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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 4
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Kauffmann, Hugo: Ein schlechter Witz
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Hennings, J. F.: Sonntag Nachmittag am Zollhause
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Schaper, Friedrich: Amor, die Tauben der Venus fütternd: Marmorgruppe
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0051

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i6

MODERNE KUNST.

Fuchseisen geraten“, „Erregte Gemüter" und ausserdem die durch Licht-
druck vervielfältigten Tusch- und Federzeichnungen, die unter den Titeln
„Hochzeitsleute und Musikanten“, „Biedermänner und Konsorten“ und i
„Spiessbürger und Vagabunden“ weite Verbreitung fanden.

XXIX.
SONNTAG NACHMITTAG AM ZOLLHAUSE
VON
J. F. HENNINGS.

J. F. Hennings.


Die Wirte, welche ihre Herbergen
neben den Grenzzollhäusern errichteten,
haben sich niemals darüber beklagt, dass
die mehr oder weniger umständlichen und
zeitraubenden Formalitäten beim Passiren
der Grenze die Reisenden zu einem längeren
Aufenthalt daselbst nötigten. Im Gegen-
teil, die heutigen Bahnhofsrestaurations-
pächter an solchen Orten sehnen gewiss
die alte gute Zeit innig zurück, jene glück-
selige Zeit, als von der Menschen Seelen
die wilde Unruhe und Hast noch nicht

Besitz ergriffen hatte, von der wir heute rastlos umhergehetzt werden.
Und sie haben Grund genug dazu. Sieht man es doch dem Wirt auf
unserem Bilde, welcher die beiden würdigen Stammgäste bedient, an
Formen und Geberden an, wie wohl dies Haus seinen Mann nährt!
Aber seine Wirtschaft erfreut sich auch ganz besonderer Vorzüge. Wie
traulich liegt der rote Ziegelbau mit den vielen blanken Fenstern und
den Erkern im sonnendurchblitzten Schatten der alten hohen Bäume

zur Seite der Landstrasse da! Wie freundlich und sauber werden die

Gäste bedient, die sich an schönen, warmen Sommertagen an den ein-
fachen Holztischen vor der Thür zur Mahlzeit, zum Kaffee oder zur Kanne I
Weines niederlassen! Da machen die Reisenden, aber auch die schmucken
Kavaliere von den nächsten Rittergütern und Garnisonen so gerne Halt, wie
die Postillone und die Fuhrleute. Die, welche nicht Zeit haben abzusteigen, |
um sich zu den hübschen Jungfern, den Bürger- und Pfarrtöchtern auf die j
Bank zu setzen zu längerem Geplauder, reiten doch nicht daran vorüber, |
ohne wenigstens, ob auch im Sattel bleibend, ein volles Glas zu leeren, das I
ihnen eine der schmucken, munteren Mägde des Hauses hinaufreicht. Dies |
ganze gemütliche, stillbehagliche Sommersonntag-Nachmittags-Treiben vor
einem Grenzzollamtswirtshaus sehen wir auf unserem Bilde mit dem ■
täuschenden Schein der lebendigen Wirklichkeit und Wahrheit geschildert.
Hennings (geboren zu Bremen 1838, in Düsseldorf unter Oswald
Achenbach zum Landschaftsmaler ausgebildet) gehört zu den deutschen
Künstlern, welche sich mit ganz besonderer Vorliebe in das Studium des
Lebens, der Sitten und der gesammten Erscheinungsformen des 18. Jahr-
hunderts versenkt, und es. so erreicht haben, in ihren Bildern diese Zeit
und ihre Menschen in überzeugender Realität vor uns herauf zu führen.
Er begann als Landschafter, der seine Motive anfangs zumeist der Natur
und den Städten Italiens entlehnte. In Sonnen- und Mondscheineffekten
bewies er jederzeit eine ungewöhnliche Virtuosität. Allmählich aber erhielt
die Staffage einen immer breiteren Platz in seinen Landschaften. Rococopark-
Scenerien, jene stolzen Avenuen, geschorenen Hecken, Baracken und zopfigen
Lustschlösschen und Papillons, wie sie noch an so vielen deutschen Fürsten-
sitzen in unverfälschter Echtheit erhalten geblieben sind, bald von heissem
Sonnenschein, bald von silbernem Mondesglanz überflutet, und belebt von
gepuderten hochfrisirten Damen in bauschenden Reifröcken, Seladons,
Jagdjunkern und galanten Abbes, wurden seine Lieblingsgegenstände. Unser
Bild beweist, dass ihm auch andere Seiten des Lebens der Menschen des
18. Jahrhunderts ebenso vertraut sind wie das der vornehmen Welt des-
selben, und wie vortrefflich er es versteht, für jede Art der Landschaft
die passende Staffage, oder für jede Sittenschilderung aus der Epoche des
grossen Friedrich und des jungen Goethe die am besten entsprechende
harmonische und charakteristische Scenerie zu finden.

XXX.

AMOR, DIE TAUBEN DER VENUS FÜTTERND.

Letzterer
Seine Jugend-
im Franke’-
wurde er im

MARMORGRUPPE
VON
PROFESSOR FR. SCHAPER.

(nter den lebenden Meistern der Skulptur in Berlin zählt
Hugo Wilhelm Friedrich Schaper unzweifelhaft zu
den populärsten und beliebtesten. Er gehört bereits
der zweiten. Nach - Rauch’schen Generation, der von
diesem begründeten Bildhauerschule an. Einer der
Lieblingsschüler Christian Rauch’s, der heute noch un-
ermüdet und mit frischer Kraft schöpferisch thätige
Professor Adolf Wolff, der Autor des Löwen-
kampfes und des Denkmals Friedrich Wilhelms III. im Ber-
liner Lustgarten, war der Lehrer Schapers.
wurde 1841 zu Alsleben bei Halle geboren,
erziehung und Bildung empfing der Knabe
sehen Waisenhause zu Halle. Um ein Handwerk zu lernen,


16. Jahr daselbst zu einem Steinmetz in die Lehre gegeben. Aber schon
da offenbarte sich sein Talent zur Bildhauerkunst. Es wurde ihm möglich,
nach Berlin zu gehen, um sich darin auf der dortigen Akademie und in
Albert Wolffs .Werkstatt auszubilden. Letzterer beschäftigte den hoch-
begabten jungen Schaper mit der Ausführung der oben genannten grossen
Arbeiten. Rasch arbeitete dieser sich zu einer selbstständigen künst-
lerischen Stellung empor. Er modellirte 1866 eine Gruppe idealen Genres,
„Bacchus, die verlassene Ariadne tröstend“, und trug in der Konkurrenz
um ein Uhlanddenkmal den ersten Preis davon. Solcher Siege hat
er in der folgenden Zeit vielleicht mehr als irgend ein anderer deutscher
Bildhauer zu verzeichnen gehabt. Er errang sie im Wettkampf um die
Ausführung der Denkmale für Gneist in Braunschweig, für Bismarck und
Moltke in Köln, für Goethe in Berlin, für Lessing in Hamburg, für General
v. Göben in Coblenz, für Luther in Halle, der kolossalen Victoriastatue in

der Herrscherhalle des Berliner Zeughauses. Schapers künstlerisches Na-
turell ist keines von den stürmischen, leidenschaftlichen, die zum Kühnen

und Uebermächtigen drängen. Alles Gewaltsame, Formlose, Rohe und
Wilde liegt ihm fern. Maassvoll und harmonisch in seiner ganzen Anlage
und Sinnesart, ist er es jederzeit auch in seinem Schaffen und Bilden ge-
wesen. Immer bleibt er rein und edel in den Formen und Linien, korrekt,
klar, ansprechend, den vorherrschenden Geschmack des gebildeten Publi-
kums nicht brüskirend und verletzend. Bestimmte geschichtliche Persönlich-
keiten, Helden des Geistes und des Schwertes, in monumentalen Statuen
so treffend darzustellen, dass wir den Kern ihres Wesens, die Eigenart
darin verkörpert zu sehen meinen, um derentwillen ihr Volk sie verehrt
und bewundert, und anmutige, liebliche oder hoheitsvolle Gestalten aus
dem weiten Reich der Phantasie, holde Göttinnen, Genien, Allegorien zu
bilden, zeigte Schaper sich immer gleich begabt. An seinem Göthe-
monument im Berliner Tiergarten bewährt sich seine bildnerische Kraft
in beiden Richtungen besonders glänzend.
Dies schöne Werk ist es denn auch gewesen, welches Schapers Ruhm
und Popularität mehr noch als jedes andere begründet hat. Das liebens-
würdige Marmorwerk, welches unser Holzschnitt veranschaulicht, ist nicht
erst durch einen Auftrag ins Leben gerufen, sondern eine ohne äusseren
Anlass der poetischen Inspiration des Künstlers entsprungene freie Phantasie-
schöpfung. Wie dort am Postament des Goethedenkmals fügte er auch hier
wieder die beiden anmutigsten Elemente: eine blühende nackte Knabengestalt
und die Gestalt einer jugendschönen Göttin zur Gruppe zusammen. Das
Füttern der der Venus heiligen Tauben durch Cupido, welchen sie traulich
umflattern, unter der Aufsicht der Mutter der „holdanlächelnden Kypris“,
an deren Schooss der göttliche Knabe sich schmiegt, gab ein ungemein
glückliches Motiv der Komposition, welches Schaper vortrefflich für dieselbe
zu verwerten verstanden hat. Mit gewohnter Kunst und Sorgfalt, tadellos,
schmuck und glatt aus dem Marmorblock gemeisselt, bildete die Gruppe
eine Zierde der Berliner Jubiläumsausstellung.
 
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