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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0073

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PAPSTTUM, NORMANNEN UND GRIECHISCHE KIRCHE*
von Walter Holtzmann
Das Auftreten der Normannen in Unteritalien, ihre kriegerische Ausbreitung seit etwa 1050, die Kon-
solidierung ihrer Herrschaftsgebilde in einem einheitlichen Staatswesen seit 1130 - all das sind Vorgänge
von tief einschneidender Bedeutung nicht nur für die italienische, sondern für die allgemeine Geschichte.
Der von den Normannen geschaffene Staat, in dem Elemente aus drei Kulturkreisen, dem abendlän-
dischen, dem griechisch-byzantinischen und dem arabischen, miteinander verschmolzen wurden, hat die
Hälfte Italiens umfaßt und bis 1860 bestanden; die Eigenart, die sich hier herausgebildet und trotz allen
Wechsels der Dynastien zäh erhalten hat, macht noch heute der italienischen Innenpolitik zu schaffen.
Die Geschichte dieses Staatswesens und seiner Komponenten übt schon lange auf die verschiedensten
Zweige historischer Forschung einen unwiderstehlichen Reiz aus, um so mehr, als es sich dabei um Er-
scheinungen und Vorgänge handelt, die sich sozusagen vor den Toren der alten Welthauptstadt Rom
abspielen. Vor der Begründung des normannischen Reiches lagen die süditalienischen Dinge für den
Westen an seiner Peripherie, von da ab für lange Zeit im Zentrum des politischen Geschehens.
Die Vorgänge in Unteritalien fallen zeitlich genau zusammen mit einer entscheidenden Phase der Papst-
geschichte, ja mehr noch: der Geschichte des christlichen Abendlandes. Man hat diese Periode mit Recht
„die Krise des Mittelalters“ genannt1. Ohne auf ihren Inhalt näher einzugehen, genügt für unsere
Betrachtung die Feststellung, daß in den Jahren zwischen 1050 und 1130 die abendländische Kirche und
ihre Spitze, das Papsttum, seine endgültige mittelalterliche Form erhält. Um nur einzelnes anzudeuten:
Die damals in Rom befolgte Liturgie wird für alle Kirchen des christlichen Abendlandes verbindlich,
die Kirchenregierung erhält im jetzt erst genau abgegrenzten Kardinalkollegium und in den ersten Ämtern
(Kanzlei und Kammer) ihre Zentrale, der Papst wird aus der Abhängigkeit von der kaiserlichen Gewalt
und dem römischen Adel befreit und beginnt eine aktive, alle Länder gleichmäßig erfassende Kirchen-
politik zu betreiben, die Kirche schafft sich ihr eigenes Recht, der Papst seinen eigenen Staat, unabhängig
von älteren konkurrierenden Ansprüchen des Kaisers. Gerade in diesem letzten Punkt ist das Auftreten
der Normannen epochemachend und das Zusammenspiel von Papstgeschichte und Normannengeschichte
in die Augen springend: 1059 wird das neue Pastwahlgesetz verkündigt und die Normannenführer als
Vasallen des Papstes werden mit ihren Eroberungen in Unteritalien belehnt.
Aber nicht diese oft untersuchten Dinge sollen uns hier beschäftigen2, sondern ein drittes Element, das
sozusagen zwischen die beiden - an sich sehr ungleichartigen - Mächte Papsttum und Normannen tritt:
die griechische Kirche. Jenes päpstlich-normannische Bündnis von 1059 bezeichnet einen grundsätzlichen
Frontwechsel in der päpstlichen Politik; noch wenige Jahre vorher beabsichtigte ein Papst, Leo IX., die
Normannen, die in Campanien wie Banditen gehaust und auch Kirchen und Klöster nicht verschont
hatten, im Bunde mit der byzantinischen Regierung und ihrem Statthalter in Bari militärisch nieder-
zuwerfen. Der Versuch endete mit einem völligen Fehlschlag, und statt mit dem schwachen byzan-
tinischen Kaiser politisch einig zu werden, vertiefte sich der Gegensatz zwischen Ost- und Westkirche
zum endgültigen Bruch. Das Schisma von 1054, damals wenig beachtet3, ist trotz aller immer wieder
erneuerten Unionsversuche bis heute nicht wieder beseitigt worden. Man gerät leicht in die Versuchung,
das päpstlich-normannische Bündnis von 1059 auch kirchenpolitisch zu erklären, so etwa, als hätten die
Päpste sich der Normannen bedienen wollen, um die griechische Kirche in Unteritalien auszurotten4.

* Erweiterter und umgearbeiteter Ausschnitt aus einem Referat: Osservazioni sui rapporti fra Normanni e Papato, das ich auf
einem Kongreß der Societä di storia patria per la Puglia im Herbst 1957 erstattet habe und das in dessen,,Atti“ erscheinen wird.
1 Giorgio Falco, La Santa Romana Repubblica,2 Milano 1954, p. 267.
2 Grundlegend hierfür ist immer noch das Werk von Ferdinand Chalandon, Histoire de la domination Normande en Italie et
Sicile, 2 Bände, Paris 1907; für die vorausgehende Periode: Jules Gay, L’Italie meridionale et l’empire byzantin, Paris 1904.
3 Vgl. Louis Brehier, Le schisme oriental du XIe siede, Paris 1899, p. XXIIff. (im einzelnen jetzt überholt durch die zahlreichen
Arbeiten von Anton Michel). Vage Kunde von den wirklichen Vorgängen hatte man nur in Montecassino. Genaueres bringt erst
zu Anfang des 12. Jahrhunderts die Chronik des Sigebert von Gembloux, Mon. Germ. Scr. 6, 359f. zu 1053/1054, offenbar auf
Grund einer der Aktensammlungen des Kardinals Humbert, die auch die Hauptquelle unserer Kenntnis der wirklichen Vorgänge
sind. Mehrere Handschriften davon befanden sich in lothringischen Klöstern; vgl. darüber A. Michel, Lateinische Aktenstücke
und -Sammlungen zum griechischen Schisma (1053/54), in: Hist. Jahrb. 60 (1940), S. 116ff.
4 Vgl. etwa Ernesto Pontieri, Tra i Normanni nellTtalia meridionale, Napoli 1948, p. 149: ,, . . . da un lato i Pontefici romani
 
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