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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 12
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Schachinger, Gabriel: Szene aus einem Berner Patrizierhause beim Abzuge der Eidgenossen
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Kießling, Paul: Die drei Schwestern
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Holmberg, August: In der Klosterbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0134

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46

MODERNE KUNST.

Wie anders aber, wenn eine ernste Kriegsgefahr die Stadt bedrohte
und ihre Söhne gewappnet zu den Sammelplätzen eilten, um geschaart um
das Banner dem Feind entgegen zu ziehen. Da gab es in gar mancher
Behausung Leid und Trauer wie unter den edlen Frauen, die uns der
Künstler an einem solchen Tage in ihrem Wohngemach versammelt zeigt.
Voll stiller Wehmut blickt die junge Frau mit ihrem Töchterlein dem
scheidenden Gatten nach, während die alte Dame die beiden Jungfrauen
zu trösten sucht, die vermutlich auch um das Schicksal eines Bruders oder
Bräutigams bangen, der draussen unter klingendem Spiele ins Feld zieht,
umwogt vom dichten Gedränge der Schaulustigen, welche die schmucken
Arkebusiere und Armbrustschützen, die Hornisten, Pfeifer und Trommler
herbeigelockt. Wer möchte nicht den lieblichen Frauen wünschen, dass
es ihnen bald vergönnt sein möge, den glücklich Heimgekehrten den Will-
kommensbecher darzureichen, wie man es vielfach auf alten schweizer Glas-
scheiben so anheimelnd geschildert sieht.
Der Maler Gabriel Schachinger, von dem die treffliche, durch ihre
archaistische Formensprache an Werke der dargestellten Zeit anklingende
Zeichnung herrührt, wurde am 31. März 1850 als Sohn eines Vergolders
in München geboren, studirte an der dortigen Akademie unter Leitung
der Professoren Anschütz, Alexander Wagner und Piloty und erhielt im
Jahre 1875 ein Reisestipendium für Italien, wo er 1876 — 78 verweilte.
Von seinen ansprechenden und überaus sorgfältig durchgeführten Genre-
bildern sind in erster Reihe „Der Brautschmuck“, „In Gedanken", „Die
Lieblingsblume“, „Im japanischen Morgenkostüm“ und „Der Brautring“ her-
vorzuheben, unter seinen Arbeiten im Portraitfache die Bildnisse der ver-
storbenen Könige Ludwigs II. und Maximilians II. von Baiern, welches
letztere für die k. bairische Reichsratskammer ausgeführt wurde. Auch
auf illustrativem Gebiete hat sich der Künstler, der zu Neu-Wittelsbach
bei München seinen Wohnsitz hat, durch feinsinnige Leistungen hervor-
gethan. d.

LXXXI.

DIE DREI SCHWESTERN.
VON
P. KIESSLING.

der anmutigen Damengruppe, die sich, eine Schenkung
der Frau Baronin von Uckermann, seit 1875 in der
Dresdener Gemäldegallerie befindet, tritt uns Paul Kiess-
ling als einer derjenigen Portraitmaler entgegen, die mit
besonderer Vorliebe weibliche Typen der höheren Ge-
sellschaftskreise wiedergeben. Von vielen Ausstellungen
ist der Künstler durch hervorragende Bildnisse bekannt,
von deren Aufzählung wir daher hier absehen, um einen
Ueberblick über die andere, nicht minder wichtige Seite
seines Schaffens, seine Thätigkeit als Historien- und Genre-
maler zu geben, welche den Ausgangspunkt seiner Lauf-
bahn bildete.
Seinen ersten Unterricht empfing Paul Kiessling, der am 8. Januar 1836
zu Breslau geboren wurde, an der Akademie zu Dresden, die er bereits
mit 16 Jahren bezog, speziell bei Julius Schnorr von Carolsfeld, dem be-
rühmten Vertreter der monumentalen Historienmalerei, dessen Andenken
mit der Geschichte des Dresdener Kunstlebens für immer verknüpft ist.
Mit seiner ersten grösseren Komposition, welche die Erkennung des
Odysseus durch Eurykleia darstellte, gewann der junge Künstler 1855 den
ersten Preis und begab sich nun zu dreijährigem Aufenthalte nach Italien,
wo er unter dem Einflüsse des ungefähr gleichzeitig nach Rom überge-
siedelten Aquarellisten Ludwig Passini hauptsächlich Szenen aus dem Volks-
leben, daneben aber auch mythologische Gegenstände behandelte, von denen
„Venus und Adonis“, der „Raub des Hylas“ und die „Entführung der
Europa“ genannt seien. Ein Jahr lang studirte er in Antwerpen und be-
gab sich dann über Paris nach Rom zurück, wo er unter anderem mehrere
allegorische Kompositionen zu Schillerschen Gedichten vollendete, in denen
er antike und moderne Elemente vereinigte. Dasselbe war der Fall in


einem durch die Berliner Jubiläumsausstellung von 1886 bekannt geworde-
nen Gemälde, welches anknüpfend an Schillers „Dithyrambe“ voll kecken,
übermütigen Humors, der innerhalb der klassischen Dresdener Richtung
nicht eben häufig, altgriechische Gottheiten zu modernen Künstlern in einem
Maleratelier gesellte und neben der Originalität der Erfindung sich durch
hohen koloristischen Reiz auszeichnete. In der Albrechtsburg zu Meissen
schuf Kiessling zwei Wandgemälde mit Szenen aus dem Leben Johann
Friedrich Böttgers, des Erfinders des Porzellans. Auch das religiöse Stoff-
gebiet hat er z. B. in einer Madonna vom Jahre 1883 betreten. Seit
Jahren ist Kiessling als Professor an der kgl. Kunstakademie zu Dresden
thätig, zu deren Ehrenmitglied er 1881 ernannt wurde. S.

LXXXII.
IN DER KLOSTERBIBLIOTHEK
VON
AUGUST HOLMBERG.
ach Umfang und Wert seiner Produktion muss unter
den jüngeren Malern Münchens in erster Reihe August
Holmberg genannt werden, dessen frühzeitig entwickeltes
Talent schon zu Anfang der siebziger Jahre die Auf-
merksamkeit der kunstliebenden Kreise auf sich zog.
Am 1. August 1851 zu München geboren, widmete er
sich zunächst 1866 an der dortigen Kunstgewerbschule
der Bildhauerei, ging jedoch zwei Jahre später zur
Malerei über, in welcher er sich bei Wilhelm Dietz aus-
bildete. Wiederholte Studienreisen machten ihn vertraut
mit den verschiedenen Gegenden Deutschlands, in Italien
fand er 1875, in Paris 1879 weitere Anregungen.
Dasjenige Gebiet, auf welchem unser Künstler den Schwerpunkt seines
Schaffens gefunden und seine glänzendsten Erfolge zu verzeichnen hat, ist
die Genremalerei, in welcher er nebst einem findigen Blicke für malerisch
dankbare und inhaltlich ansprechende Stoffe ein ungewöhnliches Kompo-
sitionstalent und einen nicht minder hoch entwickelten Farbensinn bekundet.
Nach mehreren kleineren Arbeiten, wie einer Landschaft mit Mühle und
einem „Meinungsverschiedenheiten“ betitelten Genrebild vom Jahre 1873
begründete er seinen Ruf hauptsächlich durch das 1877 in Düsseldorf aus-
gestellte Gemälde „Santa conversazione“, drei Patres, die sich im Kirchen-
stuhl unterhalten, während ein vierter selig entschlummert ist; schon hier
zeigte sich die besondere Begabung des Malers für Darstellung welt-
entrückter stiller Innenräume, denen er durch das Spiel des einfallenden
Sonnenlichtes einen ungemein fesselnden Reiz zu geben weiss. Einen
weiteren Fortschritt bezeichnete das 1878 entstandene „Tabakskollegium
Friedrich Wilhelms I.“, welches durch eindringliche Charakteristik wie kern-
gesunden Humor erfreute und im Kolorit bereits grosse Kraft und Sicherheit
erkennen liess. Einen Glanzpunkt der Düsseldorfer Ausstellung vom Jahre
1880 bildeten die das gegenwärtige Heft schmückenden „Mönche in der
Klosterbibliothek“, die mit Entzifferung eines alten Monogramms beschäftigt
sind; der vorzüglich gelungene Holzschnitt macht es überflüssig, auf die
wohldurchdachte Gruppirung wie die meisterliche Individualisirung der ein-
zelnen Gestalten hinzuweisen, und auch der klare Silberton, der durch das
offene Fenster in den Raum einströmt, kommt in der vorliegenden Wieder-
gabe trefflich zur Geltung. Noch in demselben Jahre folgte das reizvolle
kleine Gemälde „Im Schlosspark“, eine novellistische Szene voll feinster
poetischer Stimmung, ferner der „Goldschmied" (im Städtischen Museum
zu Leipzig) und der ebenfalls auf gründliches Studium der alten Nieder-
länder hinweisende, in Berliner Privatbesitz übergegangene „Benediktiner-
mönch“, der am Fenster eines altertümlichen Gemachs, durch welches die
Strahlen der Sonne einfallen, antike Münzen betrachtet. Dass Holmberg
auch für oft behandelte Vorwürfe durch eigenartige Auffassung neues Inter-
esse zu erwecken versteht, zeigten die prächtig durchgearbeiteten Kabinets-
stückchen einer lesenden Dame und eines in Nachdenken versunkenen
Kavaliers, die 1881 in München zur Ausstellung gelangten. Dem klassischen
 
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