Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Gussow, Karl: Die Venuswäscherin
DOI Artikel:
Meyer, Claus: Politiker
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0017

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

MODERNE KUNST.

Auch dort war deines Bleibens nicht —
Die Sehnsucht trieb dich von dannen,
Tannhäuser wieder, den treulosen Wicht,
Ins süsse Joch zu bannen.
Doch fandst du nicht zurecht in der Welt,
Dem schnöden Selbstsuchtkorso;
Bald warst du dort gänzlich „kalt gestellt“ —
Ein armer entthronter Torso!
Die Goldgier und die feile Brunst,
Sie schlugen dir schmerzlichste Wunden;
Bis endlich du bei der Schwester „Kunst“
Ein sichres Asyl gefunden.
Die hat mit Rosen umkränzt dein Haupt
Beim ersten Wiedersehen;
Doch bist du im Winkel gar oft verstaubt,
Wenn sie nach Brod musste gehen! —
Da stellt sich einmal Frau Ordnung ein,
Mit vielgeübtem raschen
Finger von „irdischen Schlacken“ rein
Das Künstlerheim zu waschen.
Auch über dich den krystallenen Strahl
Freigebig liess sie quellen —
So bist du im alten Glanz zumal
Aufs neue entstiegen den Wellen.
Und wie der Alten Arm umspannt
Den Leib dir, den wundersüssen,
Ihr ist’s, als hätt sie dich einst gekannt,
Als müsste dein Lächeln sie grüssen.
Rings weitet sich der enge Raum;
Die Waffen, die Krüge — zinnern,
Das rost’ge Gerümpel schwindet im Traum — —
Jung wird sie im Erinnern.
’s kommt über sie wie seliger Schmerz,
Wie peindurchwühlte Wonne,
Es zieht ihr wie Maienhauch ins Herz,
Wie lichte Frühlingssonne;
Durchströmen fühlt sie flüssige Glut
Die marmorkalten Glieder,
Und leise mit der rinnenden Flut
Fliesst eine Thräne nieder. — —
Wie aber blickst so sieghaft d u,
O Königin der Minne!
Kannst du auch stören der Mumien Ruh,
Holdselige Teufelinne?!
Kannst selber Gletschern du werden noch
Verhängnissvoll und verderblich —?
Und wär’ es Wahrheit am Ende doch,
Dass ihr Olympier unsterblich ?! — —

Frau Ordnung bald rafft fchamerfüllt
Und seufzend sich auf, wie erklärlich:

„Ich — wasche — nie wieder ein Venusbild —
’s bleibt immerhin doch gefährlich!“

RICHARD SCHMIDT-CABANIS.

VIII.
POLITIKER
VON
CLAUS MEYER.

Wichtige und bedenkliche Neuigkeiten
müssen es sein, welche der Mann im Kittel
zur Linken auf dem Holzbänklein seinen Zech-
genossen mitzuteilen hat; ihre scharf ge-
spannten, ernst, fast erschrocken aufhorchenden
Mienen zeigen es noch eindringlicher, als der
bedeutsame Ausdruck in den Zügen des Be-
richterstatters selbst.
:, Was sind es für Nachrichten ? Wer sind
die Zecher?
Über ihre Nationalität, über ihr Zeitalter
Bierkrüge, das an der Decke hängende Schiffs¬
modell, die durchs Fenster hereinblickenden hochgegiebelten Häuser keinen
langen Zweifel zu . . . Sind es vielleicht gar alte Bekannte? Heissen sie
vielleicht Jetter, Soest, Buyck, Ruysum, Vansen, gute Freunde aus dem
Lieblingsstück des deutschen Volkes, dem „Egmont“?
Wenn sie es sind — oder etwa auch nur deren Brüder, Vettern oder
sonstige Sippen und Gefreundte — dann hält es für uns auch nicht mehr
schwer, den Inhalt defe erregten Gespräches zu belauschen. Dann sind sie
dem Rat des Zimmermeisters gefolgt, der ihnen zurief: „Tretet hier ins
Haus ein!“ und fortfuhr: „Hütet Euch! Der Herzog von Alba hat gleich
bei seiner Ankunft einen Befehl ausgehen lassen, dadurch Zwei oder Drei,
die auf der Strasse zusammen sprechen, des Hochverrats ohne Unter-
suchung schuldig erklärt sind.“

Claus Meyer.


lassen ihre Tracht, die

Der Maler unseres Bildes, der Münchener Claus Meyer, erhielt bereits
auf der Münchener 1883er Ausstellung, wie auf der Berliner Jubiläums-
Ausstellung die grosse goldene Medaille. Er war der Jüngste der Prä-
miirten. Als der Sohn eines Brauereidirektors am 20. November 1856 zu
Linden (vor Hannover) geboren, wandte er sich 1875> durch Krelings Ruf
angezogen, gleich seinem berühmten Landsmanne, dem jetzigen Münchener
Akademie - Direktor Fritz August von Kaulbach, nach Nürnberg, und in-
mitten dieser altertümlichen Giebel und Erker, Türme und Gräben erwachte
in dem Neunzehnjährigen eine lebhafte Zuneigung zur mittelalterlichen
Architektur, die sich seitdem fest eingenistet hat. Im Jahre 1876 siedelte
er nach München über, besuchte die Zeichenklasse des Professor Barth,
die Malklasse Alexander Wagners, aus der er in die Löfftzschule über-
trat. In Professor Löfftz fand Claus Meyer eine kongeniale Künstlernatur,
die ihm die rechten Bahnen wies. Als im Jahre 1882 das erste Bild des
jungen Künstlers im Münchener Kunstverein erschien, erlebte jener die
Genugthuung einer allseitigen neidlosen Anerkennung unter seinen Berufs-
genossen und eines sofortigen Verkaufs seines Bildes, das, durch die ver-
schiedensten Hände gehend, nach Monatsfrist um den fünffachen Preis an
einen Berliner Händler gelangte. Das Ergebniss einer im folgenden Jahre
nach Holland und Belgien unternommenen Studienreise war jenes in der
Münchener 1883er Ausstellung ungeteilte Bewunderung findende „Hollän-
dische Beguinenkloster“; diesem Bilde, wie der neben ihm hängenden Pieta
Löfftz’ wurde die goldene Medaille zuerkannt, den Meister im Schüler
ehrend. Die im folgenden Jahre entstandenen „Politiker“ und „singende
Beguinen“ brachten Claus Meyer neue Ehren: die kleine goldene Medaille
der 1884er Berliner Akademischen Ausstellung. 1885 kaufte die Dresdener
Gallerie die „Bösen Zungen“ und letzthin erwarb die Berliner Nationalgallerie
die auf der Jubiläumsausstellung prämiirten „Würfler“, welches Bild dem-
nächst gleichfalls in dieser Sammlung erscheinen wird. Claus Meyer hat,
bevor er das dreissigste Lebensjahr vollendet, die höchsten künstlerischen
Ehren bereits erreicht. Viel aber dürfen wir noch von seiner Kunst

erwarten.
 
Annotationen