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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 1
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Makovskij, Konstantin: Hochzeit eines Bojaren
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Tilgner, Viktor Oskar: Falstaff
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Gussow, Karl: Die Venuswäscherin
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0016

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MODERNE KUNST.

3

Das Bild veranschaulicht den Augenblick, da der Gatte die junge Frau aus
dem ehelichen Gemach geholt hat und sie der harrenden Hochzeitsgesellschaft
zuführt. Mit inniger Freude schaut der Gatte seiner Lebensgefährtin ins
Angesicht, während diese selbst, wie eine Knospe, die sich soeben bei
Sonnenlicht zum ersten Male geöffnet hat, kaum aufzublicken wagt und scham-
haft errötet. Nach der damaligen Sitte gab der Bräutigam der Braut bei
dieser Gelegenheit öffentlich vor allen Verwandten und der Dienerschaft
des Hauses den ersten Kuss — wenigstens. den ersten officiellen — wobei
alle Anwesenden im Scherz das Wort „Bitter“ riefen. Mächtige, schön
geschmückte Schüsseln mit allerhand Gebratenem werden den Vermählten
entgegengebracht; sie sind nicht dazu bestimmt, verzehrt zu werden,
sondern sie gelten als ein Opfer, welches man dem Priester weiht, und
wandern in dessen Haus, nachdem sie als Schaustücke die Tafel geziert
haben. Unzählig oft wird das Wohl des jungen Paares getrunken, und
heimlich unten am Tisch besprechen zwei Schelme eine ganz wunderliche,
alte Art, würdig das Glück der Braut in Wein zu feiern. Sie haben einen
seidenen Schuh derselben in ihren Besitz zu bringen gewusst; sie werden
ihn mit Weine füllen und so lange zum Wohle des Paares kreisen lassen,
bis er die Flüssigkeit nicht mehr hält. Dann erst ist das Glück an die
\ ermählten festgebannt.

grossen Neubauten, welche die architektonische Entwickelung Wiens
bezeichnen Der intime Verkehr mit Makart, dem Koloristen, hatte seinen
Hang zum Malerischen eher erhöht als abgeschwächt; aber Tilgner liess
sich durch Makart eigentlich ebensowenig bestimmen, wie früher durch
seine Professoren. Ganz aus sich heraus schöpfte er die seinen Werken
anhaftende merkwürdige Vereinigung eines kecken, flotten Naturalismus mit
der an die Barockzeit gemahnenden Drapirung, Schmückung und Inscenirung.
Tilgner ist eben eine starke Natur, die sich nach ihren eigenen Bedingungen
entwickeln musste und jede Bevormundung abschüttelte. . . Aus der statt-
lichen Reihe von Tilgners Werken seien nur einige hervorgehoben: ein
Brunnen mit Putti für die kaiserliche Villa in Ischl, drei Brunnen und die
dekorative Ausstattung des Speisesaales im kaiserlichen Jagdschloss zu
Lainz, verschiedene Statuen für das Parlament, das Rathaus u. s. w.

VII.
DIE VENUSWÄSCHERIN
VON
KARL GUSSOW.

VI.

FALSTAFF
VON
V. TILGNER.

„Ich habe zwei gehörig gepfeffert; zwei,
das weiss ich, haben ihren Lohn gekriegt, zwei
Schurken in steifleinenen Kleidern. Ich will
Dir 'was sagen, Heinz, wenn ich Dir was vor-
lüge, so speie mir ins Gesicht und nenne mich
Schindmähre.“ Diesen von Shakespeare un-
sterblich gemachten Falstaff führt Tilgner in
seiner lebensgrossen Figur vor, die für das
neue Wiener Hofburgtheater bestimmt ist.
Victor Tilgner, dem die grosse Jubiläums-
Kunstausstellung des letzten Jahres die goldene
Medaille brachte, zählt zu den bedeutendsten Wiener Bildhauern. Er hat
viel Beifall, aber auch viel Gegnerschaft gefunden, die letztere wegen der
malerischen Richtung seines Talentes, wegen seiner Neigung zum Dekora-
tiven, welche gerade in einigen seiner vorzüglichsten Arbeiten, wie den
Porträtbüsten der Tragödin Charlotte Wolter und des Kunstmäcens Grafen


Zichy, auffallend zum Ausdruck gelangten. Tilgners natürliche Begabung

drängte eben zum Malerischen, und der Künstler liess sich durch nichts

darin beirren, diesem Drange zu folgen. Mit Überwindung vieler Schwierig-
keiten hat er sich seinen Weg gebahnt und sich selbst durchgesetzt gegen
die Vertreter strenger akademischer Regel. Geboren 1844 in Wien, kam
er frühzeitig an die Akademie der bildenden Künste; alle Fachleute erkannten
das Talent des jungen Mannes, aber seine malerischen Velleitäten wurden
in solchem Masse und so unablässig getadelt, dass Tilgner den Mut verlor,
in dem Kampfe um eine künstlerische Stellung auszuharren, und sich einem
anderen Berufe zuwenden wollte. Da kam 1873 der französische Bildhauer
Deloye nach Wien, um bei den Vorbereitungen für die Weltausstellung mit-
zuwirken. Tilgner fand in Deloye eine ihm verwandte Natur, deren Schaffen
Anerkennung erlangt hatte, seine Schwingen regten sich wieder und eben
damals schuf er die Büste der Frau Wolter.

Im Jahre 1874 besuchte Tilgner in Gesellschaft Makarts Italien. Nach
seiner Rückkehr machte er sich an ein Werk, das beweisen sollte, sein
Können gehe über das Porträtiren weit hinaus. Er modellirte eine Brunnen-
gruppe: „Triton mit der Nymphe.“ Als Kaiser Franz Josef das Atelier
Makarts besuchte, in welchem Tilgner damals als Gast arbeitete, bestimmte
er, dass es in Bronze für den Volksgarten ausgeführt werde. Nachdem
lilgner einmal festen Fuss gefasst, erhielt er vielfache Aufträge für die

Karl Gussow.


Als vor wenigen Jahren die Reorganisation
der Berliner Kunstakademie ins Leben trat,
wurden äusser Anton von Werner noch drei
begabte Lehrer von auswärts berufen: Gussow,
Michael und Thumann, von denen der erste
durch seinen kühnen Naturalismus und seine
ungewöhnliche Farbenfrische nicht bloss eine
Revolution in Künstlerkreisen, sondern auch in
den ästhetischen Anschauungen des grossen
Publikums hervorgerufen hat.
Karl Gussow wurde 1843 in Havelberg

geboren, verlebte seine erste Kindheit in Brandenburg a. H. und bezog
die Kunstschule zu Weimar, als er zu der Überzeugung gelangte, dass

die Kunst sein Beruf sei. Arthur von Ramberg und Ferdinand Pauvels von

Antwerpen übten bedeutenden Einfluss auf den jungen Künstler aus, der
1867 nach München zu Piloty ging und alsdann auf einer italienischen

Studienreise sich vollends fertig machte. 1870 erschienen seine ersten
Bilder. 1874 wurde er nach Karlsruhe und anderthalb Jahre später an
die Berliner Akademie gerufen. Der rücksichtslose Realismus seiner Malerei
und die koloristische Behandlung seiner Bilder machten ein übergrosses
Aufsehen. Sein „Kätzchen“ und „Blumenfreund,“ in übertriebener Natur-

wahrheit gemalt, streiften die Grenzen der Karikatur. Doch das änderte
sich von Jahr zu Jahr. Immer schöner, glänzender wurden Gussows Arbeiten,
und so zählten die Bilder der letzten Ausstellungen z. B. das „Austern-
mädchen“, welches in dieser Sammlung gleichfalls erscheinen wird, zu dem
Besten, was die deutsche Malerei in den letzten Jahren geschaffen hat.
Unser Bild „Die Venuswäscherin“ findet in nachfolgendem Gedichte
von Richard Schmidt-Cabanis eine poetische Erklärung.

DIE VENUSWÄSCHERIN.
Eine moderne Göttersage.
Seit vom Olymp du wurdest verbannt,
O Venus, holde Frau,
Wie hat dich verfolgt des Schicksals Hand,
Die unbarmherzige, rauhe!
Einst jauchzte entgegen dir das All,
Da du entstiegest dem Meere,
Und musstest doch thun so tiefen Fall,
Du Vielgeliebte, du Hehre.
Es hat gestürzt ein schwarzes Gezwerg
Euch lichten Götter in Schande;
Du aber entflohest zum Hörselberg .
Fern im Thüringerlande.
 
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