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Bibliotheca Hertziana [Editor]; Bruhns, Leo [Honoree]; Wolff Metternich, Franz [Honoree]; Schudt, Ludwig [Honoree]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0280

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276

Paul Ortwin Rave

Schöpfung seines Museums noch nirgends eigentlich recht ins Licht gerückt. Wahrhaft originell - denn
Giovio war der erste, so scheint es nach allem, der den verlorenen Begriff Museum aufgegriffen und für
ein bestimmtes Gebäude wieder verwendet hat. Er war der erste unter allen Zeitgenossen, Zeitgenossen
des Humanismus, in dessen geistiger Strömung so gern Sachen und Wörter aus der Antike übernom-
men und neu belebt wurden. Man fragt sich, wann dies wohl geschah, und unter welchen Umständen.
Paolo Giovio, der zunächst in seiner Heimatstadt als Arzt gewirkt hatte, war als etwa Dreißigjähriger
an den Hof Leos X. gelangt, teilzunehmen an dem geistigen und künstlerischen Treiben in Rom. Er,
in dessen Leben die Frauen keine Rolle spielten, um so mehr die Männer von geistiger Bildung und solche,
die Geschichte machten, erwies sich bald als ein ergebener und unentbehrlicher Ratgeber der Medici
wie auch der Farnese. Er wurde Professor für Rhetorik an der Universität in Rom, stieg auf zum Prälaten
und nach dem Sacco di Roma zum Bischof von Nocera dei Pagani.
Man kennt einen lateinisch geschriebenen Brief Giovios vom 21. August 15212, den frühesten der etwa
anderthalb Hundert durch Druck bekannt gewordenen, gerichtet an seinen literarischen Freund Mario
Equicola, den Sekretär der Gonzaga in Mantua, in dem er ihm von seiner Begierde und seiner Befriedi-
gung berichtet, die ihm die verae effigies berühmter Männer bereiten, und er zählt eine ganze Reihe auf,
die er schon beieinander hat, aber das Wort Museum fällt nicht, der Begriff war ihm noch fern. Er besaß
eine Wohnung im Vatikan, in Räumen über der päpstlichen Kapelle, die, „il paradiso“ genannt, von
ihrem Inhaber indessen gelegentlich mit etwas Bitternis wegen der brennenden Sonne und der Gewalt
der Winde als sein Inferno bezeichnet wurden3. Der geistreiche Mann, der sein süditalienisches Bischofs-
amt nicht besonders eifrig wahrgenommen zu haben scheint, erfreute sich, dank der Gunst der Medici,
noch eines Wohnsitzes in Florenz, wo ihm im Herzoglichen Palast die ,,Stanze dette Mercuriale e Pal-
ladio“ zugewiesen waren. Beide Wohnungen dürfen wir uns über und über angefüllt denken mit seinen
Schätzen, nicht nur den sich ständig mehrenden Bildnissen, auch Altertümern und Handschriften,
Münzen und Medaillen, Andenken und Kostbarkeiten, Geschenken aus Asien und Amerika mannig-
facher Art, in der Anlage den Wunderkammern der Spätrenaissance nicht unähnlich, aber eben doch
anders durch die zahlreichen Ritratti dei uomini famosi, die zum Teil auch von hervorragenden Künstlern
gemalt waren.
Vielleicht hatte Giovio schon länger daran gedacht, dies alles an einem Orte schön und würdig zu ver-
einen; vielleicht gab der Umstand Ausschlag, daß Alfonso Davalo Marchese del Vasto, mit dem er in
vertraulichem Verhältnis stand, von Karl V. als kaiserlicher Statthalter in Mailand eingesetzt wurde.
Kurz, um sein fünfzigstes Lebensjahr beschloß er, der von Haus aus nicht unbegütert war und durch
seine geschickt genutzten Beziehungen zu den Mächtigen der Erde klug sein Vermögen vermehrt hatte,
ein eigenes, aufwandvolleres Gebäude für seine Sammlungen zu errichten. Nachrichten im Familien-
archiv zufolge begann er 1536 seine Pläne zu verwirklichen und wählte dafür seine Vaterstadt Como,
und zwar eine Stelle unmittelbar vor den Toren, nahe der Vorstadt Borgo Vico, nordwestlich am Ufer
des Sees, in legendärer Bezogenheit zu den antiken Trümmern der Villa des jüngeren Plinius4. Auf
einer alten, zeitgenössischen Landkarte zu einem Buche Giovios, in dem er eine Beschreibung seiner
geliebten heimatlichen Gestade gibt, „Larii lacus vulgo comensis descriptio“, findet man die Stätte
angegeben und vermerkt (Abb. 200). An der äußersten Bucht des Sees gewahrt man die fast kreisrund
eingezeichnete Stadt, „Comum, duorum Pliniorum patria“, und oberhalb ist zu einigen Häusern mit
der Beischrift „Vico“ dann weiter zu einem winzigen Typenzeichen, das Bauwerk bedeutet, ausführ-
lich hinzugefügt: „Museum P. Jovii, ubi olim Plinii platanus fuit eius epistolis celebrata.“
Man wüßte gern, mit wem Giovio seine Pläne beraten hat. Das Archiv der Familie, das zwar schon
vielfach durchforscht, aber wohl immer noch nicht ganz ausgeschöpft ist, gibt bis jetzt so wenig eine
hier genannt: Eugene Müntz, Le musee de Portraits de Paul Jove. Academie des Inscriptions, Paris 1900/1901. - Luigi Rovelli,
L’opera storica ed artistica di Paolo Giovio. II Museo di ritratti, Como 1928.
2 Lettere inediti di alcuni illustri Italiani raccolte da W. Braghirolli, Milano 1856, p. 23.
3 Robert Dürrer, in: Monatshefte für Kunstwissenschaft, 6. Bd. (1913), S. 7.
4 Francesco Fossati, II museo Gioviano, in: Periodico della Societä Storica di Como, vol. IX (1892), p. 87: , ,11 Museo Giovio
occupava presso a pocco il posto dell’attuale villa Leonino, tra la villa Saporiti, la corsia del Borgo Vico, la viuzza ora detta
Museo ed il lago.“ Für die Hilfe bei der genaueren Ortsbestimmung ist den Kollegen im Museo Civico zu Como verbindlicher
Dank auszusprechen, besonders der Directrice Dr. Mariuccia Belloni Zecchinelli.
 
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