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Oswald Haerdtl, Wien. Eingang in die Ausstellung
ÖSTERREICHISCHER WERKBUND 1930
Mit zwei Zeichnungen und 28 Aufnahmen von Reifenstein und J. Scherb, Wien. Besprochen von Prof. Dr. Max Eisler, Wien
Der Deutsche Werkbund hat seine diesjährige Tagung nach
Wien verlegt. Begreiflich, daß die Wiener alles daran ge-
setzt haben, um ihre Gäste angemessen zu empfangen. Diesem
Anlaß verdanken wir die große Ausstellung des Oesterreichi-
schen Werkbundes im Museum an der Wollzeile.
Ihre Ursache liegt tiefer. Aber wir wollen uns vorderhand
an den Anlaß halten, um sagen zu können, daß er zu einer
überaus anziehenden und festlichen Veranstaltung geführt hat.
Ein Fest, aber keine Parade. Das werden — nach den deut-
schen Werkbundleuten — die übrigen Besucher aus dem Reiche
vielleicht am besten empfinden. Denn, ans Korrekte und Ener-
gische gewöhnt, werden sie sich hier von einem anderen, schön
bewegten Geist, von einem feinen Lebenssinn und von einer
Fülle leicht erregter, hochentwickelter Begabungen umgeben
sehen. Das heißt: schon bevor sie zur genaueren Betrachtung
kommen, wird die Atmosphäre des Wiener Talents — Ge-
schmack und Rhythmus — bestrickend auf sie wirken. Das
Weitere wird — gleich unversehens und erfreulich — die An-
lage der Ausstellung, ein Werk Josef Hoffmanns, besorgen. Klar
und geräumig, setzt sie die weiß bespannte, zeltartige Haupt-
halle in offene Verbindung mit der Cafeterrasse und dem
Garten, während die eigentlichen Ausstellungsräume seitwärts
bleiben, so daß man rein im Gehen und Verweilen seine Lust
finden oder aber dem Sehenswerten sich ungeteilt zuwenden
kann. In diesem Ineinandergreifen eines äußerst angenehmen
Aufenthaltes und einer abgesonderten Darbietung der Werk-
bundarbeit scheint uns die beste Eigenschaft der Raumführung
gelegen. Man ersieht das aus dem Benehmen der Besucher.
Sie verhalten sich hier anders als sonst, nicht wie Kunst-
wanderer, die angestrengt und in einem Zuge ihr Pe isum
absolvieren. Sic lassen sich Zeit. Sie finden ihr Vergnügen
daran, eine Weile draußen zu sitzen und dann wieder von
Oswald Haerdtl, Wien. Eingang in die Ausstellung
ÖSTERREICHISCHER WERKBUND 1930
Mit zwei Zeichnungen und 28 Aufnahmen von Reifenstein und J. Scherb, Wien. Besprochen von Prof. Dr. Max Eisler, Wien
Der Deutsche Werkbund hat seine diesjährige Tagung nach
Wien verlegt. Begreiflich, daß die Wiener alles daran ge-
setzt haben, um ihre Gäste angemessen zu empfangen. Diesem
Anlaß verdanken wir die große Ausstellung des Oesterreichi-
schen Werkbundes im Museum an der Wollzeile.
Ihre Ursache liegt tiefer. Aber wir wollen uns vorderhand
an den Anlaß halten, um sagen zu können, daß er zu einer
überaus anziehenden und festlichen Veranstaltung geführt hat.
Ein Fest, aber keine Parade. Das werden — nach den deut-
schen Werkbundleuten — die übrigen Besucher aus dem Reiche
vielleicht am besten empfinden. Denn, ans Korrekte und Ener-
gische gewöhnt, werden sie sich hier von einem anderen, schön
bewegten Geist, von einem feinen Lebenssinn und von einer
Fülle leicht erregter, hochentwickelter Begabungen umgeben
sehen. Das heißt: schon bevor sie zur genaueren Betrachtung
kommen, wird die Atmosphäre des Wiener Talents — Ge-
schmack und Rhythmus — bestrickend auf sie wirken. Das
Weitere wird — gleich unversehens und erfreulich — die An-
lage der Ausstellung, ein Werk Josef Hoffmanns, besorgen. Klar
und geräumig, setzt sie die weiß bespannte, zeltartige Haupt-
halle in offene Verbindung mit der Cafeterrasse und dem
Garten, während die eigentlichen Ausstellungsräume seitwärts
bleiben, so daß man rein im Gehen und Verweilen seine Lust
finden oder aber dem Sehenswerten sich ungeteilt zuwenden
kann. In diesem Ineinandergreifen eines äußerst angenehmen
Aufenthaltes und einer abgesonderten Darbietung der Werk-
bundarbeit scheint uns die beste Eigenschaft der Raumführung
gelegen. Man ersieht das aus dem Benehmen der Besucher.
Sie verhalten sich hier anders als sonst, nicht wie Kunst-
wanderer, die angestrengt und in einem Zuge ihr Pe isum
absolvieren. Sic lassen sich Zeit. Sie finden ihr Vergnügen
daran, eine Weile draußen zu sitzen und dann wieder von