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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 11
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Kämmerer, F.: Der Stammhalter
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Henseler, Ernst: In der Bildergallerie des Berliner Museums
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MODERNE KUNST.

BILDER-ERKLÄRUNGEN.

LXXIII.

DER STAMMHALTER

VON

F. H. KÄMMERER.

ei dem kosmopolitischen Zuge der neueren Kunst kann
es kaum Befremden erregen, wenn selbst ein geborener
Holländer, der doch speziell auf dem Gebiete der Genre-
malerei innerhalb der eigenen Nation eine so bestimmt
ausgeprägte Kunstrichtung vorfindet, sich in der Fremde
seine Stoffe sucht, wie es Frederik Hendrik Kämmerer
auch bei seiner die gegenwärtige Lieferung eröffnenden
Komposition gethan hat. Wie schon früher schöpfte
der Künstler, der seine Ausbildung bei Geröme in Paris ge-
noss, auch hier aus der Zeit des französischen Rokoko, dessen
Kostüm ja malerischen Zwecken ganz besonders entgegen-
kommt. Wohlvertraut mit den eigenartigen Reizen desselben,
hat sich Kämmerer keineswegs darauf beschränkt, eine blosse Kostümstudie



darzubieten, sondern mit dem glückstrahlenden Vater, der draussen im
stillen Sommerasyl das Gedeihen seines Sprösslings so liebevoll beobachtet,
und der drallen Amme aus der Picardie, deren Pflege der junge Welt-
bürger anvertraut ist, eine anheimelnde Szene voll idyllischer Heiterkeit
geschaffen. Unter den früheren Werken des Künstlers ernteten besonders
lebhaften Beifall die im Pariser Salon ausgestellten Schilderungen einer
Hochzeit und einer Kindtaufe, an denen eine meisterhafte Wiedergabe der
eigentümlichen Rokokograzie gerühmt wird. d.

LXXIV.

IN DER BILDERGALLERIE

DES

>0°

BW

o bekannt und vertraut uns das bunte Treiben in dem
: von Ernst Henseler so getreu wiedergegebenen Saale
: der Berliner Gemäldegallerie anmutet, so ist es doch
■ noch keineswegs allzu lange her, dass derartige Samm-
lungen dem allgemeinen Besuche offen stehen, eine ideale
Vereinigungsstätte für alle Schichten des Volkes bilden.
Wohl waren solche bereits in früheren Jahrhunderten von
kunstsinnigen Herrschern, wie dem Grossen Kurfürsten,
Herzog August von Braunschweig, den sächsischen
Regenten und anderen angelegt worden, allein äusser
den engen Kreisen der Künstler und Gelehrten pflegten
es doch nur wenige Bevorzugte aus den höheren Ständen zu sein, denen
I. 11.

BERLINER MUSEUMS
VON
ERNST HENSELER.


j Gelegenheit wurde, die daselbst aufbewahrten Schätze zu besichtigen.
■ Erst um den Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts brach sich die richtige
I Anschauung Bahn, dass die Schöpfungen der bildenden Kunst nicht allein
dazu vorhanden sind, um dem Schaffenden als anregende und lehrreiche
Vorbilder und den Männern der Wissenschaft als Material für gelehrte
Untersuchungen zu dienen, sondern ihre hohe kulturelle Aufgabe erst dann
vollkommen erfüllen, wenn sie der Gesamtheit der Nation erschlossen
werden, wenn Jedem, auch dem Geringsten, die Möglichkeit geboten wird,
sie täglich zu geniessen, seinen Geschmack an ihnen zu läutern und sich
im Anschauen einer idealen Welt über die rein materiellen Interessen
emporzuheben.
Das hohe Verdienst, die nationale Bedeutung der Kunst in diesem
Sinne erkannt und praktisch anerkannt zu haben, knüpft sich in Deutsch-
land an den Namen König Friedrich Wilhelms III., der nach den glorreichen
Befreiungskämpfen seinen lebendigen Anteil an der Förderung idealer
Interessen auch durch Begründung eines öffentlichen Museums in seiner
Hauptstadt bethätigte. Wie auf anderen Gebieten des preussischen Kultur-
lebens war auch hier keineswegs ein altererbter Besitz vorhanden, sondern
I mühevolle Arbeit erforderlich, um das zu erwerben, was in den schweren
Zeiten der Vergangenheit entweder versagt geblieben oder der Vernichtung
anheimgefallen. Mit grossartiger Freigebigkeit trat der Monarch, dessen
höchstes Prinzip sonst die Sparsamkeit, für die edle Sache ein, in der ihm
Männer wie Wilhelm von Humboldt und Karl Friedrich Schinkel begeistert
an die Hand gingen; in liberalster Weise bestimmte er nicht nur die in
den Schlössern, Gärten und Gallerien Berlins und Potsdams befindlichen
Kunstwerke zum Gemeingute des gesamten Volkes, sondern bewilligte
zugleich, zum Teil aus seiner Privatschatulle, die Mittel zu umfangreichen
neuen Erwerbungen. Eine würdige Herberge fanden die so zusammen-
I gebrachten Schätze in dem von Schinkel errichteten Museum, das am
3. August 1830 eröffnet wurde. Hatte die Gemäldegallerie als die jüngste
unter den grösseren europäischen Sammlungen anfänglich einen nur be-
| scheidenen Umfang, so vermehrte sich dieselbe im Laufe der Zeit, nament-
lich seit den siebziger Jahren, infolge beträchtlicher Ankäufe in so unge-
ahntem Masse, dass eine entsprechende Erweiterung der Museumsräume
I sich als ein unabweisbares Bedürfnis aufdrängte. Und so erfolgte in den
Jahren 1877—1884 ein durchgreifender Umbau, bei welchem zugleich eine
symmetrische und künstlerische Anordnung der reichen Schätze, sowie durch
geräumige Oberlichtsäle eine genügende Beleuchtung geschaffen wurde, die
ehedem durch den nahe gelegenen Bau des Neuen Museums zum Teil
stark beeinträchtigt gewesen war. Minderwertige Gemälde wurden nun-
mehr ausgeschieden und dadurch Raum für eine würdige Aufstellung der
wertvollsten Bilder gewonnen, die durch die künstlerisch edle Ausgestal-
tung der Räumlichkeiten zu wesentlich erhöhter Geltung gelangten. Bei
ihrer Anordnung wurde nach Möglichkeit der kunsthistorische Gesichtspunkt
zu Grunde gelegt, so dass dem Besucher das Verhältnis der verschiedenen
Schulen und Meister zu einander in den Hauptzügen klar und anschaulich
entgegentritt. Die Reichhaltigkeit und Mannichfaltigkeit des hier Vereinigten
ist um so höher anzuschlagen, als die Berliner Gallerie in Zeiten entstand,
in denen hervorragendere Kunsterzeugnisse nur durch ganz andere Geld-
summen als ehedem erreichbar und es zudem besonderer Glücksumstände
bedarf, um überhaupt noch Werke von der Hand erster Meister zu erwerben.
 
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