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Bibliotheca Hertziana [Editor]; Bruhns, Leo [Honoree]; Wolff Metternich, Franz [Honoree]; Schudt, Ludwig [Honoree]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0052

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48

Hildegard Giess

Auferstehung Christi sprechen (Isaak) - sowie neben der symbolischen Wiedergabe der zentralen
Mysterien des christlichen Glaubens, Taufe und Eucharistie (Quellwunder und Brotvermehrung). Ihre
Bedeutung ist daher ebenfalls in der Verkündigung einer Heilswahrheit zu suchen, so, wie sie uns in der
allegorischen Auslegung der Kirchenväter entgegentritt: Durch das Ablegen der Sandale, das heißt aller
dem Irdischen und Sterblichen verhafteten Dinge, wird der Gläubige würdig, heiligen Boden zu
betreten und der Anschauung Gottes teilhaftig zu werden. Ob die Figur des Moses dabei wie andere
Gestalten des Alten Testamentes (Jonas, Daniel, die Drei Jünglinge im Feuerofen) den Verstorbenen
symbolisieren soll, müßte durch Einzeluntersuchungen festgestellt werden26. Diese Frage berührt unser
Thema aber nur indirekt.
Eine andere Ausdeutung des sandalenlösenden Moses in der frühchristlichen Kunst gibt Danielou27.
Im Anschluß an die allegorische Auslegung des Lebens Mosis durch Gregor von Nyssa glaubt er, darin
ein Symbol der Taufe zu erkennen. Auf den Zusammenhang, der auf den bildlichen Darstellungen zwischen
Taufe und Schuhablegen besteht, werden wir später noch eingehen. Daß der Figur des sandalenlösenden
Moses in der frühchristlichen Kunst generell die von Danielou vorgeschlagene Bedeutung zukommt,
scheint uns aber noch genauerer Beweisführung zu bedürfen.
Den Zyklen der sepulkralen Kunst stehen die in Budapest auf bewahrten Metallbeschläge nahe, die
ebenfalls ins 4. Jahrhundert datiert werden (Abb. 22)28. Sie zeigen neben der Taufe Christi, der Auf-
erweckung des Lazarus, dem Guten Hirten, Jonas unter der Kürbislaube mit dem Seeungeheuer und
dem Quellwunder Mosis auch den Sandalenlöser.
Einblick in ein erweitertes Programm bieten die Marmorplattenfragmente aus dem späteren 5. Jahr-
hundert aus Antiochia, die der Ausschmückung eines Martyriums dienten29. In die Reihe der bisher
entdeckten alttestamentlichen Szenen30 ordnet sich ein Bruchstück ein, das zwei Füße erkennen läßt,
den einen entblößt, den anderen mit einem Schuh bekleidet und etwas erhöht aufgestellt - von Weitz -
mann eindeutig als Moses am Berge Horeb bestimmt.
Auf der Lipsanothek in Brescia31 hingegen wird neben anderen alttestamentlichen und christologischen
Szenen em ausführlich erzählender Zyklus aus dem Leben Mosis dargestellt32. Die Anordnung der Bilder
auf diesem Elfenbeinkästchen erfolgt jedoch nicht in rein historischer Reihenfolge, sondern nach künst-
lerischen Gesichtspunkten und aus dem Bestreben, dem Bedeutungsinhalt der einzelnen Szenen gerecht
zu werden. So ist der schmale obere Streifen der linken Seitenwand in drei Felder eingeteilt (Abb. 24),
deren mittleres von der Darstellung des Unterganges der Rotte Korah ausgefüllt wird; links davon Moses,
der sich die Sandalen löst und zur Hand Gottes aufschaut, die sich aus einem Wolkenrand zu ihm herab-
senkt, rechts Moses auf dem Berge Sinai, vor ihm liegen die Gesetzestafeln, aus der Höhe erscheint die
Hand Gottes. Das Fehlen des Dornbusches in der Horebszene33 gibt einen Hinweis dafür, daß auch hier
wieder ihre symbolisch-didaktische Bedeutung im Vordergrund steht. Dazu paßt auch der Inhalt der
Nebenszene (Rotte Korah), die die Bestrafung der allzusehr im Irdischen und Bösen Befangenen zeigt.
Zwischen der Darstellung Mosis am Berge Horeb und auf Sinai besteht eine augenfällige künstlerische
Parallelität. Die Gegenüberstellung beider Szenen muß aber in noch stärkerem Maße inhaltlich bedingt
sein. Wir finden sie bereits in der Synagoge von Dura Europos (um 250)34. Zur Rechten oberhalb der
Thoranische steht Moses hoch aufgerichtet vor der Hand Gottes und dem Brennenden Dornbusch,
26 Über die Mehrdeutigkeit der Bilder in der frühchristlichen Kunst vgl. Stommel, Beiträge, S. 66/67. Siehe dort a. a. O. auch die
Erklärung des Symbolgehaltes der einzelnen Szenen.
27 Vgl. J. Danielou, Gregoire de Nysse, Vie de Moise, Paris 1944, S. 60, Anm. 1, und Platonisme et Theologie mystique, Essai
sur la doctrine spirituelle de St. Gregoire de Nysse, Paris 1944, S. 33.
28 Vgl. G. Supka, Frühchristliche Kästchenbeschläge aus Ungarn. Röm. Quartalschrift XXVII (1913), S. 178.
29 Abb. Antioch on-the-Orontes III, Princeton 1941, T. 17 (373), Text von K. Weitzmann, S. 135/136.
30 Daniel, drei Jünglinge im Feuerofen? David mit dem Löwen, Samson mit dem Löwen, Samson mit den Türen von Gaza?
Goliath.
31 Vgl. R. Delbrück, Probleme der Lipsanothek in Brescia, Bonn 1952, S. 67; Datierung: „2. Jahrzehnt des 4. Jhs.“. A. Alföldi,
Die Spätantike in der Ausstellung „Kunstschätze der Lombardei in Zürich“, Atlantis 1949, Heft 2, S. 80, Dat.: „mittlere Jahr-
zehnte des 4. Jhs.“.
82 Auffindung des Kindes, Tötung des Ägypters, Aufnahme bei Jethro? Horeb, Sinai, Goldenes Kalb, Untergang der Rotte Korah.
83 Delbrücks „Der Dornbusch fehlt wohl aus Raummangel“ (Lipsanothek, S. 13) überzeugt nicht.
34 Vgl. C. H. Kraeling, The Synagogue, The excavations at Dura-Europos, Final Report VIII, Part I, Yale U. P„ 1956,
T. 76 und 36, 1.
 
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