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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0494

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Gerhard Bott

Die von den Freunden ersehnte Besichtigung der Villa d’Este in Tivoli wurde für alle ein großes Erlebnis.
Für Herder war dieser Besuch der Abschied von Italien und von seinen Freunden, zugleich Höhepunkt
seines Italienaufenthaltes. Goethe hatte dem Freund nämlich einige Szenen des Tasso übersandt, die
dieser der Herzogin und ihrer Gesellschaft vortragen durfte. Schon am 17. April hatte Goethe der Her-
zogin die Lesung angekündigt: ,,Herder wird Ew Durchl einige Szenen von Tasso vorgelegt haben, es
kommt hauptsächlich darauf an wie sie sich in Rom lesen lassen. Wahrscheinlich erhalten Ew Durchl
den Überrest des Stückes wenn Sie Sorrent, seinen Geburtsort, aus Ihrem Fenster sehen können . . .“21
Herder aber hatte mit seiner Vorlesung gewartet, bis sich eine gute Gelegenheit dazu bot, und einen
besonderen Ort dafür ausgesucht, den Platz der ,,Rotonda dei Cipressi“, genau in der Mittelachse der
unteren Gartenanlagen der Villa d’Este. Von diesem außergewöhnlichen Ereignis, das für den ganzen
Kreis unvergeßlich wurde, berichtete Angelika Kauffmann am 23. Mai ausführlich an Goethe: ,,. . . Den
19. dieses seind Ihr Durchlaucht wieder von hier abgereist, den Sommer in Neapel zuzubringen, mir
scheint der genuß so guter Nachbarschaft ein träum zu sein von dem ich zu früh erwacht. Und lebe
wieder in meiner Einsamkeit sehr traurig - auch der gute und vortreffliche Herder ist abgereist, wünsche
er wer schon bei den seinigen die ich ehre und liebe. Heute vor 14 Tagen war ich noch mit der Respec-
tablen Gesellschaft in Tivoli, in der Villa D’este, unter den großen Cipressen hat Herr Herder uns den
überschickten theil von ihrem Tasso vorgelesen; mit welchem Vergnügen ich zugehört kan ich Ihnen
nicht sagen. Ich denke es ist under Ihren schönen Wercken eines der schönsten ... - Herr Herder hat
mir die schrifft gelassen . . ,“22
Auch Herder hatte am 9. Mai an seine Frau von den heiteren Tagen in Tivoli geschrieben: ,,. . . Gestern
nachts sind wir von Tivoli zurückgekommen, wo wir sehr vergnügte Tage gehabt haben . . . Unsere sehr
zahlreiche Gesellschaft stimmte sehr gut zusammen, und für mich (ich glaube: für alle, unerkannter-
weise) war Madame Angelica eine schweigende, sittliche Grazie, gleichsam der Zusammenklang, der der
ganzen Natur und Gesellschaft Ton gab . . . Die Herzogin war auch sehr vergnügt, und ich scheide
vergnügt aus Rom, bloß Tivolis halben.“23
Noch Monate später erinnerte sich die Herzogin in Neapel in einem Brief an Angelika Kauffmann an
diese Vorlesung Herders: ,,. . . Ach, kommen Sie doch nach Neapel! . . . Goethe wird Ihnen seinen
,Tasso‘ schicken; vielleicht haben Sie ihn schon. Denken Sie, wenn Sie ihn lesen, an das Plätzchen in
der Villa d’Este. Da muß man ihn genießen!“24
Neben den begeisterten Schilderungen des Ausflugs und der Tasso-Lesung gibt es aber noch ein zweites
Zeugnis, das an die schöne Zeit in Tivoli erinnert und die Zusammengehörigkeit des Freundeskreises
der Nachwelt überliefert. Johann Georg Schütz malte ein Aquarell, das die Ausflugsgesellschaft, unter
den Zypressen der Villa d’Este versammelt, uns vorstellt (Abb. 360). Selbstverständlich widmete der junge
Maler dies Blatt der Herzogin, der er schon vorher manche Zeichnung mit römischen Veduten verehrt
hatte. Von einigen - heute noch in Weimar vorhandenen - Blättern, die er der Herzogin im April über-
reicht hatte und die ihr Wohlgefallen fanden, berichtete er voll Stolz Goethe. So erwähnte er Zeichnungen
mit „Aussichten von den Kayservillen, als das Coliseo und St. Gregorio, die Gegend nach den Bädern
von Caracalla, die dritte nach der Pyramide, . . . den Cirkus von Caracalla“.25 Die Ansicht des Caracalla-
Zirkus wollte Schütz, so schreibt er an Goethe, der Herzogin nur zeigen, denn eigentlich war sie für den
Dichter selbst bestimmt gewesen: „Darauf sie mir aber antwortete, sie gäbe diejenige nicht wieder
zurück und ich könnte sie lieber noch einmal für Ihnen machen . . ,“26 (Fußnote s. S. 491.)
21 Otto Harnack, Zur Nachgeschichte der Italienischen Reise, a. a. O„ S. 164 Nr. 68, Brief vom 17. April 1789.
22 Otto Harnack, Zur Nachgeschichte der Italienischen Reise, a. a. O., S. 169 Nr. 71, Brief vom 23. Mai 1789.
23 Wilhelm Bode, Ein Lebensabend . . ., a. a. O., S. 24, Brief vom 9. Mai 1789.
24 Wilhelm Bode, Ein Lebensabend . . ., a. a. O., S. 29, Brief vom 7. September 1789.
25 Das Blatt mit dem Colosseum und dem Constantinsbogen, Feder mit Sepia, ist „George Schüz D. Roma 1789“ signiert (H. 64 cm;
Br. 86 cm). — Die Ansicht der Caracalla-Thermen, Feder mit Sepia, ist unsigniert (mit fremder Hand Joh. Georg Schütz zugefügt;
H. 55 cm; Br. 87 cm). — Die Campagna-Landschaft mit der Cestiuspyramide im Hintergrund, Feder mit Sepia, ist signiert „George
Schütz D. Roma 1789“ (H. 42,3 cm; Br. 63,3 cm; Abb. bei: Franz Neubert, Goethe und sein Kreis, Leipzig 1919, S. 99). — Bei
dem von Schütz als Circus des Caracalla bezeichneten Blatt handelt es sich um eine Ansicht des Maxentius-Circus an der Via
Appia. Rechts sieht man das Grabmal der Cecilia Metella; im Vordergrund, neben vier stehenden Herren, hat sich der Künstler,
vor dem Zeichenblock sitzend, selbst dargestellt. Die mit Sepia lavierte Federzeichnung trägt die Unterschrift: „il Circo di Cara-
calla a Roma George Schüz D. 1789“ (H. 42 cm; Br. 63 cm).
 
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