MODERNE KUNST.
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BILDER-ERKLÄRUNGEN.
LXXIX.
DER AUFSCHNEIDER.
VON
W. LÖWITH.
hocherfreuliches Beispiel jener kräftigen künstlerischen
Talente, die ungeachtet aller äusseren Hindernisse voll
Mut und Ausdauer ihre Bahn verfolgend, sich zu Geltung
und Anerkennung durchringen, bildet der in München
lebende österreichische Genremaler W. Löwith, der heute
mit 26 Jahren bereits als einer der tüchtigsten Vertreter
seines Faches dasteht. Schon frühzeitig regte sich in
ihm der künstlerische Gestaltungstrieb, der ihn nach Ab-
solvirung der Realschule bestimmte, die Malerei zum
Lebensberufe zu erwählen. Allen Hindernissen zum Trotz
— sein frühverstorbener Vater hatte die Familie in
drückenden Verhältnissen hinterlassen — begann er seine
Wiener Akademie, die er fünf Jahre lang besuchte, dann
aber verliess, da er sich von der daselbst herrschenden Richtung keine
Förderung versprechen konnte. Ein Besuch in München befestigte seinen
Entschluss, sich dort niederzulassen, und mit Feuereifer arbeitete er in der
Schule Wilhelm Lindenschmits an seiner weiteren Ausbildung. Wie sehr
das halbe Jahr, während dessen er den Unterricht dieses ausgezeichneten
Lehrers genoss, die Entwickelung seines Talents begünstigte, beweist der
Umstand, dass er alsbald mit mehreren seiner Bilder die silberne Medaille
davontrug. Nachdem er nunmehr selbständig zu arbeiten begonnen, hatte
Löwith die Sorgen und Kämpfe, die Anwandlungen des Unmuts und der
Verzweiflung, die dem unbemittelten jungen Künstler beschieden zu sein
pflegen, in ihrer ganzen Bitterkeit zu erfahren, bis ihm — etwa seit dem
Jahre 1883 — der Absatz seiner Werke eine materielle Grundlage und
damit neue Schaffensfreudigkeit gewährte. Zunächst entlehnte er seine
Stoffe vorzugsweise dem deutschen, bisweilen auch dem niederländischen
Bauernleben, um dann sein Spezialgebiet in der Darstellung des Rokoko-
zeitalters zu finden. Die heiter gestimmten, oft von glücklichem Humor
belebten Bilder, in denen er dasselbe schildert, bieten in kleinen Dimen-
sionen überaus sorgfältig durchgeführte Figuren, die in Feinheit der Zeich-
nung und koloristischer Stimmung dem Vorbilde Meissoniers so erfolgreich
nacheifern, dass innerhalb der Münchener Schule zur Zeit wohl nur noch
Wilhelm Dietz, Karl Seiler und S. Buchbinder, ein Landsmann und Freund
unseres Künstlers, daneben in Betracht kommt. Die Charakteristik der
Gestalten wie das Kostümliche und die minutiöse Durchführung des archi-
tektonischen und sonstigen Beiwerks verbindet sich hier zu reizvollster
Wirkung und lässt den Beschauer mit stets neuem Interesse von der
Würdigung des Ganzen zum Genuss der köstlichen Details zurückkehren.
Wirkt in der heutigen Malerei nicht selten das Missverhältniss zwischen
dem anspruchsvollen Massstab und der Geringfügigkeit des künstlerischen
Gehaltes höchst unerquicklich, so muss man den Miniaturgemälden Löwiths
das Lob zollen, dass hier das Streben, im Kleinen Grosses zu leisten, in
hohem Grade erreicht ist.
I. 12.
Studien an der
Schon in der 5. Lieferung haben wir eine Komposition des Künstlers,
i den 1884 entstandenen „Improvisator“, vorgeführt. Unter seinen übrigen
Arbeiten verdienen besondere Hervorhebung „Ein Duell“, das zwischen
zwei Herren aus der Zeit der französischen Revolution stattfindet, die
„Billardspieler“ und der „Gratulant“, welche sämmtlich ihren Weg nach
Amerika nahmen, während andere Werke, wie „die Schachspieler“ „Vor-
lesung aus dem Boccaccio", „Pikante Geschichten“ u. s. w. in Deutschland,
England, Russland und der Schweiz ihre Käufer fanden Noch vor die
letztgenannten Arbeiten, ins Jahr 1885, fällt die Entstehung des „Auf-
schneiders“, den wir in diesem Hefte reproduziren. Unter den jüngsten
Schöpfungen Löwiths ist namentlich die prächtige Gruppe von Kunstlieb-
habern zu nennen, die dem Eintreffen neuer Kunstwerke beiwohnen, ein
alle Vorzüge des Malers vereinigendes Kabinetsstück, das unlängst in der
Berliner Kunsthandlung von Honrath und van Baerle das Entzücken aller
Kenner erregte. d.
LXXX.
-
SZENE AUS EINEM BERNER PATRIZIERHAUSE
BEIM ABZÜGE DER EIDGENOSSEN.
VON
SCHACHINGER.
Bedeutung die Schweiz gegenwärtig in mili-
Hinsicht beanspruchen kann, so ist dafür die
o wenig
tärischer
Vergangenheit des Landes reich an kriegerischen Thaten,
die den Vergleich mit den Waffenleistungen grösserer
g Nationen nicht zu scheuen brauchen. Eine hervorragende
Rolle spielt in der schweizer Kriegsgeschichte auch
die Stadt Bern, in deren Blütezeit wir durch Gabriel
Schachingers Komposition versetzt werden. Schon in den
Kämpfen mit dem Hause Habsburg und den Grafen von
Savoyen zu kriegerischem Ansehen gelangt, bewies die Stadt
nachmals als Glied der schweizer Eidgenossenschaft ihre
Kriegstüchtigkeit namentlich in den Feldzügen gegen Oester-
reich und Mailand sowie gegen Karl den Kühnen von Burgund, der im
Frühjahr 1476 bei Granson und bald darauf bei Murten geschlagen ward.
Im Jahre 1536 besiegten die Berner den Herzog von Savoyen und brachten
damit das Waadtland von Murten bis Genf an sich. Den Kern der Wehr¬
kraft — auf seiner Höhe vermochte der kleine Freistaat über 30000 Mann
zu stellen — bildeten die Bürger selbst, die auch in Friedenszeiten sich
eifrigst im Waffenhandwerk übten und alljährlich vor den Mauern der
Stadt ein grosses Manöver veranstalteten, das von Alt und Jung als ein
nationales Fest gefeiert ward. Ein opulentes Mahl beschloss das mühe-
volle Tagewerk und hielt die Väter der Stadt und die Angehörigen der
Kriegsgenossenschaft, darunter auch die holde Frauenwelt, bis in den späten
Abend zu froher Tafelrunde vereinigt.
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BILDER-ERKLÄRUNGEN.
LXXIX.
DER AUFSCHNEIDER.
VON
W. LÖWITH.
hocherfreuliches Beispiel jener kräftigen künstlerischen
Talente, die ungeachtet aller äusseren Hindernisse voll
Mut und Ausdauer ihre Bahn verfolgend, sich zu Geltung
und Anerkennung durchringen, bildet der in München
lebende österreichische Genremaler W. Löwith, der heute
mit 26 Jahren bereits als einer der tüchtigsten Vertreter
seines Faches dasteht. Schon frühzeitig regte sich in
ihm der künstlerische Gestaltungstrieb, der ihn nach Ab-
solvirung der Realschule bestimmte, die Malerei zum
Lebensberufe zu erwählen. Allen Hindernissen zum Trotz
— sein frühverstorbener Vater hatte die Familie in
drückenden Verhältnissen hinterlassen — begann er seine
Wiener Akademie, die er fünf Jahre lang besuchte, dann
aber verliess, da er sich von der daselbst herrschenden Richtung keine
Förderung versprechen konnte. Ein Besuch in München befestigte seinen
Entschluss, sich dort niederzulassen, und mit Feuereifer arbeitete er in der
Schule Wilhelm Lindenschmits an seiner weiteren Ausbildung. Wie sehr
das halbe Jahr, während dessen er den Unterricht dieses ausgezeichneten
Lehrers genoss, die Entwickelung seines Talents begünstigte, beweist der
Umstand, dass er alsbald mit mehreren seiner Bilder die silberne Medaille
davontrug. Nachdem er nunmehr selbständig zu arbeiten begonnen, hatte
Löwith die Sorgen und Kämpfe, die Anwandlungen des Unmuts und der
Verzweiflung, die dem unbemittelten jungen Künstler beschieden zu sein
pflegen, in ihrer ganzen Bitterkeit zu erfahren, bis ihm — etwa seit dem
Jahre 1883 — der Absatz seiner Werke eine materielle Grundlage und
damit neue Schaffensfreudigkeit gewährte. Zunächst entlehnte er seine
Stoffe vorzugsweise dem deutschen, bisweilen auch dem niederländischen
Bauernleben, um dann sein Spezialgebiet in der Darstellung des Rokoko-
zeitalters zu finden. Die heiter gestimmten, oft von glücklichem Humor
belebten Bilder, in denen er dasselbe schildert, bieten in kleinen Dimen-
sionen überaus sorgfältig durchgeführte Figuren, die in Feinheit der Zeich-
nung und koloristischer Stimmung dem Vorbilde Meissoniers so erfolgreich
nacheifern, dass innerhalb der Münchener Schule zur Zeit wohl nur noch
Wilhelm Dietz, Karl Seiler und S. Buchbinder, ein Landsmann und Freund
unseres Künstlers, daneben in Betracht kommt. Die Charakteristik der
Gestalten wie das Kostümliche und die minutiöse Durchführung des archi-
tektonischen und sonstigen Beiwerks verbindet sich hier zu reizvollster
Wirkung und lässt den Beschauer mit stets neuem Interesse von der
Würdigung des Ganzen zum Genuss der köstlichen Details zurückkehren.
Wirkt in der heutigen Malerei nicht selten das Missverhältniss zwischen
dem anspruchsvollen Massstab und der Geringfügigkeit des künstlerischen
Gehaltes höchst unerquicklich, so muss man den Miniaturgemälden Löwiths
das Lob zollen, dass hier das Streben, im Kleinen Grosses zu leisten, in
hohem Grade erreicht ist.
I. 12.
Studien an der
Schon in der 5. Lieferung haben wir eine Komposition des Künstlers,
i den 1884 entstandenen „Improvisator“, vorgeführt. Unter seinen übrigen
Arbeiten verdienen besondere Hervorhebung „Ein Duell“, das zwischen
zwei Herren aus der Zeit der französischen Revolution stattfindet, die
„Billardspieler“ und der „Gratulant“, welche sämmtlich ihren Weg nach
Amerika nahmen, während andere Werke, wie „die Schachspieler“ „Vor-
lesung aus dem Boccaccio", „Pikante Geschichten“ u. s. w. in Deutschland,
England, Russland und der Schweiz ihre Käufer fanden Noch vor die
letztgenannten Arbeiten, ins Jahr 1885, fällt die Entstehung des „Auf-
schneiders“, den wir in diesem Hefte reproduziren. Unter den jüngsten
Schöpfungen Löwiths ist namentlich die prächtige Gruppe von Kunstlieb-
habern zu nennen, die dem Eintreffen neuer Kunstwerke beiwohnen, ein
alle Vorzüge des Malers vereinigendes Kabinetsstück, das unlängst in der
Berliner Kunsthandlung von Honrath und van Baerle das Entzücken aller
Kenner erregte. d.
LXXX.
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SZENE AUS EINEM BERNER PATRIZIERHAUSE
BEIM ABZÜGE DER EIDGENOSSEN.
VON
SCHACHINGER.
Bedeutung die Schweiz gegenwärtig in mili-
Hinsicht beanspruchen kann, so ist dafür die
o wenig
tärischer
Vergangenheit des Landes reich an kriegerischen Thaten,
die den Vergleich mit den Waffenleistungen grösserer
g Nationen nicht zu scheuen brauchen. Eine hervorragende
Rolle spielt in der schweizer Kriegsgeschichte auch
die Stadt Bern, in deren Blütezeit wir durch Gabriel
Schachingers Komposition versetzt werden. Schon in den
Kämpfen mit dem Hause Habsburg und den Grafen von
Savoyen zu kriegerischem Ansehen gelangt, bewies die Stadt
nachmals als Glied der schweizer Eidgenossenschaft ihre
Kriegstüchtigkeit namentlich in den Feldzügen gegen Oester-
reich und Mailand sowie gegen Karl den Kühnen von Burgund, der im
Frühjahr 1476 bei Granson und bald darauf bei Murten geschlagen ward.
Im Jahre 1536 besiegten die Berner den Herzog von Savoyen und brachten
damit das Waadtland von Murten bis Genf an sich. Den Kern der Wehr¬
kraft — auf seiner Höhe vermochte der kleine Freistaat über 30000 Mann
zu stellen — bildeten die Bürger selbst, die auch in Friedenszeiten sich
eifrigst im Waffenhandwerk übten und alljährlich vor den Mauern der
Stadt ein grosses Manöver veranstalteten, das von Alt und Jung als ein
nationales Fest gefeiert ward. Ein opulentes Mahl beschloss das mühe-
volle Tagewerk und hielt die Väter der Stadt und die Angehörigen der
Kriegsgenossenschaft, darunter auch die holde Frauenwelt, bis in den späten
Abend zu froher Tafelrunde vereinigt.