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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0435

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Das Tabernakel des Ciro Ferri in der Chiesa Nuova zu Rom 431
Unser besonderes Interesse verdienen noch einige Notizen der Kongregationsprotokolle vom Jahre
1684: Im Februar dachte man daran, einige noch fehlende Teile aus Holz herstellen zu lassen15 16. Wenig
später wurde beschlossen, das Tabernakel in vier Teile zu zersägen, damit es bei Festen leichter zu
transportieren sei17. Dann muß es vorübergehend bereits auf dem Altar aufgestellt gewesen sein, ohne
daß die Anordnung befriedigt hätte; denn im Juni kamen die Deputierten überein, eine erneute Probe
vorzunehmen und dabei auf die Engel zu verzichten18. Schließlich sollen auch diese ,, . . . ad effetto di
provare, se facessero miglior comparsa del passato . . .“ auf den Einspruch Ferris hin wieder angebracht
werden19. Erst dann scheint man sich mit der Anordnung der Engel endgültig zufrieden gegeben zu
haben, wenigstens findet die Diskussion um das Tabernakel damit in den Akten ihr Ende.
Die Vollendung des Werkes wurde also nicht allein durch die beständige Geldnot der Filippiner hinaus-
gezögert, vielmehr waren auch technische Unzulänglichkeiten hieran Schuld. Wir werden im folgenden
sehen, daß die Schwierigkeiten, mit denen man zu kämpfen hatte, im Entwurf, in der Idee des Ganzen
begründet lagen. Ferri war nämlich von vornherein nicht von den Forderungen vollplastischen Gestaltens
ausgegangen, sondern hatte aus dem Geist der Malerei konzipiert, ohne sich ausreichende Rechenschaft
über die Möglichkeiten der praktischen Umsetzung seines Entwurfs in die plastische Form zu geben.
Die Betrachtung der erhaltenen Zeichnungen und des ausgeführten Tabernakels (Abb. 305, 306 und
308) wird diesen für die römische Kunst der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in mancher Hinsicht
typischen Sachverhalt im einzelnen deutlich machen.
In einer kleinen Federskizze der Corsiniana in Rom (Abb. 306) ist die allgemeine kompositionelle Idee
bereits fixiert20. Sie gibt zwei Stadien der Konzeption wieder: In der ersten erhebt sich der Tabernakel-
aufsatz über glatter Basis und Sockelzone. Darauf ruht über kräftigem Gesims ein Agnus Dei. Dieses
umgibt eine Engelsglorie im Hochoval, bestehend aus zwei großen Engeln und einer Gruppe von Putten,
die nach oben Strahlen aussendet. Diese Zeichnung ist in einem zweiten Arbeitsgang mit kräftigeren
Federzügen übergangen. Das Medaillon ist tiefer gerückt und vergrößert sowie links und rechts von je
einem Putto flankiert. Das Medaillonmotiv gewinnt infolgedessen an Bedeutung, der Tabernakelaufsatz
wird dadurch nach unten in die ursprüngliche Sockelzone hin ausgedehnt. Die frühere Basis hat jetzt
als Sockel zu gelten; eine neue Basis wird mit flüchtigem Strich darunter angedeutet. Die Verlagerung
der Proportionen in diesem zweiten Entwurfstadium, bei dem Basis und Sockel schmaler, der Taber-
nakelaufsatz schwerer und kräftiger werden, wirkt sich sehr zugunsten eines ruhigeren Stehens des
gesamten Gebildes aus.
Der kurvenreiche, skizzierende Strich, der nur die grobe Disposition der Formkomplexe zu umschreiben
sucht, ist für Ferris Entwurfzeichnungen charakteristisch. In der zeichnerischen Manier sind solche
flüchtigen Skizzen denjenigen Cortonas oft zum Verwechseln ähnlich. Jedoch ist die Linie des Lehrers
15 Titi, Ammaestramento utile, Roma 1686, S. 104. Sonst taucht dieser Name - soweit wir sehen - nirgends auf. Allem Anschein
nach kommt diesem Benincasa (bei E. Strong, a. a. O„ S. 74, fälschlich Bernicasa) auch keine andere Bedeutung zu, als das
Gipsmodell Ferris gewissenhaft abgegossen zu haben. Lucarelli, Mem. e Guida stör, di Gubbio, Gitta di Castello, 1888, S. 464
(zit. in Thieme-Becker), bezieht sich nur auf die Stelle bei Titi.
16 Konv., zit. Anm. 14, zweiter Teil, pag. 17: „Adi 4 febraro 1684. Congregatione de’ Deputati... (5) Item, si riduca il tabernacolo
di bronzo a forma migliore, con far, per adesso, di legno quello ehe e necessario, acciö possa servire convenientemente.“ Da aus-
drücklich vom Tabernakel die Rede ist, scheint es sich nicht um die auch heute noch aus Holz gefertigte Leuchterbank und die
Voluten der Mensa gehandelt zu haben, die der Form nach auch von Ferri entworfen sein könnten, sondern um später in Bronze
zu gießende Teile, die nur „per adesso“, also vorübergehend, in Holz ausgeführt wurden.
17 Konvolut, zit. Anm. 14, pag. 18: „Adi febraio 1684. Congregatione de’ Deputati. ... (2) Item fu risoluto di segare il nuovo
tabernacolo di bronzo in quattro parti, per poterlo commodamente trasportare, quando sarä necessario nelle feste ehe si fanno in
chiesa.“
18 Konvolut, zit. Anm. 14, pag. 22: „Adi 9 giugno detto (1684) Congregatione de’ Deputati. Si rimette il tabernacolo di bronzo
giä levato nell’altar maggiore della nostra chiesa, senza gli angeli, ehe prima vi stavano.“
19 Konvolut, zit. Anm. 14, pag. 22: „Adi 16 giugno (1684) Congregatione de’ Deputati. Benche si risolvesse, nella passata congre-
gatione, ehe si dovesse rimettere nell’altar maggiore il tabernacolo di bronzo, ma senza gli angeli, havendo espresso il P. Giovanni
Benedetto Colocci, sagrestano maggiore, trovasi impegnato col Sigr Ciro Ferri, autore del disegno, di rimettere anche i sopradetti
angeli di bronzo, ad effetto di provare, se facessero miglior comparsa del passato, si stima bene condescendere, ehe per far detta
prova, si tornino a mettere.“
20 Gab. Naz. delle Stampe, Rom, Vol. 157G (Klebeband), Nr. 124451. 198 x 111 mm, Feder Bister; auf der Rückseite: fliegende
Engel mit der Martersäule. Wasserzeichen: Heraldische Blüte mit Halbmond darüber. Ferri zugeschrieben. Von Klaus Lankheit
in einem Vortrag auf dem Deutschen Kunsthistorikerkongreß in Essen (1956) vorgeführt.
 
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