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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0428

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424

Werner Hager



301. Pal. Carignano, Turin, Hoffront

302. S. Lorenzo, Turin, Wand zum Chor

Wesentlichen alle vorangegangenen Ansätze ähnlicher Art und erhebt sich als produktive Idee entschie-
den über das Gotisieren eines Wren oder Santin Aichel. Der Traktat spricht sich darüber nicht grund-
sätzlich aus, bezeugt aber durchweg freie Umschau und unbefangenes Urteil, auffallend weitreichende
Kenntnisse und einen überlegenen Verstand. In Wort und Werk spricht sich eine universal angelegte
Geisteshaltung aus24. Diese bildet eine nicht zu übersehende Vorstufe zu Fischer von Erlachs stilsyn-
thetischem Schaffen, mit dem sie übrigens auch den Begriff einer historischen Architektur wenigstens
im Ansatz teilt.
Aus der fruchtbaren Vereinigung bisher für gegensätzlich gehaltener Elemente geht Guarinis Form hervor.
Mit dem Hinweis auf Borromini und die Gotik ist die Polarität dieser Konzeption zunächst bezeichnet.
Es sind Elemente des konstruktiven Baukörpers, die hier auf entwickelter Stufe eines bereits vielschich-
tigen Stils zu neuem Absprung zusammengezogen werden. Sie enthalten aber auch eine qualitative
Bestimmung der Form, was ihr Verhältnis zur Natur der Dinge betrifft. In diesem Punkt ist Borromini
der Gotik in der Tiefe verwandt. Ein hier im scheinbar Gegensätzlichen verborgener gemeinsamer Impuls
ist es, der Guarinis Produktivität auslöst.
Die Barockarchitektur ist eine Raumkunst. An der Alternative, wie der Raum, mit dem künstlerisch
umgegangen wird, substanziell zu definieren sei, an der Frage nach dem Realitätscharakter des Kunst-
werks also scheiden sich die Geister. Guarinis Antwort besteht in dem Prinzip eines autonomen form-
bildenden Raumes. Diese Vorstellung hat eine geschärfte Aufmerksamkeit auf das Verhältnis des
Innern zum Nicht-Innern, des Raumes als Form zum Umraum als Nicht-Form zur Voraussetzung. Sie
geht von dem Begriff einer Autonomie der Kunstform der Natur gegenüber aus.
Diesen Begriff hat der Manierismus hervor gebracht. In seinem Verhältnis zur Wirklichkeit von Zweifeln
heimgesucht, stellt das 16. Jahrhundert das Kunstwerk mit einer bis dahin nicht bekannten Unbedingt-

24 Guarinis Universalität, schon von seinen Zeitgenossen bemerkt, hervorgehoben von Portoghesi, a. a. O., bes. II tabernacolo
guariniano usw., S. 16f.
 
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