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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 11
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Henseler, Ernst: In der Bildergallerie des Berliner Museums
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Echtler, Adolf: Verstossung aus dem Vaterhause
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Panorios, Konstantinos: Das Täubchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0124

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42

MODERNE KUNST.

Der Raum, den unser Holzschnitt vergegenwärtigt, liegt in der öst- i
liehen Hälfte der Nordgallerie und enthält hauptsächlich Bilder der nieder-
ländischen und vlämischen Meister vom 16. und 17. Jahrhundert, von denen
allerdings einige, wie die grosse Bärenjagd von Snyders an der linken
Seitenwand, mittlerweile in anderen Räumen ihren Platz gefunden haben. |
Obenan steht unter den hier vertretenen Meistern Rubens mit seiner Andro-
meda, der heiligen Caecilie (mit den Zügen seiner zweiten Gattin Helena
Fourment) und einer köstlichen Kindergruppe, während bei der umfang- I
reichen mythologischen Komposition „Neptun und Amphitrite“, welche an
der Rückwand des Saales sichtbar ist, die Urheberschaft des grossen Vlam-
länders nicht zum allgemeinen Credo erhoben werden konnte. Ausserdem ■
begegnen uns in dem Raume die unter italienischem Einfluss stehende
Gruppe derselben beiden Wassergottheiten von Jan Gossart, der heilige
Hieronymus und eine thronende Maria mit dem Kinde von Quinten Massys, |
die Töchter des Cornelis de Vos und andere wertvolle Kompositionen.
Ueberaus getreu ist in unserem Holzschnitt das Publikum wieder- |
gegeben, welches täglich die Räume der Gemäldegallerie, zu füllen pflegt,
die lernbegierigen Provinzialen, die pflichteifrig ein Bild nach dem andern ;
an der Hand ihres Führers besichtigen oder den Kopisten mit naiver Neu-
gier beim Mischen der Farben zuschauen, die „höheren Töchter“, welche
ihre kunstgeschichtlichen Lektionen durch Autopsie zu ergänzen suchen,
während sie selbst wiederum zwei hoffnungsvollen Jünglingen, die sich auf
dem Divan in der Mitte des Raumes ausruhen, als Studienmaterial dienen
müssen, und die wackeren Krieger, denen es offenbar nicht leicht fällt, |
sich unter all den ungewohnten Eindrücken zurechtzufinden.
Ueber den Urheber unseres Bildes, Ernst Henseler, der am königlichen .
Kunstgewerbemuseum zu Berlin eine erspriessliche Lehrthätigkeit entfaltet, ,
ist bereits in der 4. Lieferung berichtet worden, und es erübrigt nur, zu
den dort aufgeführten Werken zwei neuere ansprechende Genrebilder des
Künstlers von der jüngsten akademischen Ausstellung zu Berlin, „Die
Wohlthäterin“ und „Das schwierige Rechenexempel“ nachzutragen, die sich
seinen früheren trefflichen Schilderungen aus dem Leben der Gegenwart
würdig anreihen. d.

LXXV.
VERSTOSSUNG AUS DEM VATERHAUSE
VON
AD. ECHTLER.
Ueber den vielen nur zu begrün- |
deten Verurteilungen, welche die fran- I
zösische Hauptstadt hinsichtlich ihrer :
sittlichen Zustände seitens des Auslands |
zu erfahren hat, wird häufig allzu sehr I
äusser acht gelassen, dass Paris denn I
doch nicht, wie sehr es auch selbst
eine solche Bedeutung sich anmasst,
mit der ganzen Nation gleichbedeutend
ist, sondern dass letztere zu ihrem
Glücke noch andere Elemente aufweist,
die zwar weit weniger von sich reden |
machen als die charakterlosen Schreier
Streber auf dem grossen Eitelkeitsmarkte an der Seine, dafür jedoch
so mehr diejenigen Eigenschaften pflegen, ohne die auch die begabteste
materiell bestbestellte Nation im harten Kampf ums Dasein einer festen
Grundlage ermangelt. Wie überall ist auch in Frankreich der ländliche
Teil der Bevölkerung derjenige, der am zähesten an den althergebrachten
Sitten und Anschauungen festhält und, eng verwachsen mit der heimischen
Scholle, sich dem Neuen und Fremden gegenüber ablehnend, ja feindlich 1
zu verhalten pflegt. Nicht zum mindesten zeigt sich dieser konservative
Zug in dem abgelegenen Gebirgslande der Bretagne, dessen rauhe Natur
mit den wogenumbrandeten Felsbuchten, den düsteren, wilden Gegenden
und weiten Haidestrecken sich in dem melancholischen und zugleich leiden- !
scnaftlichen Charakter seiner Bewohner wiederspiegelt. So lässt sich denn


und
um
und

wohl annehmen, dass der Schöpfer unseres Bildes, ein genauer Kenner
jenes wenig besuchten Landesteils, durch wirkliche Vorkommnisse des
dortigen Lebens die Anregung zu seiner leidenschaftlich bewegten Kom-
position empfangen hat, in welcher er den jähen Abbruch eines traurigen
Familiendramas mit packender Lebendigkeit vor Augen führt. Es bedarf
kaum der Ausführung, dass in diesem Sittenbilde zwei schroffe Gegensätze,
der starre, unverrückbare Sinn für Zucht und Sitte und jene moralische
Schwäche und Laxheit verkörpert sind, die in dem grossen Babel an der
Seine für interessant gilt, doch unter dem schlichten Dache des in Mühe
und Arbeit ergrauten Bauern auf keine Verzeihung zu zählen hat. Ver-
geblich hat sich das elegant gekleidete junge Weib vor dem Vater nieder-
geworfen, um, von ihrem Verführer der Not des Daseins preisgegeben, im
Heimatshause, dem sie vor Jahren leichtfertig den Rücken gekehrt, für
sich und ihr Töchterlein eine schützende Zufluchtsstätte zu erflehen; ver-
gebens haben Mutter und Schwestern alles aufgeboten, um den starren
Sinn des Alten zu erweichen, in dessen Innerem nichts für die Verirrte
zurückgeblieben als Gram und Groll ob der Schmach, die sie seinem ehr-
lichen Namen angethan, und der nur noch mehr gereizt wird durch den
Anblick der feinen Modedame, die er nun und nimmermehr als seine
Tochter anerkennt, sondern kalt und hart dahin zurückweist, wo sie so
lange geweilt, ohne sein und der anderen zu gedenken.
Der Maler unseres Bildes, Adolf Echtler, wurde am 5. Januar 1843
zu Danzig geboren, begann seine künstlerischen Studien in Venedig und
bildete sich dann in Wien, später in München weiter aus, wo er einige
Zeit bei Prof. Wilhelm Diez, dem bekannten Genremaler und Illustrator,
arbeitete. Von 1877 an weilte er in Paris, wo seine hervorragendsten
Schöpfungen entstanden, und kehrte im Jahre 1886 zu dauerndem Aufent-
halte nach München zurück. Von seinen Werken nennen wir das 1875
in Venedig gemalte Bild „Vor der Loggietta“, welches ihm in Berlin die
kleine goldene Medaille eintrug, ferner den „Kuss“, der in New-Yorker
Privatbesitz überging und bei Goupil & Co. in Paris auch als Kupferstich
erschienen ist; auch die „Verstossung aus dem Vaterhause“ hat ihren Weg
ins Ausland, nach Melbourne genommen. Der „Ruin einer Familie“ ward
in Paris durch eine „mention honorable“, 1883 auf der internationalen Kunst-
ausstellung zu München durch die kleine goldene Medaille ausgezeichnet
und befindet sich in Hamburger Privatbesitz. Als eine höchst lebenswahre,
schalkhaft-heitere Studie aus dem Leben des Südens möge schliesslich noch
die niedliche „Marietta“ von der vorjährigen Berliner Jubiläumsausstellung
genannt sein. Zur Zeit ist der Künstler mit einer umfangreichen Kompo-
sition für die bevorstehende deutsch-nationale Ausstellung in München be-
schäftigt, der dem Vernehmen nach wieder wie dem von uns vorgeführten
Gemälde ein Motiv aus der Bretagne zu Grunde liegt. S.

LXXVI.
DAS TÄUBCHEN
VON
KONSTANTIN PANOR1OS.

Konstantin Panorios.


Zu den hervorstechenden Eigen-
tümlichkeiten der Münchener Kunstwelt
gehören die zahlreichen fremdländischen
Künstler, die in derselben, sei es nur vor-
übergehend zu Studienzwecken hospi-
tiren oder auch, gefesselt von dem an-
regenden und gesellig-traulichen Leben
der Isarstadt, sich zu dauerndem Aufent-
halte daselbst niederlassen. Nicht nur
die ausserbairischen deutschen Staaten
und das stammverwandte Oesterreich,
sondern auch die skandinavischen Län-
der, Nordamerika, Polen und andere

Nationen sind durch hervorragende Künstler in München vertreten, die
sich zum Teil dermassen in deutsches Denken und Empfinden eingelebt'
haben, dass man aus ihren Werken das Vaterland der Urheber oft kaum
 
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