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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 3
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Rosenthal, Toby Edward: Gericht über Constanze de Beverley
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Iakōbidēs, Geōrgios: Der böse Enkel
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Grützner, Eduard von: Ein Kleeblatt: Gemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0036

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IO

MODERNE KUNST.

Priorin von Tynemouth und die Aebtissin von St. Hilda. Während als
Mitschuldiger Constanzens ein gefesselter Mönch, der ihre Nebenbuhlerin
um klingenden Lohn hatte vergiften wollen, auf den Knieen um Gnade
fleht, werden bereits von vier Klosterbrüdern Vorkehrungen getroffen, um
das über die Jungfrau gefällte Urteil zu vollziehen und dieselbe lebendig
einzumauern.
Die längere Erklärung, deren der dargestellte Gegenstand bedarf, um
dem Beschauer verständlich zu werden, wird natürlich in den Augen der-
jenigen ein Grund zum Tadel sein, die von jedem Kunstwerke fordern,
dass es sich ganz aus sich selbst erklärt — eine Forderung, die bekannt-
lich nicht einmal im Bereiche der Genremalerei stets erfüllt wird, gegen-
über einem Historienbilde aber um so weniger aufrecht erhalten werden
kann, wenn es sich wie im vorliegenden Falle um entlegene, wenig bekannte
Gegenstände handelt. Derartige Stoffe aber schlechthin von dem Kreise
des Darstellbaren ausschliessen, hiesse die bildende Kunst in sehr enge
Grenzen verweisen; es verdient vielmehr durchaus Anerkennung, wenn in
einer Kunstepoche, in der verbrauchte und unbedeutende Stoffe nur zu
sehr vorherrschen, von höher strebenden Künstlern auf dem fruchtbaren
Gebiete der Geschichte und Dichtung neue und interessante Motive gesucht
werden. Dass Rosenthal seinen Stoff wirkungsvoll zu gestalten gewusst
hat, wird angesichts der gelungenen Wiedergabe kaum eines Nachweises
im Einzelnen bedürfen. Hand in Hand mit den kompositionellen Vorzügen
geht eine treffliche technische Durchführung, und so erscheint die Aus-
zeichnung als eine wohlverdiente, die dem Gemälde seitens der Münchener
Preisjury durch Zuerkennung der zweiten Medaille zu Teil wurde. Im
Jahre 1848 zu Newhaven in Connecticut geboren, siedelte der Künstler
schon in jungen Jahren nach München über, wo er sich im Atelier von
Raupp und Piloty ausbildete. In früheren Arbeiten kultivirte er haupt-
sächlich das Gebiet der Genremalerei, mit besonderem Glück in „Frühlings
Lust und Leid“, dem im städtischen Museum zu Leipzig befindlichen Bilde
„Sebastian Bach mit seiner Familie bei der Morgenandacht", „Elaine“ (nach
Tennyson) u. a. und bekundete schon hier in hervorragendem Masse die
Gabe, mit trefflicher Charakterisirung seiner Gestalten eine poetische
Stimmung zu verbinden.

XIX.

DER BÖSE ENKEL
VON
G. JAKOBIDES.

Das lebensvolle Genrebild, das uns einen
gutmütigen Alten äusser Stande zeigt, die un-
gnädige Laune des ihm zur Obhut überwiesenen
Enkels zu bändigen, hat seinen Urheber in
vergangenem Jahre auf der Berliner Jubiläums-
ausstellung auch ausserhalb seines Aufenthalts
München vorteilhaft bekannt gemacht. Georg
Jakobides ist geboren, am 11. Januar 1853 zu
Lesbos, studirte zu Athen von 1871 —1877
unter Professor Lytras und genoss seine weitere
Ausbildung bis zum Jahre 1883 bei Löfftz und
Der Schwerpunkt seiner künstlerischen Thätig-
keit lag bisher in fleissig durchgearbeiteten Genrebildern, die sich meist
durch einen liebenswürdigen humoristischen Zug auszeichnen, so namentlich
die zum Teil zuerst durch die Internationale Kunstausstellung zu München
im Jahre 1883 bekannt gewordenen Gemälde „Kleine Leiden“ — ein aller-
liebstes Wiener Mädchen, dem Grossmutter die Ohrringe anheftet, — „Der
fröhliche Knabe“, „Der Unersättliche“, „Der. Probestrumpf“ und verwandte
Arbeiten. Daneben hat der Künstler auch im Porträtfach eine sehr acht-
bare Begabung an den Tag gelegt und ferner durch zwei aus dem grie-
chischen Sagenkreis geschöpfte Kompositionen, „Iphigenia auf Tauris“ und
„Kreusas Tod“ bewiesen, dass er auch schwierigeren und gegenwärtig
minder dankbaren Aufgaben gewachsen ist.

G. Jakobides.
Gabriel Max in München.


XX.
E IN K L E E B L A T T.
GEMÄLDE VON
ED. GRÜTZNER.

„Enthalte Dich der Nüchternheit, so bist
Du auf der rechten Bahn; denn dass der Rausch
zur Seligkeit unnützlich sei, das ist ein Wahn“
— so lässt Daumer den weisen Hafis sagen
und lehren. Wenige Weisheitssprüche und Le-
bensregeln dürften so häufig und so willig befolgt
werden als diese von dem persischen greisen
Sänger des Weins und der Liebe gegebene.
Am häufigsten vielleicht sogar von Solchen, die
nie seinen Namen gehört und nie. diese treffliche
Lehre von ihm gelesen haben. Uebrigens ist
Hafis bekanntlich keineswegs der einzige Poet, welcher dieselbe gepredigt
hat. Die Dichter aller Zeiten und Völker vor und nach ihm haben immer
von Neuem zur Freude am Wein und am Trinken angeregt und verführt
und tragen daher ein gutes Teil an der Verbreitung der Trunksucht der
von ihnen beeinflussten Menschheit. Viel geringer ist der Anteil der Maler
daran. Ihnen hat es' zwar jederzeit ein besonderes Vergnügen gemacht,
die Lust am Zechen und die Wirkungen desselben, die heitern und komischen
noch lieber als die ernsten und traurigen, zu schildern. Solchen Bildern aber
müsste, so sollte man annehmen, viel eher eine von diesem Laster ab-
mahnende als eine dazü verlockende Kraft beiwohnen. — In Bezug auf die
unerschöpfliche Lust zu solchen Darstellungen dürfte Eduard Grützner
alle Kunstgenossen in der Vergangenheit wie in der Gegenwart überbieten.
Keiner von ihnen hat die ganze Stufenleiter der Zustände und Stimmungen,
in welche die verschiedenen geistigen und begeisternden Getränke die
Menschenseele versetzen können, und die ebenso mannigfachen Weisen, in
welchen sich die erzeugten im Gesicht, der Haltung, dem Benehmen, den
Bewegungen, und noch in der tiefsten Ruhe ausdrücken, genauer beobachtet,
eindringender studirt, liebevoller und treffender geschildert, als Grützner.
Von allen Trinkern stellte er bisher, am häufigsten jene ehrwürdigen frommen
Väter in der Mönchskutte und dem Abtornat dar, welche manches Fass,
mit dem goldigen und purpurnen edeln Segen der Weinberge gefüllt, im
kühlen Klosterkeller gelagert haben, oder auch in des Klosters eigener
Braustube das würzige braune schaumgekrönte Nass bereiten und Beides
nach Gebühr zu schätzen wissen.
Auch er, der Sohn eines Bauern, 1846 zu Gross-Carlowitz bei Neisse
in Schlesien geboren, war ursprünglich dazu bestimmt, sein Leben dem
Dienst der heiligen Mutter Kirche; zu weihen. Aber das Schicksal hatte
andere Absichten mit ihm. Er kam nach München in Pilotys Malerschule
und in überraschend kurzer Zeit entfaltete sich dort seine glückliche Be-
gabung zur fröhlichen Blüte. In den ersten Bildern schon, mit welchen
Grützner bereits in den letzten sechziger Jahren hervortrat, zeigte er in
allem Malerisch-Technischen die Sicherheit und Fertigkeit eines Meisters,
und einen lebhaften koloristischen Sinn der guten Laune, dem kecken
lustigen Humor der. Erfindung und Charakteristik gesellt. Mit diesen
Gemälden, deren Held, und Mittelpunkt der edle Sir John Falstaff bildete,
eroberte Grützner sich sofort die allgemeine Gunst. Unabsehbar ist die
Reihe der Bilder voll gemütlichem Humor und harmloser Satire, welche
er seitdem besonders den Trinkern wie dem Trinken und Zechen in allen
Formen gewidmet hat. Das Original unsers Holzschnitts zählt sicher zu
den vorzüglichsten dieser Gattung. Das Getränk, welches diesem würdigen
Kleeblatt zum Sorgenbrecher dienen muss, ist der Branntwein. Die Wir-
kungen desselben auf den einen der Gesellschaft, welcher sich eben mit
einigen Schwierigkeiten, schwankend, von seinem Schemel erhoben hat, in
dem dunkeln Gefühl, dass ihn sein bärtiger schlauer Kamerad im Karten-
spiel offenbar betrogen habe, sind mit unübertrefflicher Wahrheit in jedem


Ed. Grützner.
 
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