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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0237

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Die Cappella Cesi in S. Maria della Pace und die Zeichnungen des Antonio da Sangallo

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Zeichnungen im Nischensockel. Während auf fol. 708 recto und am heutigen Bau dieser Sockel die Breite
des eingetieften Nischenrechteckes besitzt, nicht die Breite des lichten Nischendurchmessers, geht die
Sockelbreite auf 704 vom Nischendurchmesser aus. Mit anderen Worten: der Nischensockel erscheint in
die Nische gesetzt; die Nische wird in ihrem Volumen verkürzt.
Über die Binnenzeichnung des gerahmten Nischenblockes und die flankierenden Zonen des recht-
eckigen Nischenfeldes hinweg werden dann neue Profile gezeichnet. Die Bahmung des Nischenblockes
tritt, wie später auf Blatt 708 und in der Ausführung, bis an die äußerste seitliche Grenze vor. Dem
Block wird damit im Gesamtaufbau ein eigenständigeres Volumen verliehen. Der Beweis, die einzelnen
Strichlagen in dieser Folge abzulesen, zeigt die Differenz in der rechten Hälfte. Die neue obere, nunmehr
heraustretende waagrechte Profilleiste steht in keiner organischen Verbindung mit der unteren Bahmen-
leiste.
Im Nischensockel ist in Majuskeln das Wort ,,ANGEL“ zu lesen, und man wird wohl nicht fehlgehen,
es mit dem Kapellenstifter Angelo Cesi in Zusammenhang zu bringen. Auf der Bückseite des Blattes ist
von der Hand des Sangallo eingetragen: „dello capello di Cesis.“ Der Vergleich mit dem Zeichenduktus
auf den frühen Blättern 706 und 704 und die Art der skizzenhaften Wiedergabe - nicht die feinlinigen
Auszeichnungen von 708 und 836 - lassen darauf schließen, daß wir es mit einem „frühen“ Blatt zu tun
haben. So vermag meiner Ansicht nach Blatt 705 A das Bild abzurunden. Auf fol. 706 recto und 703 recto
war die linke Eingangshälfte der Kapelle gegeben, zugleich mit der Einzeichnung einer weiblichen Figur.
Anstelle des Nischensockels aber war nur eine schmalere Figurenplinthe vorhanden. Mit der Einfügung
eines höheren Sockels, der nach Entwurfskizze 705 noch eine Inschrift enthalten sollte, veränderte sich
zwangsläufig das Proportionsschema der Nische. Die verschiedenen Einzeichnungen im Nischensockel-
feld und die verschiedenen Überlegungen zur Profilierung des „cornicetto“ in Verbindung mit der
Proportionierung der einzelnen Teile finden eine sinnvolle Erklärung, wenn diese von Gegebenheiten
ausgehend zu betrachten sind. Fol. 705 stellt ein Studienblatt zur rechten Eingangsfront dar und wird
vor der Aufgabe der Cappella I-Lösung durch die Intervention des Sohnes Paolo Emilio geschaffen worden
sein. Die Einfügung eines Inschriftensockels mußte die Proportionen der Nischengliederung neu fest-
legen : Verhältnisse, die für die Figurengröße, wie in 706 recto und 703 recto vorliegend, geschaffen waren.
Wahrscheinlich war im ursprünglichen, später verworfenen Plan vorgesehen, daß Angelo auf der rechten
Seite des Nischeneinganges beigesetzt werden sollte, in Analogie zur linken, wo man das erste Epitaph-
grab seiner 1518 verstorbenen Gattin vermuten darf, in Verbindung mit der wiederkehrenden weiblichen
Figur auf fol. 706 recto und 703 recto. Auch in der Cappella Ponzetti und in der daran anschließenden
Kapelle sind die seitlichen Flanken zu Grabstätten-Ausstattungen geworden.
Mit der Aufgabe von Cesi I und der Errichtung von zwei Grabdenkmälern in Arkosolien eines großen
Kapellenraumes war 705 mit der Inschrift „ANGEL“ bedeutungslos geworden. In Verbindung mit
Kapellenschema II wurde den Nischen der Eingangsfront auf beiden Seiten ein Sockel als Figuren-
postament eingefügt, doch blieb die Nischengliederung erhalten. Sangallo gibt in fol. 705 das Verhältnis
der Nischen-Gesimsgröße zur Höhe der Nische von Gesims bis Sockel im Schema 1:9. Die gleiche Pro-
portion kehrt noch auf Blatt 708 recto wieder, in jener Zeichnung, die eine weitgehende Übertragung der
verschiedensten und nunmehr zur Ausführung kommenden Architekturelemente darstellt. Das heute
vorliegende Verhältnis geht zwar nach Abzug des Nischensockels auf, jedoch nicht in Verbindung mit dem
eingeschobenen Sockelblock. —
Mit der Neudatierung der heutigen Cappella Cesi nach 1530 wird auch von stilistischen Erwägungen aus-
gehend eine sinnvollere Eingliederung in das architektonische GEuvre des Antonio da Sangallo gewonnen.
Der Ausgangspunkt seiner Architektur-Vorstellung ist bekannt; die künstlerische Heimat war und blieb
weitgehend Florenz. Die starken Impulse, die er von seinem Onkel Giuliano empfing, dessen Schüler er
war, wirkten zeitlebens in ihm nach43.
Übersieht man jedoch die Werke des Antonio in ihrer mutmaßlichen Beihenfolge der Entstehung, so ist
einmal in der späteren Zeit die Hinneigung zu einer stärkeren plastischen Durchformung der Wand, oft,
wenngleich nicht immer, in Verbindung mit größerer Voluminosität der Gliederungen zu erkennen, wie
43 Vgl. dazu u. a. Gottschewski-Gronav, a. a. O., Bd. VII, 2 (1927), S. 99, Anm.; Clausse, a. a. O., Bd. II (1901), passim
(S. 46ff.)
 
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