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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0490

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HERZOGIN ANNA AMALIA VON SACHSEN-WEIMAR
UND IHRE FREUNDE IM PARK DER VILLA D’ESTE IN TIVOLI
(Zu einem Aquarell im Besitze des Palazzo Zuccari in Rom)
von Gerhard Bott
Knapp einen Monat, nachdem Goethe aus Rom nach Weimar zurückgekehrt war, am 15. August 1788,
brach die Herzogin Anna Amalia, die Mutter Karl Augusts von Sachsen-Weimar, nach dem Süden auf.
Am 4. Oktober des gleichen Jahres erreichte sie mit ihrem kleinen Gefolge Rom. Für die nicht mehr
junge Fürstin sie war fast fünfzigjährig - war der Entschluß zu dieser Fahrt ihren eigenen Worten
zufolge „ein kühnes Unternehmen“! War sie doch kaum, außer bei Gelegenheit einer Badereise nach
Aachen und einem Besuch des Mittelrheins (1778), über Mitteldeutschland hinausgekommen. So waren
die Bürger von Weimar nicht wenig erstaunt, daß Anna Amalia ihren zu Beginn des Jahres gefaßten
Plan, für viele Monate nach dem Süden zu fahren, in die Wirklichkeit umsetzte1.
Ihre Reisebegleiter waren neben dem Leibarzt Dr. Huschke die noch jugendliche witzig-muntere Hof-
dame Luise von Göchhausen (1752-1807), die seit dem Jahre 1782 in ihrer nächsten Umgebung war,
und der fast gleichaltrige Freiherr Friedrich Hildebrand von Einsiedel (1750-1828), der schon als elf-
jähriger Page der Herzogin gedient hatte und seit 1776 zum Weimarer Hofstaat gehörte. Der Komponist
Philipp Kayser, der zugleich mit Goethe nach Weimar zurückgekehrt war, sich aber entschlossen hatte,
wieder nach Italien zu reisen, durfte sich der Herzogin anschließen und wurde in Bolzano von der kleinen
Gruppe verabschiedet. An seine Stelle trat ab Verona, durch Goethe besonders empfohlen, der Sohn von
dessen römischen Wirtsleuten, Filippo Collina, der für Kurierdienste und als Unterhändler der des
Landes unkundigen Fürstin besonders willkommen war. Damit es der Herzogin an persönlichem Umgang
nicht mangle und gerade in den ersten Wochen an beratender Hilfe nicht fehle, hatte Goethe ihr die in
Rom anwesenden deutschen Künstler, die seine Freunde waren, besonders ans Herz gelegt und diese
von dem Entschluß der Fürstin, nach Rom zu reisen, unterrichtet. Der erste, der sie in Rom, auf der
Piazza di Spagna, begrüßte, war Gottfried Herder (1744-1803), der knapp einen Monat zuvor als Reise-
begleiter des Domherrn Johann Friedrich Hugo von Dalberg und der jungen verwitweten Freifrau
Sophie Friederike von Seckendorf, geborenen von Kalb, in Rom angekommen war2. Glücklich, die
Landesfürstin in seiner Nähe zu wissen, hatte er wie kein anderer den Aufenthalt Anna Amalias herbei-
gesehnt, denn ihm, dem Norddeutschen und protestantischen Geistlichen, dem das Beisammensein mit
seinem Brotherrn und vor allem mit der ihm unsympathischen Baronin unerträglich war, den zudem
Geldsorgen quälten, war das Nahen der Herzogin wie eine beglückende Befreiung aus schweren Fesseln.
Anna Amalia enttäuschte seine Hoffnungen nicht. In ihrer Gegenwart heiterte sich der griesgrämige
Mann auf und als er gar am Neujahrstage 1789 mit ihr für zwei Monate nach Neapel und Süditalien
fahren durfte, war er endlich für die Schönheit der südlichen Welt offen und „wie umgewandelt“. Nach
der Rückkehr lud Anna Amalia ihn zu sich in ihr neues Heim in die Villa Malta zum Wohnen ein; so
war es nicht erstaunlich, daß er seiner in Weimar zurückgebliebenen Frau schon bald von der Groß-
zügigkeit und Güte seiner Gönnerin berichtete: „. . . Diese Woche bin ich viel mit der Herzogin gewesen;
Sie ist gar gut . . .“3
Besonders herzlich war die Freundschaft der Herzogin mit der seit dem Jahre 1782 in Rom wohnenden
Malerin Angelika Kauffmann (1741-1807). Auch Herder, der sie als die kultivierteste Frau von Europa
pries, empfand ihr gegenüber wie Goethe, dem sie eine wahre Freundin geworden war. Die Herzogin
1 In der Grabrede Goethes „Zum feierlichen Andenken der Durch!. Fürstin und Frau Anna Amalia, verwitweten Herzogin zu
Sachsen-Weimar und Eisenach, gebornen Herzogin von Braunschweig und Lüneburg, 1807“ hebt der Dichter diese Reise als
besonderes Erlebnis, als eine große Erweiterung ihrer Lebensansichten und als hohen Genuß für die Fürstin hervor. — Der Lebens-
lauf der Herzogin mit der italienischen Reise findet sich am besten beschrieben in: Wilhelm Bode, Amalie, Herzogin von Weimar.
Ein Lebensabend im Künstlerkreise, 2. Aufl., Berlin 1909. Ihre Italienreise schildert ausführlich: Gabriele Freiin von Koenig-
Warthausen, Deutsche Frauen in Italien . . ., Wien 1942.
2 Über Herders Reise siehe: H. Düntzer, Herders Reise nach Italien, Gießen 1859; F. Zehender, Herders italienische Reise,
Programm der höheren Töchterschule ... in Zürich, Zürich 1882. - Treffend charakterisiert Herders Aufenthalt in Rom: Ferdinand
Gregorovius, Wanderjahre in Italien, Dresden 1925.
3 Wilhelm Bode, Ein Lebensabend . . ., a. a. O., S. 17, Brief vom 6. Dezember 1788.
 
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