz seines Herrn zu treten. Die Rekonstruktion
eines Freskos in der Katakombe des Marcus und Marcellinus liefert ihm den Beweis seiner These:
In der Lünette eines Arkosolgrabes ist die Stifterin zwischen den beiden Titelheiligen zu sehen, daneben,
zwar durch einen Rahmen abgetrennt, aber doch auf dem gleichen Felde, steht die Figur des Sandalen-
lösers23.
Die Ausführungen Wilperts fanden wenig Anklang, wahrscheinlich, weil ihnen eine systematische
Beweisführung fehlte24. Prüfen wir jedoch die Stellung des sandalenlösenden Moses jeweils im ganzen ihn
umgebenden Bildzyklus25, versuchen wir so, das an uns gerichtete Wort aus dem Context zu verstehen,
dann gelangen wir zu folgendem Ergebnis: Die Figur des Moses, der die Sandale löst, kommt in Gegen-
überstellung oder Reihung mit Wunder- und Errettungsszenen vor - mit solchen, die Refrigeriums-
vorstellungen verkörpern (Jonas unter der Kürbislaube, Drei Jünglinge im Feuerofen), die von der
18 Vgl. E. Stommel, Beiträge zur Ikonographie der konstantmischen Sarkophagplastik, Bonn 1954, S. 58/59.
19 E. le Blant, Les Sarcophages Chretiens de la Gaule, Paris 1886, S. 111/112.
20 Migne PG 46, Kol. 862: „Reliquit Aegyptum, materialem et crassam vitae rationem, transivit non Rubrum hoc, sed atrum
illud et caliginosum vitae mare; ingressus est terram promissionis: in monte cum Deo philosophatur; solvit animae calceamentum,
ut pura planta mentis terram sanctam, ubi conspicitur Deus, conscenderet.“
21 G. Wilpert, Le Pitture delle Catacombe Romane, Roma 1903, S. 388/90.
22 Wilpert, Sarcofaghi, S. 243.
23 Vgl. Anm. 25, Nrn. 2, 4.
24 Zustimmend äußerte sich L. v. Sybel, Christliche Antike, Marburg 1906, S. 254. Heftige Kritik bei P. Styger, Die altchrist-
liche Grabeskunst, München 1927, S. 39/40.
25 Darstellungen des Sandalenlösers in der Sarkophagplastik: 1. Zweireihiger Friessarkophag, Rom, Museo Laterano (178), 4. Jh.,
Abb. Wilpert, Sarc. I, T. 86, 3; obere Reihe: Auferweckung des Lazarus, Christus mit Schriftrolle und Apostel, Brotvermehrung,
Clipeus, Isaakopfer, Heilung des Blindgeborenen, Hahnszene, Adam und Eva; untere Reihe: Sandalenlöser mit vier Figuren,
Blutflüssige, Wunder von Kana, Jonas-Zyklus, Daniel zwischen den Löwen, Gefangenführung Petri, Petri Quellwunder. -
2. Zweireihiger Friessarkophag, Pisa, Camposanto, 4. Jh., Abb. Wilpert, Sarc. I, T. 157, 2; obere Reihe: Wachtelwunder, Clipeus,
Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer; untere Reihe: Auferweckung des Lazarus, Brotvermehrung, Isaakopfer, Blind-
geborener, Daniel zwischen den Löwen, Sandalenlöser, Hahnszene, Gefangenführung Petri, Quellwunder Petri. Hier wird besonders
deutlich, daß die Mosesszenen nicht in ihrem historischen Zusammenhang gesehen werden sollen. — 3. Bruchstück eines zwei-
teiligen Friessarkophags, Berlin, Staatliche Museen, 4. Jh., Abb. Wilpert, T. 205,4; Einzug in Jerusalem, Sandalenlöser. -
4. Bruchstück eines Friessarkophags, Rom, S. Lorenzo fuori le mura, 4. Jh., Abb. Wilpert, Sarc. II, T. 206, 1. - 5. Bruchstück
eines Friessarkophags, Paris, Louvre, 4. Jh., Abb. Wilpebt, Sarc. II, T. 206, 2; Brotvermehrung, Sandalenlöser und zwei Perso-
nen. - 6. Bruchstück eines Friessarkophags, Rom, S. Lorenzo fuori le mura, 4. Jh., Abb. Wilpert, Sarc. II, p. 242, fig. 149;
Brotvermehrung, Sandalenlöser und eine Gestalt. - 7. Säulensarkophag (verschwunden), früher Rom, Vatikan. Spätes 4. Jh.
oder frühes 5. Jh., Abb. R. Garucci, Storia della Arte Cristiana, V, Prato 1879, T. 375, 3. - 8. Teil eines Friessarkophags? Nur
in Zeichnung bekannt, Abb. E. le Blant, Sarc. Gaule, S. 114. Putto mit Inschriftentafel, Hand Gottes und Sandalenlöser, Petrus
und Hund des Simon Magus ?
Darstellungen in der römischen Katakombenmalerei: 1. Coemeterium maius, Decke von Cubiculum I, 4. Jh., Abb. Wilpert,
Pitt., T. 168; zwei weibliche und zwei männliche Oranten, von je zwei Schafen flankiert, in Kreuzform angeordnet, dazwischen
Auferweckung des Lazarus, Quellwunder, Heilung des Gichtbrüchigen und Sandalenlöser. - 2. Ciriaca, Stirnwand eines Arcosol-
grabes, 4. Jh., Abb. Wilpert, Pitt., T. 205; Quellwunder, Jonas ruht unter der Kürbislaube mit der Inschrift „Zosimiane in Deo
vivas“, Sandalenlöser. - 3. Callixtus, Bogenlaibung, 4. Jh., Abb. Wilpert, Pitt., T. 237, 1 und 2; links Brotvermehrung, rechts
Sandalenlöser und Quellwunder. — 4. Marcus und Marcellinus, Arcosolgrab, 4. Jh., Abb. Wilpert, Pitt., T. 214, 215, 216; links
Quellwunder, Brotvermehrung, Lünette S. Marcus, Tote, S. Marcellinus, Sandalenlöser, rechts Isaak. - 5. Domitilla, Cubiculum
IV, 4. Jh., Stirnwand eines Arcosilium, Abb. Wilpert, Pitt., T. 230, 1; Sandalenlöser.
 
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