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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0133

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Giottos Stefaneschi-Altarwerk aus Alt-St. Peter in Rom

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Giotto, wäre die Verbindung von Monumentalität der großen Ordnung und feinerer Mannigfaltigkeit der
räumlichen und inhaltlichen Charakterisierung zu erwarten?
Zum Schluß dieser langen Beschreibungen sei noch die mittlere Predella der Rückseite erwähnt, die sich
als einzige von ursprünglich dreien erhalten hat. Links finden wir Stephanus, einen jungen Diakon-
Heiligen, in rot-goldenem Gewand, die grüne Palme des Martyriums in der Rechten, ein zinnoberrotes
Buch in der Linken. In der Mitte erscheint ein Evangelist mit blauem Gewand, über dem der Mantel
wohl ursprünglich rosafarben war, heute aber zu Krapplack nachgedunkelt zu sein scheint. Sein Buch ist
grün. Rechts davon Laurentius: er trägt den blauen Mantel über Rot und eine Stola; mit der Rechten
hält er eine Rute. Wie Stephanus sich zur Mitte hin wendet, so tut es auch er, womit diese kleine Tafel
durch ihre Figuren mit räumlichem Leben erfüllt ist. Besonders fein ist auf der Diakontafel der Gold-
grund behandelt, indem den rahmenden Mehrpaßornamenten um die Figuren Muster einpunktiert sind.
Leider fehlt uns die Kenntnis der beiden anderen Tafeln, sonst könnte vermutet werden, daß diese
Mittelpredella mit ihren eigens gerahmten Halbfiguren eine für das inhaltliche Verständnis des Altarwerks
wichtige Angabe zu machen gehabt hätte.
Ohne behaupten zu wollen, ein so hochbedeutendes Werk „erschöpfend“ behandelt zu haben, schließen
wir seine Beschreibung nun ab. Es ging uns darum, über die Vollkommenheit dieser Bilder begrün-
dete Aussagen zu machen, nachdem so oft schon die Stilkritik der vergangenen fünfzig Jahre ihre An-
dersartigkeit gegenüber dem Stil der Arenafresken herausgearbeitet hat. Mit dem Empfinden für die
Nuancen des Zeitstiles, das allgemein zur Bewußtseinsausstattung des modernen Menschen gehört,
registrieren auch wir die Unterschiede von Giottos Schaffen in den einzelnen Phasen seines Lebens, doch
ist uns der sich gleichbleibende Geist des Künstlers wichtiger. Es ist ein und derselbe Geist, der die „Los-
sagung des hl. Franziskus“ in der Franzlegende, die „Begegnung an der Goldenen Pforte“ in der Arena-
kapelle, die Gruppe der Trauernden auf der Petruskreuzigung erschaffen hat, und der uns immer wieder
von neuem zum Staunen auffordert88. Reicher, mannigfaltiger sind die Bildinhalte des späteren Stiles
88 Über den weiteren Umfang der Stefaneschi-Stiftung: Den Kern dieser Werke macht das Altarwerk aus, das deshalb eine
genauere Beschreibung zuerst bekommen hat.
Nach dem Wortlaut des Nekrologs hat Stefaneschi auch die Tribüne von Alt-St. Peter ausmalen lassen. Reste dieser Fresken
glaubt Lionello Venturi in L’Arte 25, 1922, p. 69 und fig. 19, veröffentlicht zu haben. — „Has SS. Principum Apostolorum
Petri Pauli mutas imagines collectas ex inferiore parietis antiqui templi diruti anno MDCXVI ad ampliationem Vaticanae
Basilicae a Petro Stroza Pauli V Secretario eiusdem Basilicae canonico dono acceptas Mattheus Caccinius ornandas curavit
vel . . . venerationi Fidelium Anno Dni MDCXXV . . .“ Diese Unterschrift befindet sich unter einem Bild, das in einer Privat-
sammlung zu Assisi aufbewahrt wird und Halbfiguren zweier Heiliger, eines Apostels und eines Diakons, darstellt. Wir finden
hier den Stil der Apostelpredellen des Altarwerks wieder, jedenfalls also Giottos unmittelbare Auswirkung. Dabei ist nur unklar,
wieso im frühen 17. Jahrhundert noch Malereien des alten Chors gefunden werden konnten, nachdem dieser schon länger nicht
mehr existiert hatte. Immerhin stammen die Fragmente nach dem unverdächtigen Zeugnis der Inschrift aus der alten Peters-
kirche und nach dem Zeugnis des Stiles aus der Werkstatt des Giotto, so daß sie womöglich in das Langhaus gehört haben.
Zur Stefaneschi-Stiftung gehörte des weiteren die Navicella. Wilhelm Paeseler (Giottos Navicella und ihr spätantikes Vorbild,
Röm. Jahrbuch für Kunstgeschichte, 5, 1941, S. 49ff.) hat durch das dichte Gewebe seiner Argumente die nach-paduanische
Entstehung überzeugend nachgewiesen. Der Schreiber dieses Aufsatzes ist von dem Datum 1298, an das er noch im Vortrag
vor dem Trierer Kunsthistorikerkongreß (Kunstchronik 1958, Oktoberheft, S. 290) gebunden sein zu müssen glaubte, abgekom-
men, zumal Paeselers Vergleiche S. 119—120 zur Peruzzi- und Bardikapelle hin stichhaltig sind. Sehr treffend ist ferner die
Beobachtung, daß die „scharf individualisierende Charakteristik“ der Jünger im Schiff über das „Unisono“ der Jünger auf
dem Lazarusbild in Padua hinausginge. Diese Mannigfaltigkeit, so sehr sie in der Franzlegende vorgebildet ist, erscheint tat-
sächlich erst auf der Stufe der Stefaneschi-Werke. Zudem paßt der Engel vom Medaillon im Museo Petriano in Rom unmittelbar
zu den Engeln des Stefaneschi-Christusbildes, was oft schon bemerkt worden ist, seit der neugewonnenen Datierung nach 1313
bzw. um 1320 aber neue Relevanz bekommt. Schließlich führt von der Navicella der direkte Weg zur Unterkirche von Assisi.
Die Apostel des Schiffs haben ihre Verwandten in den Schriftgelehrten des Bildes „Christi Disputation im Tempel“, das Kastell
stellt sich neben die Haustürme auf dem „Kindermord“, und zwar sowohl im Typus der architektonischen Dekoration als auch
in der ganz bezeichnenden Rechtwinkligkeit der Grundrißfigur, und das Schiff läßt das rechteckige Segel mit dem dreieckigen
Mastgebilde ähnlich zusammengespannt sehen, wie auf dem Geburtsbild von Assisi der breitgelagerte, rechteckige Stall mit der
Felsenklippe verbunden ist.
Damit stellte sich die Aufgabe, die „großen Apokryphen“ in Assisi durch ausführliche Beschreibung als Giottowerke zurück-
zugewinnen, was hier nicht geleistet werden kann. Nur sei vermutet, daß die Werke in Assisi den römischen zeitlich nachgefolgt
sind, da sowohl die Neigung zum Breitformat als auch die Figurenplastik der Bilder von Assisi zu den Kapellen von S. Croce
hinführt. Dennoch ist der zeitliche Unterschied zwischen Rom und Assisi gering. — Zur Datierung der Florentiner Kapellen

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