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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0482

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FRIEDRICH WEINBRENNERS ZEICHNUNGEN
NACH ANTIKEN SKULPTUREN
von Arthur von Schneider
Friedrich Weinbrenner (1766-1824)1, der Architekt der Karlsruher Bauten zur Zeit des Klassizismus,
hat wie viele Fachgenossen seiner Generation Italien besucht, um durch das Studium der Originale
seine Kenntnisse der antiken Baukunst und der Werke der großen Renaissancemeister zu vervoll-
kommnen, die ihm in seiner Heimat nur in Stichreproduktionen vorlagen. In Rom verbrachte er fünf
Jahre (1792-1797), von hier bereiste er die nähere und weitere Umgebung der Stadt bis nach Neapel.
Eine anschauliche Schilderung dieses für seine künstlerische Entwicklung so fruchtbaren Aufenthalts
gibt er in den nach seiner Rückkehr nach Deutschland zusammengestellten „Denkwürdigkeiten“2, einen
unmittelbaren Niederschlag seiner Studien finden wir in einer Sammlung von Zeichnungen im Kupfer-
stichkabinett der Karlsruher Staatlichen Kunsthalle. Hier werden Entwürfe eigener Bauten und Rekon-
struktionen antiker Gebäude nach Beschreibungen klassischer Schriftsteller verwahrt, ferner Veduten-
zeichnungen des Künstlers aus Rom und dessen Umgebung, endlich zwei Klebebände in Querfolio. Der
eine enthält ornamentale Verzierungen antiker Bauten, der andere Kopien nach antiken Statuen und
Basreliefs. Die beiden Klebebände gelangten vermutlich aus dem Nachlaß Weinbrenners in landes-
herrlichen Besitz. Von hier überwies sie Großherzog Friedrich I. im Jahre 1861 an das Kupferstich-
kabinett. Ihr Inhalt ist bisher nur wenig beachtet worden. Nun werden aus diesen reichen Beständen
einige charakteristische Zeichnungen nach antiken plastischen Bildwerken identifiziert. Sie zeigen
gewiß keine überragende Qualität der Ausführung, aber das lebhafte Interesse des Architekten Wein-
brenner auch an dem Skulpturenschatz antiker Kunst, in einem weiteren Sinn also die Vielseitigkeit der
Ausbildung eines bekannten Vertreters der Baukunst des Klassizismus am Ende des 18. Jahrhunderts.
Merkwürdigerweise spricht Weinbrenner nirgends in den „Denkwürdigkeiten“ von seiner Beschäftigung
mit antiker Plastik, und auch in seinem theoretischen Werk, dem „Architektonischen Lehrbuch“,
erwähnt er nur einmal die „Colonnen des Trajan und Antonin in Rom als die vollkommensten Werke
plastischer Kunst“3. Den Anstoß zu diesem Studium wird wohl sein Freund und Reisebegleiter Jakob
Asmus Carstens gegeben haben, dem Weinbrenner seinerseits in Rom Unterricht in der Perspektive
erteilte4. Er mag ihn auch überredet haben, sich an dem abendlichen Aktzeichnen in der von Johann
Christian Reinhart 1789 gegründeten Privatakademie zu beteiligen, wo er sich mit dem Wuchs und den
Proportionen des menschlichen Körpers vertraut machen konnte. Und wirklich sehen wir an seinen Akt-
und Gewandstudien, die zwischen den Nachzeichnungen antiker Reliefs und Statuen in dem einen
Klebeband eingestreut sind, deutliche Anklänge an das plastische Körpergefühl und die bewegte Falten -
gebung der Gewandmassen bei den Figuren des Carstens. Sie sind nicht leicht von den antiken Skulpturen
zu unterscheiden, wenn diese sich nicht durch einen schraffierten Hintergrund als Reliefs oder durch
einen Sockel als Freiplastiken ausweisen. Als Zeichenmaterial bediente sich Weinbrenner harter Blei-
stifte, die dünne Striche zogen, und spitzer Federn, gelegentlich auch weicherer Rötelstifte. Eine
Anzahl seiner Zeichnungen zeigt sepiafarbige Lavierungen über dem Gerüst der Konturen. Die Model-
lierung deuten schräg geführte Schraffuren an, den Verlauf der Falten gibt er durch an- und abschwel-
lende Linienzüge in geschickter graphischer Weise wieder. Bei einzelnen Reliefs heben sich die Figuren
durch schmale Schlagschatten längs der Außenkonturen von dem Hintergrund ab {Abb. 350}, bei anderen
ist der Illusionismus der Plastik auf die Höhe getrieben: Durch Decken des Hintergrundes mit hellbrauner
Lavierung und Aussparen des weißen Grundtons des Papiers für die hellsten Stellen der Körper wird der
Eindruck des Marmorglanzes täuschend erreicht {Abb. 357}. Und schließlich dient auch die feste zeich-
nerische Umgrenzung der einzelnen Muskelteile seiner nackten Figuren der Betonung der Plastizität der
dargestellten Skulpturen {Abb. 356}.
Der Stil dieser Zeichnungen ist also noch nicht rein linear bedingt im Sinne des reifen Klassizismus. Er
ähnelt nicht den Umrißzeichnungen, wie sie Flaxmann gerade in dieser Zeit - er war von 1787 bis 1794
1 Arthur Valdenaire, Friedrich Weinbrenner. Karlsruhe 1919, II. Aufl. 1926.
2 Friedrich Weinbrenner, Denkwürdigkeiten. Herausgeg. u. bearbeitet von Arthur von Schneider. Karlsruhe 1958.
3 Friedrich Weinbrenner, Architektonisches Lehrbuch, I-III. Tübingen 1810-1819. III, 2. Heft, Vorerinnerung, S. 4.
4 Alfred Kamphausen, Asmus Jakob Carstens. Neumünster im H., 1941.
 
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