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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 7
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Räuber, Wilhelm: Reisende im 17. Jahrhundert
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Voltz, Friedrich: Heerde am Bache: Gemäde
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0084

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MODERNE KUNST.

27

des 17. Jahrhunderts, ausstellte, das durch eine Radirung Wilhelm Kraus-
kopfs*) eine kongeniale Wiedergabe erfahren hat. Der grösste Wurf
aber gelang unserem Künstler bisher mit einer figurenreichen Komposition,
Welche die Uebergabe Warschaus an den grossen Kurfürsten Friedrich
Wilhelm von Brandenburg und den schwedischen Feldmarschall Wrangel
lrn Juli 1656 darstellt und 1883 eine Perle der Internationalen Kunstaus-
stellung zu München bildete. Hier zeigt sich die erfindende Kraft und die
Gabe scharfer Charakteristik im hellsten Lichte; der nationale und psycho-
logische Gegensatz zwischen den demütigen polnischen Kapitulanten und
dem gewaltigen deutschen Fürsten, in dem sich versöhnliche Milde und
energischer Sinn wunderbar vereinen, die zahlreichen Nebenfiguren, von
denen jede in fein berechneter Weise an der Gesammtwirkung Teil hat,
die geschickte Andeutung des vorausgegangenen Kampfes, die gründliche
Kenntniss des damaligen Heerwesens, die das Ganze durchdringt, erheben
dieses Gemälde zu einem Meisterwerke geistvoller Realistik und lassen den
Äusspruch eines Kritikers, dass in dem Schöpfer dieses Bildes ein grosses,
kerngesundes Talent zu begrüssen sei, im vollsten Masse gerechtfertigt
erscheinen. Wenn sich der Künstler ungeachtet des bedeutenden Erfolges,
den er mit diesem Werke erzielte, — dasselbe brachte ihm, nachdem er
bereits 1880 in Düsseldorf die gleiche Auszeichnung errungen, eine zweite
goldene Medaille, — im Einzelnen zu Abänderungen bewogen fühlte, um
der Komposition noch grössere Klarheit und Kraft zu verleihen, so beweist
er damit am besten, wie hoch er sich seine Ziele gesteckt, von welchem
Ernste sein Streben getragen ist. Das letzte Werk Räubers behandelt
Gustav Adolfs Tod in der Schlacht von Lützen und gelangte 1886 im
Auftrage der Verbindung für historische Kunst zur Ausführung. Auch im
1 orträtfache hat sich Räuber durch hervorragende Leistungen ausgezeichnet.
Es ist lebhaft zu wünschen, dass sich die Anerkennung des hochbegabten
Malers, dessen Werke zum Teil nach England, Frankreich und Amerika
'hren Weg nahmen, auch bei uns immer mehr Bahn breche; hat doch in
erster Linie Deutschland Pflichten gegen einen Künstler, dessen Schaffen
lrilt so erfolgreicher wie begeisterter Hingabe der Verherrlichung vater-
ländischer Vorzeit gewidmet ist. —d.

*) Zeitschrift für bildende Kunst, 17. Band, Seite 324.

XLVIII.

HEERDE AM BACHE.

s'ognomielose,

ie Idylle hat in der bildenden Kunst wie in der Dichtung
in den verschiedenen Epochen, dem wechselnden Ge-
schmack entsprechend, sehr verschiedene Erscheinungs-
formen angenommen. Für die Poeten, die Maler und
das Publikum im achtzehnten Jahrhundert war eine Idylle
undenkbar, welche z B. ein Stück wirklichen Hirten-
und Dorflebens der damaligen Zeit getreulich zu spiegeln
bezweckt hätte. Für die idyllische Dichtung jener Periode
schien das Kostüm eines goldenen Zeitalters oder doch
des klassischen Arkadien schlechthin unentbehrlich; für
die gemalte Idylle die Maskengarderobe der gepuderten
und bebänderten Schäfer und als Schauplatz die phy-
nach dem Geschmack des Rokoko frisirte ideale Landschaft
»Andere Zeiten, andere Bilder!"
Die Epoche der Photographie, die Mitte und zweite Hälfte des neun-
zehnten Jahrhunderts, stellt auch an die Idyllendichter und Maler als erste
j °rderung die der innern und äussern Wahrheit ihrer derartigen Gemälde.
er im vorigen Jahre verstorbene Meister unseres Bildes hat es vor vielen

GEMÄLDE
VON
FR. VOLTZ.


anderen verstanden, dieser Forderung vollauf gerecht zu werden und seine
Schilderungen doch zugleich mit echt pastoraler naturfrischer Poesie zu
sättigen. Die Rinder, die Schafe und Ziegen auf seinen Bildern gehören
ganz bestimmten, von jedem Züchter und Hirten leicht erkannten Rassen
an, die Hüter und Hüterinnen und andere Gestalten aus dem Landvolk,
die er malt, sind die echten Söhne und Töchter des süddeutschen, besonders
des bayrischen Landes; und ebenso trägt die Landschaft darauf dessen
bestimmtes, klares, charakteristisches Gepräge. Aber diese F. Voltzschen
Bilder athmen den holden Frieden und die ruhevolle Anmut, welche zur
Grundstimmung jeder echten Idylle gehören, darum wahrlich nicht minder,
als es die unmöglichsten arkadischen Hirten- und Heerden-Schilderungen
in Ideallandschaften Claudeschen oder Watteauschen Stils vermöchten.
Das Original unseres Holzschnitts ist ein sehr bezeichnendes Beispiel dieser
ganzen F. Voltzschen Kunstweise.
Ueber die hüglige Ebene unter dem von zart durchleuchtetem silber-
grauem Gewölk umflorten Himmel breitet sich die Ruhe des beginnenden
Feierabends Schnitter und Schnitterinnen, Sense, Rechen und Heugabeln
auf den Schultern tragend, gehen müde von der Tagesarbeit dem heimischen
Dorfe zu. Der Rinderhirt und eine am Boden neben ihm sitzende Dirne
aber denken noch nicht ans Heimgehen. Ihren Kühen und Kälbern unten
am grasigen Ufer und im flachen, klaren, erfrischenden Wasser des seichten
Baches ist es draussen, da die Schwüle des Hochsommertages der abend-
lichen Kühle weicht, noch durchaus behaglich, und weder die dort wieder-
käuend ruhenden noch die aus dem Bach trinkenden Rinder scheinen bereits
ein Verlangen nach dem Stalle zu empfinden und hinaus zu brüllen. Unter
der grossen Menge Voltzscher Bilder wird man sehr viele finden, welche
im allgemeinen Eindruck diesem zum Verwechseln ähneln. Der Künstler
wurde seit drei Jahrzehnten nicht müde, das gleiche Thema in immer neuen
Darstellungen zu behandeln, die sich in der allgemeinen Disposition, in dem
fein gedämpften, vornehm kühlen Silberton, in der gesammten Stimmung,
im lokalen Charakter der Landschaft wie Geschwister gleichen. Selbst
das gewählte Format ist fast immer das niedrige, nach den Seiten hin
lang gestreckte dieses Bildes. Dadurch litt der Eindruck der Voltzschen
Schöpfungen etwas an Monotonie. Aber jede für sich betrachtet, zeigt
in den Tieren, den menschlichen Gestalten und der Landschaft auch die
gleichen vortrefflichen Qualitäten der Zeichnung, der Malerei und des
Kolorits, denen dieser Meister seinen ihm bis ans Ende treu gebliebenen
Ruhm verdankt.
Johann Friedrich Voltz ist der Sohn des württembergischen Malers
und Kupferstechers Johann Michael Voltz (1784—1858), in dessen Vater-
stadt Nördlingen er 1817 geboren wurde. Der Vater wai sein erster
Lehrer im Zeichnen, Radiren und Malen. Im 17. Jahre kam Voltz nach
München, um seine Studien fortzusetzen. Als Radirer und Sternzeichner
war er daselbst gleichzeitig unablässig thätig. Er arbeitete mit an den Litho-
graphieen des Adamschen Werkes über Pferdezucht und radirte nach Ge-
mälden der Leuchtenbergschen Galerie. Nach neun arbeitsvollen Jahren erst
trat er von München aus grössere Studienreisen, durch Deutschland, Tirol,
Italien, Belgien, Holland und Frankreich an. Ihr Zweck war ebenso sehr
seine weitere Ausbildung in der eigentlichen Malerei, wie die Bereicherung
seiner Kenntnisse von den Tierrassen. Mit den „Rindviehstämmen“ seiner
württembergischen Heimat, mit den „Gestüten und Meiereien des Königs von
Württemberg“ hat er sich dabei besonders intim beschäftigt. Wie wir
uns auf der im vorigen Jahre seitens der Direktion der Berliner National-
galerie veranstalteten Ausstellung seiner nachgelassenen Bilder, Zeichnungen,
Studien, Skizzen überzeugen konnten, hat es für ihn vieljähriger Versuche
und Anläufe in sehr verschiedenen Richtungen der Landschafts , Tier- und
Genremalerei bedurft, ehe er diejenige ihm völlig gemässe fand, in welcher
er sich während seiner letzten dreissig Jahre mit immer gleichem Behagen,
Geschick und Erfolg bewegt und Meisterwerke der modernen Idyllenmalerei
geschaffen hat, wie diese „Heerde am Bach“. L. P.
 
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