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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 6
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Vogel, Hugo: Friedrich Wilhelm der grosse Kurfürst empfängt französische Réfugiés in Potsdam am 10. November 1686
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Kray, Wilhelm: Die verlassene Psyche
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0068

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22

MODERNE KUNST.

dort gewonnenen Eindrücke riefen in seiner Naturanschauung einen Um-
schwung hervor, der für seine malerische Ausdrucksweise bestimmend blieb.
In die Heimat zurückgekehrt, ging Vogel an die Vollendung des in vor-
gerückterem Stadium zurückgelassenen Bildes: „Luther predigt in der
Schlosskapelle der Wartburg“. Das Bild fand beifällige Aufnahme und
wurde in Berlin durch die kleine goldene Medaille ausgezeichnet.
Ein mehrwöchentlicher Aufenthalt in Paris, dem der Künstler doch
selbst einen mächtigen Einfluss auf sich zuschreibt, und der bedeutende
Eindruck der Spanier auf der Münchener Ausstellung im Jahre 1883 wirkten
vorbereitend auf das Werk, welches der Künstler auf der Jubiläums-
Ausstellung dem Publikum und der Kritik vorführte. Den Carton zu dem
Bilde „Friedrich Wilhelm der Grosse Kurfürst empfängt französische
Refugies in Potsdam am 10. November 1686“ sandte der Künstler zu der
von der Verbindung für historische Kunst für das Jahr 1883 ausgeschrie-
benen Konkurrenz ein und erhielt die Bestellung. Der Künstler hat das
charakteristische Wesen jener Zeit auf das Glücklichste zur Anschauung
gebracht. Auf einer niedrigen Terrasse vor dem Schlosse in Potsdam hat
sich zum Empfange der Refugies der Hof unter Führung des Kurfürsten
aufgestellt, zu dessen Rechten, mehr im Hintergründe, wir seine Gemahlin,
Dorothea von Holstein-Glücksburg, die Wittwe Herzog Christian Ludwigs
von Lüneburg, bemerken. Links vom Kurfürsten erscheinen der Kurprinz
und nachmalige König Friedrich I. und seine Gemahlin Sophie Charlotte,
die „philosophische Königin.“ Das Gefolge ist nur durch wenige Figuren
im Hintergründe angedeutet. Die herbstliche Landschaft in Verbindung
mit der nach Motiven des Potsdamer Stadtschlosses und Mustern aus
der Zeit frei, aber überzeugend komponirten Architektur, in der nament-
lich auch das kecke Figurenwerk von Stein der malerischen Wirkung
auf das Geschickteste dienstbar gemacht ist, geben dem Vorgang eine
wundervoll getroffene Stimmung. Sonnenfreies Tageslicht ohne Schlag-
schatten, bei welchem das Auge am bequemsten und schärfsten sieht und
die Gegensätze von nah und fern, in der Reinheit der Lokalfarben sich zu
höchster Plastik steigern. Farbige Pointen gibt indess der Künstler zwischen
den Kontrasten von Schwarz und Weiss nur sparsam und erzielt dadurch
mit voller Sicherheit die von ihm angestrebte koloristische Wirkung.

XXXIX.
DIE VERLASSENE PSYCHE
VON
WILHELM KRAY.

emselben sinnigen Mythus des Altertums entnommen, der
dem Künstler schon im Anfänge seiner ruhmvollen Lauf-
bahn zu einem Aufsehen erregenden Gemälde den Stoff
bot, darf die „Verlassene Psyche“ in ihrer poesievollen
Konzeption und bei ihrem hohen malerischen Werte als
eine bezeichnende Probe für die Eigenart Wilhelm Kray’s
gelten. Das ist keine blosse Aktstudie wie so viele der
mythologischen Gestalten auf unseren Ausstellungen, denen
man es nur zu sehr anmerkt, dass der Maler nur in Er-
mangelung anderer Vorwürfe auf sie verfiel, und bei
welchen denn auch sein Inneres wenig oder keinen
Anteil hatte. Diese holdselige Mädchengestalt zeigt so
recht, wie derartige Stoffe behandelt sein wollen, frei von jeder Schablone,
neu aus dem schöpferischen Künstlergeiste heraus geboren, in innigem
Einklänge mit dem Empfinden seiner Zeit und seines Volkes.
Wie in Auffassung und Durchführung ist das vorliegende Bild auch hin-
sichtlich seines Gegenstandes für die Richtung unseres Künstlers charakte-
ristisch, der, ein begeisterter Verehrer der Romantik, sich durch seine Vor-
liebe für Scenen wie diese den Namen „Nymphenmaler“ erworben hat. Ein
geborener Berliner, ward Wilhelm Kray durch den Einfluss des dänischen
Marinemalers Melby zur Wahl seines Berufes bestimmt, in dem er sich
zunächst an der Berliner Akademie unter Schrader und Wilhelm Schirmer
ausbildete. Namentlich letzterer, der Meister stimmungsvoller Luft- und

Lichteffekte, der geniale Interpret südlicher Naturschönheit, übte auf den
jungen Künstler den grössten Einfluss aus, wie bereits 1857 das schon
berührte Gemälde „Amor und Psyche“ bezeugte. Nachhaltige Förderung
verdankte Kray ausserdem dem 1860 verstorbenen Historienmaler Stilke,
als dessen Schüler er sich an der Ausschmückung des neuen Museums
beteiligte und in dessen Hause ihm der Verkehr mit W. Kaulbach, E. Scheren-
berg, Fontane und anderen Künstlern und geistig bedeutenden Persönlich-
keiten reiche Anregung gewährte. Auch als tüchtigen Porträtmaler erwies
sich Kray schon frühzeitig durch das in Bonn gemalte Bildniss des alten
Freiheitssängers Ernst Moritz Arndt, den er die Rechte auf einen Feisen stützend
darstellte, im Hintergründe den Rhein und die Türme des Kölner Domes.
Nach zweijährigem Aufenthalt in Paris, wo ihn innere Wahlverwandt-
schaft der Richtung des Romantikers Boudry zuführte, schuf Kray, 1860
nach Berlin zurückgekehrt, das Gemälde „Pausias und sein Blumenmädchen“
und porträtirte eine Reihe hervorragender Persönlichkeiten, zuletzt auch in
j Lebensgrösse den jetzigen deutschen Kaiser.
Sein eigentliches Lebenselement fand der Künstler in Italien, wohin
er sich 1867 wandte und wo er sich so heimisch fühlte, dass sich der
ursprünglich auf zwei Jahre berechnete Aufenthalt auf die dreifache Dauer
ausdehnte. Hier war es, wo er neben Bearbeitung zahlreicher Motive aus
dem Volksleben („Ave Maria“, „Nacht am Golfe von Neapel“, „Junge
Italienerin mit ihrem Kinde“ u. a.) jene poesievollen Kompositionen schuf,
zu denen ihn der geheimnissvolle Zauber des Meeres anregte und in denen
seine Virtuosität in Beherrschung der Luftperspektive und koloristischer
Effekte die glänzendsten Triumphe feierte. Ganz aussergewöhnliche Be-
wunderung rief „Des Fischers Traum“ hervor, den ein Wiener Kritiker so
unbeschreiblich schön nannte, dass man kaum wage, mit einer Beschreibung
der Details zu beginnen; „dieses Nymphenvolk“, heisst es u. A. in dieser
enthusiastischen Besprechung, „ist von einer unsäglichen Leichtigkeit und
Transparenz; es sind Körper, schöne volle Körper, die aber im nächsten
Augenblick in Luft und Wasser zerstieben können“. Ein zweites Meister-
werk jener Zeit ist die „Barca della caritä“, ein Gemälde, bei welchem
ebenfalls das feuchte Element, diesmal für eine tiefergreifende, traurige
I Scene, den Schauplatz bildet. Auf wildempörten Wogen fährt eine Barke
dahin mit einem offenen Sarge, in dem die Leiche eines schönen Mädchens
ruht. Zwei Mönche geleiten sie, der ältere den Kahn lenkend, der junge
stumm über die liebliche Todte sich herabneigend, von deren Stirn und
Busen der Sturm den Blumenschmuck über das Meer entführt.
Im Jahre 1872 verliess Kray Italien, wo ihn zuletzt Venedig längere
Zeit an sich gefesselt hatte, um sich zunächst in Wien niederzulassen.
Mit Eifer kultivirte er das phantastisch-romantische Gebiet weiter, auf
dem er bereits so glänzende Leistungen zu verzeichnen hatte. „Das Donau-
weibchen“, „Loreley“, „Nach Arkadien“, „Prinzessin Ilse“, „Undine“, „Der
Fischer“ (nach Goethes Ballade) zeugen für die Produktivität des Meisters
in diesem Zeiträume. Trotz der allgemeinen Anerkennung, die seinem
Schaffen zu Teil wurde, vertauschte er den Wiener Aufenthalt bald mit
München, wozu hauptsächlich das warme Interesse beitragen mochte, das
Prinz Luitpold, der jetzige Prinz-Regent von Bayern, für Kray’s Schaffen
an den Tag legte. 1883 erntete er auf der Internationalen Kunstausstellung
im Glaspalaste verdienten Beifall mit seinem „Irrlichtertanz“, symbolisirt
durch graziöse, im Mondenschein über einem unheimlichen Sumpfe schwe-
bende Jungfrauen; es folgte eine stattliche Reihe anderer hervorragender
Kompositionen wie „Meeresidylle", „Willkommen, Herr Olaf!“ „Des Meeres
und der Liebe Wogen“, „Die Liebe höret nimmer auf“ (Eigentum des
Prinz-Regenten von Bayern), eine malerische Phrenodie auf die Vergänglich-
keit des Irdischen, voll melancholischen Zaubers, ferner „Heimwärts“, „Wieder-
sehen“, „Der Frühling“. Der seltenen Produktionskraft Kray’s entspricht
die Beliebtheit seiner Werke, von denen viele den Namen ihres Schöpfers,
der das Meer so sinnig verherrlicht, fernhin über den Ocean getragen haben.
Die poetisch-romantische Verklärung, die über Kray’s Gebilden ausgebreitet
liegt, sichert ihm unzweifelhaft eine bedeutende Sonderstellung in unserer
überwiegend realistischen Tendenzen zugewandten Kunstepoche. Auch
seine Vorliebe für unverhüllte Leibesschönheit ist bei dem heutigen Ueber-
wuchern der prätentiösen Stoffmalerei nicht gering zu schätzen, zumal es
stets, zum Unterschiede von Makarts Art, eine durchaus keusche Nacktheit
ist, in der er seine anmutigen Frauengestalten erscheinen lässt.
 
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