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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0391

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Geschichte einer Rom-Vedute

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268. Matthäus Brill. 1580. Fresko. Ca. 1,25 x 3,30 m. Vatikan, Terze Loggie

Nach dem Bildtitel und dem gemeinten Bildthema, nach der Technik der Druckgraphik und dem zykli-
schen Zusammenhang sind hier die Vorgänger der Piranesi-Vedute, die dennoch mehr und anderes zeigt,
und die allein schon in der Diskrepanz zwischen engerem Bildtitel und weiterem Bildinhalt zu erkennen
gibt, daß hier ein Künstler über ein vorgegebenes, traditionelles Schema hinausgewachsen ist.
Um so wichtiger ist die Tatsache, daß wir den Zeitpunkt und das Werk benennen können, in dem zum
erstenmal diese unsere Vedute verwirklicht wurde. Es geschah innerhalb der zehn Wandbilder von der
Hand des Matthäus Brill im dritten Geschoß der Loggien des Cortile di San Damaso, die im Auftrag
Gregors XIII. die feierliche Übertragung der Reliquien des hl. Gregor von Nazianz aus S. Maria in Campo
Marzo nach St. Peter am 11. Juni 1580 darstellen sollten und sicher im gleichen Jahre begonnen wurden6
(Abb. 268). Alle zehn Bilder dieses Zyklus befinden sich hoch an der Rückwand der Loggia und haben
das gleiche gestreckte, quer-rechteckige Format von etwa 1,25 m Höhe und 3,30 m Breite, bedingt durch
die Achsen-Einteilung der quadratischen Raum- und Gewölbejoche. Die Bilder sind gerahmt durch
gemalte, plastisch-architektonische Scheinrahmen von matt-violetter Farbe, zu denen seitlich je ein
Kandelaber mit Kartusche hinzukommt. Das achte Bild gibt die Prozession auf der Engelsbrücke,
wobei es verwunderlich erscheint, daß sie hier wie noch auf anderen Bildern als auf dem Rückweg von
St. Peter befindlich dargestellt ist. Vorherrschend ist der Charakter der Vedute. Dem eigentlichen Bild-
thema, dem Charakter des „historischen Ereignisbildes“ mit seinem figürlichen Anteil, der ein Werk des
dem Matthäus Brill als Mitarbeiter beigegebenen Antonio Tempesta sein dürfte, ist Rechnung getragen
durch die etwas unproportioniert großen Figuren des Vordergrundes, ihre Konzentration ganz links und
zumal durch die bildeinwärts weisende Rückenfigur am Bildrand, weiter durch die Schrägstellung der
Brücke und den sich, trotz des kleinen Maßstabes, mit dem Weiß der Gewänder deutlich abhebenden Zug.
Gleichwohl erscheint als das tatsächliche Bildthema hier wie in der ganzen Bildfolge die Stadtansicht;
sie ist durch ihre absolute Größe und durch den kleinen Maßstab des Figürlichen selbständiges Bildthema,
hinter dem das namengebende historische Ereignis völlig zurücktritt. Damit ist ein für die Entstehung
des selbständigen Architektur- und Stadtbildes überhaupt typischer Vorgang gekennzeichnet, der sich
auf römischem Boden unter dem starken Anteil und Einfluß niederländischer Künstler vollzieht. Es ist
6 Fabio Gori, Una delle piü singolari processioni del secolo XVI in Roma; in: II Buonarotti, 3, 1868, 4149. - Anton Mayer,
Das Leben und die Werke der Brüder Matthäus und Paul Brill (Leipzig 1910), 5ff. - M. Vaes, Matthieu Bril, 1550-1583; in:
Bulletin de l’Institut historique beige de Rome, 8, 1928, 283/331, besonders 311/313. - J. Hess, Le logge di Gregorio XIII; in:
Illustrazione Vaticana, 6, 1935, 1270/1275; 7, 1936, 161-166. - Fr. Ehrle, H. Egger, A. M. Frutaz: Piante e vedute di Roma
e del Vaticano dal 1300 al 1676 (Roma, Biblioteca Apostolica Vaticana 1956) [Studi e documenti per la storia del Pal. Apost.
Vatic.; tavole. Vol. I] folio. Tafel 36.
 
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