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Bibliotheca Hertziana [Editor]; Bruhns, Leo [Honoree]; Wolff Metternich, Franz [Honoree]; Schudt, Ludwig [Honoree]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0433

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DAS TABERNAKEL
DES CIRO FERRI IN DER CHIESA NUOVA ZU ROM

von Karl Noehles
Die ursprünglich schlichte und nüchterne Innenarchitektur der Chiesa Nuova, wie sie uns aus einem.
Gemälde von Andrea Sacchi bekannt ist1, wurde unter der Leitung des Pietro da Cortona in den Jahren
1647-1665 im Geschmack des Hochbarock durch eine festlich bewegte Ausstattung in ihrem Gesamt-
eindruck entscheidend verändert2. Dabei erhielt auch das Hochaltarretabel seine heutige barocke
Gestalt: Ein gebrochener Giebel trat an die Stelle des geschlossenen Bogensegments; das über dem
Altargebälk aufgerichtete Kreuz des Guillaume Berthelot wurde mit einer geschwungenen Voluten-
rahmung umgeben; über den Rücksprüngen des Retabels fanden auf zwei Voluten sitzende Engel
Platz. Von dieser Umgestaltung waren allein die Mensa und das Tabernakel unberührt geblieben. Die
Mensa bildete ein schmuckloser rechteckiger Blocktisch, und das Tabernakel hatte die Form eines
schlichten zweigeschossigen Tempiettos3. So stand gerade das liturgische Zentrum der Kirche stilistisch
in offenkundigem Kontrast zu der reichen es umgebenden Ausstattung und mußte vernachlässigt
erscheinen.
Mochte schon allein dieser Umstand eine Neugestaltung von Altar und Tabernakel wünschenswert
machen, so gab es hierfür auch noch andere, vielleicht gewichtigere Gründe. Die nach dem. Tridentinum
beständig wachsende Verehrung des Altarsakraments erreichte gerade in jenen Jahrzehnten einen Höhe-
punkt4, der eine zunehmend repräsentative und prunkvolle Gestaltung der Ciborien zur Folge hatte. Das
Tabernakel sollte nicht mehr allein Aufbewahrungsort des Allerheiligsten sein, sondern zugleich die
Möglichkeit bieten, dieses in festlich prächtigem Rahmen für die öffentliche Verehrung auszustellen.
Gerade in Rom hatten zahlreiche Kirchen um und nach der Mitte des 17. Jahrhunderts Ciborien erhalten,
die den gesteigerten Ansprüchen, welche ein betont sinnliches Verhältnis zum Altarsakrament mit sich
brachte, Rechnung trugen5.
Wenn sich in der Chiesa Nuova ein solches neu zu schaffendes Tabernakel organisch in den übrigen
Dekor der Kirche einfügen sollte, tat man gut daran, einen Künstler zu wählen, der auf das engste mit
dem Formengut Cortonas vertraut war. Die Filippiner beriefen daher dessen treuesten Schüler Ciro
Ferri, der schon verschiedentlich Arbeiten seines Lehrers erfolgreich vollendet hatte6. Außerdem hatte
er an Cortona ergangene und an ihn weitergegebene Aufträge mit soviel Geschick erledigt, daß man
glaubte, sie seien von der Hand des Lehrers ausgeführt7. Zweifellos war Ferri in dessen Werkstatt auch
im Entwurf dekorativer Plastik geschult worden. Bei seinen Arbeiten an den Decken des Palazzo Pitti8
und für die Sebastianskapelle in S. Sebastiano f. 1. m. in Rom9 hatte er sich auf diesem Gebiet bereits
bewährt.
1 Das Bild (Slg. Descuffi) stellt den Festapparat zur Feier der Kanonisation des hl. Filippo Neri im Jahre 1622 dar. (Abb. in:
La Canonizzazione dei Santi Ignazio di Loiola e Francesco Saverio, Roma 1922, S. 76; und in: Eugenie Strong, La Chiesa Nuova,
Roma 1923, T. XXIV.)
2 Übersicht über Daten und Literatur im Katalog der Mostra di Pietro da Cortona, Roma 1956, S. 14, Anm. 26.
3 Vgl. den Stich bei Domenico De Rossi, Studio d’architettura civile . . ., Parte terza, Roma 1721, T. 21 (Vorzeichnung in den
Uffizien A 3665), der einen Schnitt durch das Querschiff gegen den Chor gibt. Er zeigt bereits die Umgestaltungen, die unter
Cortona ausgeführt wurden, aber noch nicht das Tabernakel des Ciro Ferri.
4 Dazu allgemein: E. Male, L’art religieux apres le Concile de Trente, Paris 1932, bes. S. 76ff. und S. 82ff.; im Hinblick auf die
römischen Altäre vgl. auch: Renate Jürgens, Die Entwicklung des Barockaltars in Rom, Diss. Hamburg 1956 (Maschinenschrift).
5 Die bedeutendsten Beispiele werden weiter unten noch genannt.
6 U. a.: Die Fresken im Pitti (Geisenheimer, Pietro da Cortona e gli affreschi di Palazzo Pitti, Firenze 1909), die Mosaiken im
rechten Seitenschiff von S. Pietro in Vaticano (Titi, Studio di Pittura, Scoltura ed Architettura . . ,,Roma 1675, S. 12). Die gleich-
falls von Ferri weitergeführten Arbeiten in der Capp. Gavotti in S. Nicola da Tolentino waren damals noch nicht vollendet (Titi,
1675, S. 205). 7 So ein Altarbild für S. Marco in Rom (Maria mit Kind und hl. Martina), vgl. Ms. Pal. 565, Bibi. Nazio-
nale, Firenze, Franc. Sav. Baldinucci, Vite . . .,vol. I, fol. 85v. (in der Biographie des Ciro Ferri). 8 Wie zuvor Cortona
in den von ihm ausgemalten Räumen hat auch Ferri den Stuck für die nach eigenem Karton ausgeführte Decke der Sala di
Saturno (1663-1665) entworfen. (Vgl. Anm. 6.) 9 Ferri schuf für die Sebastianskapelle den Marmordekor. Die liegende
Figur des Heiligen ist von Ant. Giorgetti (Titi, 1675, S. 43). Die Kapelle wurde von dem Auftraggeber Kard. Franc. Barberini
(d. Ä.) 1672 geweiht. (Vgl. Inschrift bei Vinc. Forcella, Iscrizioni delle Chiese e d’altri Edifici di Roma . . ., Roma 1869ff., Vol.
XII, S. 153, No. 197.)
 
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