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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0054

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50

Hildegard Giess

Bildmotiven, zum Beispiel der Verwandlung des Stabes in die Schlange, erwähnt. Der Unterschied
zwischen historisierender Bibelillustration und Darstellung der einzelnen herausgegriffenen Szene um
ihrer symbolischen Bedeutung willen, wird am Beispiel des Sandalenlösers besonders deutlich.
Hirtenidyll, Sandalenlösen und Gesetzesübergabe bilden eine großartige kompositionelle Einheit auf
einer Platte der Holztüre von Santa Sabina in Rom (5. Jh.)42. In kontinuierlicher Erzählung werden die
drei Szenen in drei Registern übereinander angeordnet. Horeb und Sinai sind miteinander verbunden
durch die hohe Feuerflamme, die aus einem merkwürdig zusammengesetzten, konischen Gebilde
schlägt, das sowohl den Brennenden Dornbusch - und davor den Engel - als auch den flammenden
Berg - und darüber die Hand Gottes mit der Gesetzesrolle - bedeuten kann. Die Darstellung Mosis
weicht dabei von dem uns bisher bekannten sandalenbindenden Hermestypus ab. Er wird hier sitzend
gezeigt, den linken Fuß angezogen und über das rechte Knie gelegt. Die Vorlage dieser Darstellung
gehört also einem anderen Kreise an als die bisher betrachteten. Wir begegnen dem stehenden Moses
jedoch wieder in der monumentalen Ausstattung, auf Mosaiken in Ravenna und einer Klosterkirche
des Berges Sinai.
Im Presbyterium von San Vitale zu Ravenna sind an den beiden Seitenwänden Horeb und Sinai im
Raume einander symmetrisch gegenübergestellt43. Linke Seitenwand unten: Von seinen Schafen umgeben
sitzt Moses inmitten einer grünen, blumenbewachsenen Landschaft; darüber: zur Hand Gottes empor-
schauend löst er die Riemen der Sandale an seinem linken Fuß, während ringsumher aus dem Felsen
kleine Feuerflammen züngeln (also eigentlich Darstellung des Sinai). Rechte Seitenwand unten: Die
Vertreter der zwölf Stämme haben sich um Aaron versammelt; darüber: auf der Höhe des Berges emp-
fängt Moses mit ehrfurchtsvoll verhüllten Händen die Gesetzesrolle aus der Hand Gottes.
In der Kirche vom Kloster der heiligen Katharina auf dem Berge Sinai sind das Sandalenlösen vor dem
Brennenden Dornbusch und der Gesetzesempfang über dem Bogenfeld vor der Apsis dargestellt, beider-
seitig eines kleinen Fensters44. Sowohl in Ravenna als auch auf Sinai trägt aber Moses bei der Gesetzes-
Übergabe Sandalen an den Füßen. Falls es sich hier nicht um die Folgen einer Restauration handelt, ist
also wohl anzunehmen, daß trotz der engen Verbindung beider Szenen dem ausführenden Künstler der
Symbolgehalt der gelösten Sandale nicht bekannt war.
Die Zusammenfassung beider Szenen zu einem Bilde finden wir auch in den Manuskripten des Cosmas
Indicopleustes, deren Original wohl im 6. Jahrhundert in Alexandrien entstanden ist (Abb. 23)45. Hoch-
aufgerichtet, mit nackten Füßen, steht Moses, umgeben von seinen Schafen, vor der Hand Gottes.
Neben ihm ist ein Paar hoher Schuhe dargestellt, von gleicher Form wie in Dura Europos und im Marty-
rium von Antiochia. Der Brennende Dornbusch in Gestalt eines sakralen, kelchförmigen Gefäßes, aus
dem Feuerflammen schlagen, steht über dem flammenden Berge am rechten Bildrande, neben dem zum
zweiten Male dargestellten Moses, der mit verhüllten Händen aus der Hand Gottes die Gesetzesrolle
entgegennimmt. Nicht der Unachtsamkeit eines Kopisten, sondern dem bewußten Willen des ent-
werfenden Künstlers zur Aussage schreiben wir diese Anordnung zu.
Horeb und Sinai, Land der Offenbarung, der Belehrung und des vertrauten Umganges mit Gott, waren
dem Zutritt des profanen Volkes entzogen, das nur bis an die Grenzen des heiligen Bezirkes geführt
wurde, während Moses, der vom Herrn Erwählte, nach Ablegung seiner irdischen Fesseln gewürdigt war,
den Weg zur Höhe emporzuschreiten und dort das Gesetz zu empfangen. Das ist das Thema einer Reihe
mittelbyzantinischer Miniaturen, die alle der Psalterillustration angehören46. Die Bildelemente sind: eine
42 Vgl. M. D. Darsy, Les Portes de Sainte Sabine dans l’archeologie et l’iconographie generale des monuments, Actes du Ve Con-
gres international de l’Archeologie Chretienne, Paris 1957, p. 485. Abb. Foto Alinari Nr. 27954.
43 Abb. F. W. Deichmann, Frühchristliche Bauten und Mosaiken von Ravenna, Baden-Baden 1958, T. 316 und 317. Farbtafel
bei G. Bovini, Chiese di Ravenna, Novara 1957, S. 129. Datierung: Weihe der Kirche 547 oder 548 (Bovini, S. 129).
44 M. v. Berchem et H. Clouzet, Mosaiques chretiennes du IVe au Xe siede, Geneve 1924, Abb. 236, 237. Datierung 7. bis 8. Jh.
45 Vgl. K. Weitzmann, Die byzantinische Buchmalerei des IX. und X. Jhs., Berlin 1935, S. 5 und 59, Abb. 391, und C. Storna-
jolo, Le miniature della Topografia cristiana di Cosma Indicopleustes, Mailand 1908, S. 35/36. Stornajolo bezeichnet diese Szene
als „Missione di Mose“ und charakterisiert damit zutreffend einen Teil des Bildinhaltes.
46 1. Rom, Bibi. Vat., Reg. gr. 1, fol. 155ro; Weitzmann, Byz. Buchmalerei, S. 40, Datierung: Ende des 9., Beginn des 10. Jhs.
Abb. 25. - 2. Paris, Bibi. Nat., gr. 139, fol. 422ro; Abb. H. Buchthal, The Miniatures of the Paris Psalter, London 1938, T. 10;
Datierung: Mitte 10. Jh. - 3. Berg Athos, Pantokrator Kloster, Nr. 49, fol. 73ro; Abb. K.Weitzmann, Roll and Codex, Princeton
1947, Abb. 165; datiert 1084. — 4. Rom, Bibi. Vat., Pal. gr. 381, fol. 169vo; Abb. Collectione paleografica Vaticana, Vol. I,
 
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