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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1.1887

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Nr. 10
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Papperitz, Friedrich Georg: Das Frühstück
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Koehler, Robert: Arbeiterstrike in Belgien
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https://doi.org/10.11588/diglit.48045#0113

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MODERNE KUNST.


BILDER-ERKLÄRUNGEN.

LXVII.

LXVIII.

PAS FRÜHSTÜCK
VON
G. PAPPERITZ.

Gegensätze zu dem, wie auf allen Gebieten, so auch
in der Künstlerwelt heutzutage herrschenden Brauche,
sich auf eine mehr oder weniger bestimmt umgrenzte
„Spezialität“ zu beschränken, hat Georg Papperitz bisher
eine bemerkenswerte Vielseitigkeit in Wahl und Be-
handlung seiner Vorwürfe entfaltet. Am 3. August 1846
zu Dresden geboren, empfing derselbe seine Ausbildung
an der. dortigen Akademie und von 1866 an zu Antwerpen,
studirte darauf eine Zeit lang in Paris, beteiligte sich 1870
am französischen Feldzug und nahm sodann in München
seinen Aufenthalt, der durch längere Reisen in Holland
und Italien unterbrochen ward. In weiteren Kreisen machte
ihn zuerst auf der Münchener Ausstellung von 1879 eine umfangreiche
mythologische Komposition bekannt, die sich „Ankunft in der Unterwelt“
betitelte und in ergreifender Weise die Gemütsbewegungen der Abge-
schiedenen schilderte, die Charons Nachen an das düstere Felsenthor des
Hades geführt hat. Mit Nachdruck ward an diesem Gemälde nicht nur die
gediegene Formengebung und das an den grossen italienischen Meistern
geschulte Kolorit, sondern namentlich auch die schwungvolle, durchgeistigte
Auffassung hervorgehoben und das ausgesprochene Talent des jungen
Künstlers für Leistungen grossen Stils gebührend anerkannt. Ueberraschend
wirkte es hiernach, als derselbe zwei Jahre später in dem gleichfalls höchst
beifällig aufgenommenen Genrebilde „Nach dem Diner“ sich nicht minder
der Aufgabe gewachsen zeigte, die heitere Behäbigkeit des Familienlebens
im Sinne der alten Niederländer zu ebenso anmutigem wie charakteristischem
Ausdruck zu bringen; auch das „Frühstück“, welches unser gegenwärtiges
Heft vorführt, bewegt sich mit Glück innerhalb dieser fröhlich-behaglichen
Sphäre. Mit seiner bedeutendsten Schöpfung, einer „Kreuztragung Christi“,
bekundete Papperitz auch im Fache der religiösen Malerei eine hervor-
ragende Begabung, indem er die erschütternde Tragik des Vorgangs in
überzeugender Weise zur Geltung brachte. Zum Beweise seiner Vielseitig-
keit gab er in einer Atelierszene, welche auf derselben Ausstellung zu sehen
War, eine lebendige Schilderung aus dem Künstlerleben unserer Tage,
während er auf der letzten Berliner Ausstellung in dem Gemälde „Adrian
Brouwer und seine Modelle“ ein vom Geiste der geschilderten Zeit durch-
drungenes und technisch vorzügliches kunsthistorisches Charakterbild darbot.
Auch in der Landschaft, im Stillleben und im Portr.aitfache hat Papperitz,
namentlich als feinsinniger Darsteller weiblicher Schönheiten, eine Reihe
vortrefflicher Leistungen aufzuweisen. Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass
der Künstler jüngst auch eine Gedichtsammlung unter dem Titel „In der
Dämmerung“ bei Fr. Bassermann in München erscheinen liess. S.


ARBEITERSTRIKE IN BELGIEN

VON

ROBERT KÖHLER.

enn für den alten Hauptsatz der pythagoreischen Philo-
sophie, dass das Wesen der Dinge in der Zahl bestehe,
aus dem realen Leben Beweise erbracht werden sollten,
so würden solche nicht zum mindesten jene tief ein-
greifenden sozialen Bewegungen der Gegenwart dar-
bieten, deren Kernpunkt der Kampf zwischen Kapital
und Arbeitsleistung, zwischen Reichtum und Armut
bildet. Auf der einen Seite die Zahl in Gestalt uner-
messlicher Summen, die in den Händen Einzelner angehäuft
auf dem Weltmärkte gleich gewaltigen Heeresmassen um den
Sieg ringen, auf der andern Seite die Zahl in Gestalt jener
Tausende, die, ohne Besitz, sich lediglich auf ihrer Hände


Arbeit angewiesen sehen, um für sich und die Ihrigen von Tag zu Tag
das Nötige zu erwerben, und die voll Neid und Erbitterung auf die Günst-
linge des Glückes hinblicken, ohne zu bedenken, wie viele derselben eben-

falls unter Not und Entbehrung zu seufzen hatten, ehe sie sich zu ihren
nachmaligen Verhältnissen emporgeschwungen. Durch stete Vergleiche
nähren sie den Groll gegen die Bevorzugten, denen ihre Mühen zu täg-
licher Mehrung ihres Besitzes verhelfen, und nur zu willig bieten sie den
Stimmen ihr Ohr, die ihnen einreden, dass es ja nur an ihnen liege, der
Macht der Zahl, in deren Dienst sie sich plagen, die Macht jener anderen
Zahl entgegenzustellen, die durch sie selbst, die „Sklaven des Kapitals“,
repräsentirt wird. Vermag auch der Einzelne nichts wider die Ueber-

gewalt des letzteren — wenn alle, deren Leistungen der Arbeitgeber be-
darf, ihm den Dienst aufsagen, wenn durch einen allgemeinen „Strike“ im
ganzen Lande eine Stockung der Industrie bewirkt wird, so wird es sich
ja zeigen, wer es am längsten aushält, und ob die reichen Fabrikherren,
die Besitzer der Kohlenbergwerke u. s. w. auf die Dauer gewillt sind, ihre
Interessen aufs Spiel zu setzen oder nicht doch es vorziehen, die Forde-

rungen der Arbeiter zu erfüllen, die nötigenfalls Wochen und Monate lang
sich und ihren Familien die härtesten Entbehrungen auferlegen.
Es konnte nicht ausbleiben, dass die an aufregenden Szenen so reichen
Konflikte, welche die soziale Bewegung mit sich bringt, auch in der Litte-
ratur — es sei nur erinnert an Zolas „Germinal“ — wie in der bildenden

Kunst der Gegenwart ihr Echo fanden; namentlich in Frankreich kam es
durch G. Courbet und andere Vertreter der realistischen und impressio-
nistischen Richtung in Aufnahme, das Elend der untersten Volksschichten
in sensationellen Gemälden vorzuführen. Vollkommen frei von tendenziöser

Parteinahme hält sich dagegen die Schilderung, zu welcher Robert Köhler
die belgische Arbeiterbewegung des Jahres 1886 den Stoff bot. In dem
gewählten Moment ist der Streit noch nicht in Gewaltsamkeit ausgeartet,
allein die Arbeit in der Fabrik ist eingestellt, die Arbeiter haben sich vor
den Geschäftsräumen zusammengerottet, und ihre drohenden Geberden wie

I. 10.
 
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