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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0270

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266

Paul Künzle

Wohl noch entscheidender könnte auf die eine und andere Weise die Stellung der Füße auf eine Ver-
änderung hingewirkt haben, weil sie bei jenen Ausmaßen niemals beide voll auf die ovale Grundfläche
jenes Kernes zu stehen kommen konnten. Die Hauptrolle spielen dabei die beiden fest aufgesetzten
Beine, auf denen das Gewicht der Gestalt im wesentlichen ruht, während dem dritten, das bloß mit der
Spitze des Hufes leicht die Erde berührt, offenbar nur die Aufgabe zukommt, das Gleichgewicht zu sichern.
Die Feststellung, daß gerade jene beiden schwer auftretenden Hufe bei der ersten Lösung niemals voll-
ständig innerhalb des Ovals Platz finden konnten, behält ihre Geltung, obwohl leider nicht genau zu
erweisen ist, wohin die Füße anfangs zu stehen gekommen waren. Die in der Zeichnung gewählte Lösung
geht von der Voraussetzung aus, die Aufstützstelle des linken Hinterbeins habe sich weder nach vorn
noch nach hinten, sondern nur einwärts verschoben. Diese Wahl scheint den Vorzug zu verdienen, weil
damit am leichtesten zu verstehen ist, wieso vom ursprünglichen Auftritt des linken Vorder- und des
rechten Hinterfußes keine Spur festzustellen ist. Ob man bei der Wegnahme des Bronzepferdes eine
Beobachtung über die ersten Dübellöcher machen konnte, ist mir unbekannt. Nachdem sie wieder ein-
gemauert sind, ist keine Möglichkeit zur Beobachtung vorhanden41. Die letzte Einmauerung nach dem
Kriege wurde auf der Zeichnung kenntlich gemacht, während im übrigen die älteren Mörtelspuren alle
gleicherweise angegeben wurden, obwohl man gewisse Unterschiede beobachten kann; aus den Fest-
stellungen wäre schwerlich ein zuverlässiges Ergebnis zu erwarten.
Als kleine Rechtecke findet man in jeder Marmorplatte noch die Dübellöcher eingezeichnet, die gleich
den an den Ecken eingelassenen Klammern eingebleit sein werden und mit Mörtel zugeschlossen wurden.
Diesen Spuren entsprechend scheint die Verbindung der Plinthe mit dem Sockelkern durch Pflöcke bei
der Erweiterung gleichgeblieben zu sein, was ohne weiteres verständlich scheint, weil rundherum, die
Ecken ausgenommen, der Verband der Marmorblöcke gleich blieb und nur in der Mitte die Verklam-
merung das zugefügte Füllmaterial mit umfassen mußte. An den Klammern der Deckplatte ist ziemlich
deutlich abzulesen, wie man dabei verfuhr. Zum Teil sind an denselben Stellen die Klammern geblieben,
verbinden jedoch nicht mehr Platte unmittelbar mit Platte, sondern halten die Platten mit dem Füll-
werk aus Travertinblöcken und Mörtel zusammen, zum Teil wurden neue Klammern beigefügt und alte
weggelassen. Denkt man sich nun die Einschübe an den Ecken und dieses Füllmaterial weg und stellt
sich die vier in roher Weise auf Gehrung gearbeiteten vier Platten aneinandergerückt vor, so hat man
das Bild der ursprünglichen Deckplatte genau wieder vor sich. Mit wenig Mörtel und einigen Eisen-
klammern war eine richtige marmorne Plinthe gewonnen. Sofern die Pflöcke schon immer von oben
eingelassen waren, so müßte wohl ihre Zahl geringer gewesen sein; zum mindesten auf der Nordseite muß
nach dem Bruch der langen Platte der eine oder andere neu hinzugefügt, vielleicht auch eine andere
Verteilung notwendig geworden sein. An den Ecken mußten natürlich, um das dazwischengeschobene
Zusatzstück festzuhalten, die Klammern entsprechend verlängert werden. Wann die Klammer links
vorn abhanden gekommen ist, entzieht sich der Feststellung. Es ist auch nicht gelungen, eine Erklärung
für die dort eingemeißelten Anfangsbuchstaben R. D. und das auf der zweiten Platte eingesetzte Marmor-
stück zu finden.
Der Vorgang der Veränderung fällt vermutlich noch vor die Zeit, zu welcher ausdrücklich bezeugt wird,
man habe für die Ausführung der Weisungen Buonarrotis als Bauführer Guidetto Guidetti in Dienst
genommen42. Die Aufgabe ist aber so meisterhaft gestellt und die Lösung so genial gefunden, daß man
keinen Augenblick zögern wird, daran ebenso Michelangelo zu erkennen wie am ursprünglichen Entwurf,
obwohl nicht so leicht und sicher wie für jenen ein Beweis auch hier zu erbringen ist. Bei der Stellung des
Meisters und den Verhältnissen auf dem Kapitol scheint es aber um diese Zeit gar nicht anders denkbar.
Das verständnisvolle Eingehen auf den Grundgedanken selbst wirkt nicht nur empfehlend, sondern
schon geradezu zwingend. Ist es doch gelungen, eine beträchtliche Erweiterung zu erreichen, ohne den
Eindruck der Grundform überhaupt zu berühren, geschweige zu zerstören, und ohne mit dem Zuwachs
den Eindruck der Leichtigkeit aufzuheben, der diese Neuschöpfung von Michelangelo so wesentlich
gegen den vorhergehenden Sockel von Sixtus IV. auszeichnete {Abb. 188); am Vergleich begreift man ohne
weiteres, daß es schon daher nie in Frage kam, jenen auf dem Kapitol wieder aufzurichten. Das bewußte
41 Vgl. Anna. 39.
43 Arch. Stör. Cap., Carte Boccapaduli, Arm. TI, cod. 4, 1563: Erste Teilzahlung 26. Juli. Pecchiai, pp. 23 und 230.
 
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