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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 2
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Schlittgen, Hermann: Abgeblitzt
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Lobato, Attilio: Christus und die Ehebrecherin
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Meyerheim, Paul Friedrich: Löwen im Käfig
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0028

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MODERNE KUNST.

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die den Lesern der Deutschen Illustrirten Zeitung sehr gut bekannt sind,
besonders zu Lubliners „Die Gläubiger des Glücks“ gezeichnet. Zu dieser
Fülle von Kompositionen, die mit Pinsel und Tusche auf rein malerische
Tonwirkung hin ausgeführt wurden, zählt auch das Original unseres Holz-
schnitts. Gegenwärtig ist der Künstler wieder nach München zu dauerndem
Aufenthalt übersiedelt, wo er die Freunde seines Talents in jeder Nummer
der „Fliegenden Blätter“ stets von Neuem durch ein gefälliges Erzeugniss
desselben erfreut.

XIII.
CHRISTUS
U N D
I) I E E II E B I: E C II l'i 1: 1 N
VON
OTTO WOLF.

Zu den Bildern, welche auf der Berliner
Jubiläums-Kunstausstellung das besondere In-
teresse des Publikums und der Kritik hervor-
riefen, gehört in erster Reihe das Wolfsche I
Gemälde: „Christus und die Ehebrecherin.“ An
die Traditionen Biefves, Gallaits und Vernets
anknüpfend, weiss Wolf durch Betonung des
Golorits und dramatische Gestaltung der Kom-
position jene biblische Scene äusserst wirksam
zu gestalten Das ist in der That jener Christus,
der den Pharisäern das: „Wer von Euch ohne
Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie“, entgegenschleudert, das sind
jene Heuchler, die so gern auf Kosten Anderer tugendhaft erscheinen!
Und wer empfindet nicht Mitleid mit der anmutigen blonden Sünderin, die
bas heisse Blut zum Fehltritt verleitet hat.
Otto Wolf, der so schnell zu verdientem Ruhm gelangte junge Künstler,
lst ein Dresdener Kind; er empfing seine ersten künstlerischen Eindrücke
ln der Meissner Porzellanfabrik, besuchte dann die Kunstakademie seiner
Vaterstadt Dresden und brachte im Jahr 1880 sein erstes selbständiges
historisches Bild „Florian Geyer“ auf die Berliner Ausstellung. In Folge
her in der Dresdener Galerie empfangenen Eindrücke noch in klassicistischem
Stil gemalt, zeigte dieses Bild das Können des Debütanten doch in so
hohem Masse, dass es der Kaiser für seine Privatgalerie ankaufte.
Doch jetzt litt es Otto Wolf nicht mehr in Dresden, er wollte etwas
krosses vollbringen und mit dem ausdrücklichen Vorsatz, sich hierfür die
technischen Fertigkeiten anzueignen, ging er nach Paris, wo er zuerst
beissig in der Galerie copirte und dann in Bouguereaus Schule trat. Hier
schloss er sich vollständig an die coloristische moderne französische Schule
an und ging dann energisch auf sein Ziel los, indem er nach ferneren
fleissigen Studien in Italien und München das grosse Gemälde „Christus
und die Ehebrecherin" begann, an dem er fast drei Jahre, einige kleinere
Zwischendurch entstandene Bilder abgerechnet, gearbeitet hat. Prof. Löfftz
stand ihm mit seinem künstlerischen Beirate fördernd zur Seite, doch hat
der Künstler sich die vollste Selbständigkeit gewahrt; man wird weder in
■U°rnposition noch Farbe an die leicht süsslich wirkende Manier des
fr
unzösischen Akademikers noch an die lebhaftem Colorit abholde, ernst-
gemessene Technik Löfftz’ erinnert. Eher zeigen sich Anklänge an
^Finkacsy, mit dessen religiösen Gemälden sich das Wolfsche Bild dreist
dessen kann.

Otto Wolf.


XIV.
LÖWEN IM KÄFIG
VON
PAUL MEYERHEIM.

Auch die wärmsten Verehrer und Be-
wunderer der modernen Kunst müssen es zu-
gestehen, dass die grossen Meister der Re-
naissance und des 17. Jahrhunderts in vielen
wesentlichen Stücken auch den besten unserer
Zeit noch weit überlegen gewesen sind. Aber
in einem Punkt wenigstens ist das Verhält-
niss das umgekehrte: Wo es sich um die lebens-
wahre Darstellung der entlegenen, ausser-
europäischen Ländern entstammenden Tiere
handelt, bleiben auch die gepriesensten
und geniebegabtesten Künstler jener grossen
Epochen gegen die heutigen Meister dieses Genres weit zurück. Der Grund
dieser Erscheinung liegt nicht in einem geringeren Maass der künstlerischen
Kraft, nicht in einer etwaigen Unfähigkeit jener Alten, das tierische Leben
richtig zu erfassen und zu schildern, sondern einzig an dem fast gänzlichen
Mangel der Gelegenheit, dasselbe in Wirklichkeit zu beobachten, unter dem
sie litten. Nur ganz vereinzelt gelangten zu jenen Zeiten dann und wann
ein Paar Löwen, Panther, Kameele zu den Städten Europas; und noch
viel seltener noch war es den damaligen Künstlern gewährt, deren Aus-
sehen und Bewegen gründlich zu studiren, sie nach der Natur zu zeichnen,
zu malen und zu modelliren. So erklärt es sich, dass es selbst die ersten
Meister aller Zeiten, die in früheren Jahrhunderten der christlichen Zeit-
rechnung lebten und arbeiteten, da, wo sie jene exotischen Tiere darzu-
stellen hatten, meist wahre Monstra gebildet haben, welche mit der realen
Erscheinung der betreffenden Geschöpfe kaum die allgemeinsten Grund-
züge gemein haben. Am besten sind ihnen noch immer die Löwen ge-
raten, weil diese sehr wahrscheinlich am häufigsten nach den Städten
Europas und somit den Künstlern zur Anschauung gelangten. Die modernen
Maler und Bildhauer danken den weiten Fortschritt über das von jenen
alten Meistern auf diesem Gebiet Erreichte hinaus vor allem der Ein-
richtung der zoologischen Gärten. Erst durch diese ist es ihnen, wie der
ganzen Bevölkerung unserer grösseren Städte, ermöglicht worden, die Tiere
aller fremden Zonen in Ruhe in der Intimität ihres Lebens von der Ge-
burt bis zum Tode zu beobachten, jede ihrer Wesensäusserungen zu be-
lauschen und aufmerksam zu studiren, die flüchtigsten Momente auch
photographisch fest zu halten und mit Benutzung aller dieser Studien und
gewonnenen Anschauungen treue Bilder zu schaffen, die sie uns zeigen, wie
sie sind in ihrer äusseren Gestalt, wie in ihrem Empfinden, Wollen und
Handeln, in Hunger, Liebe und Hass.
Unter den deutschen Malern, welche den Zoologischen Gärten ein
gutes Teil ihrer künstlerischen Bildung und ihrer Erfolge zu danken, und
das, was diese Institute uns bieten, am besten und gründlichsten auszu-
nutzen verstanden haben, nimmt neben A. Menzel Paul M e y e r h e i m in
Berlin unbestritten die erste Stelle ein. So gut und wahr wie durch ihn
sind manche der Insassen dieser Gärten, vor allem Löwen und Elephanten,
nie zuvor und von Keinem gemalt worden. Das Original unseres Holz-
schnittes, diese Scene aus dem ehelichen Leben eines Löwenpaares, diese
Gruppe des, nach der Mahlzeit gesättigt und befriedigt ausruhenden, Löwen
und der, zärtlich an seine Kruppe geschmiegt schlummernden Gattin, ist
eine vorzügliche Probe seiner Kunst als Maler dieser Bestien-Gattung.
Hier zeigt sich die Schärfe seiner Beobachtungsgabe, seine Fähigkeit, das
eigenste Wesen der Tiere zu erkennen, zu erfassen und sie in Formen und
Farben, in Bewegung und Ausdruck echt, lebensvoll und körperlich, plastisch
in Bildern von energischer Wirkung wiederzugeben, in voller Stärke. —
Vor siebenundzwanzig Jahren trat Paul Meyerheim zum ersten Mal mit
einem Oelgemälde, auch einem Tierbilde: Affe und Neufoundländer, welche
sich mit den Resten des Desserts auf einem Speisetisch zu schaffen machen,
an die Oeffentlichkeit. Das geschah auf der akademischen Kunstaus-

Paul Meyerheim.
 
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