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NEUE WIENER WOHNRÄUME
Zur Sommerausstellung im Künstlerhaus. Mit 19 Aufnahmen von J. Scherb, Wien
Auch das Künstlerhaus am Karlsplatz, das Haus der ältesten
Wiener Kunstvereinigung, muß dem Zug der Zeit folgen.
Durch Generationen eine Schaustätte der Malerei und Skulp-
tur, zeigt es seit einigen Jahren nun auch die Arbeit der
angewandten Künste. Das begann auf den Weihnachtsaus-
stellungen mit etwas Handwerk und Möbel, später sah man
schon einzelne eingerichtete
Innenräume und jetzt hat —
abgesehen von dem Saal der
Bauschule Behrens-Popp und
den Räumen des Buches und
des Kunstgewerbes — dieWoh-
nung beide Stockwerke des
Gebäudes okkupiert. Aus
einem bescheidenen Akt der
Wirtschaftshilfe ist ein pro-
grammatisches Unternehmen
geworden. Jedenfalls aber
zeigt kein anderes Beispiel so
klar, wie rapid in den letzten
Jahren das Interesse auch des
konservativen Publikums für
die freien Künste gefallen,
wie sehr seine Aufmerksam-
keit für den Raum und seine
Einrichtung gestiegen ist.
Zu ebener Erde wird ein
erstes Mal versucht, eine ganze
Wohnung — Vorzimmer und
Garderobe, Empfangsraum,
Wohnstube, Speisezimmer,
Schlafraum, Ankleideraum der
Stephan Simony, Wien — Philipp Krabina
Aus einem Schlafraum
Dame und endlich einen Raum
in einem Gartenpavillon —
von verschiedenen Künstlern
durchführen zu lassen. Aber, genau genommen, geht es schon
hier um eine Folge von Einzelräumen, d. h. um eine An-
einanderreihung und nicht um einen aus einem funktionellen
Grundriß entwickelten Zusammenhang. Dazu kommen im
Parterre zwei Einwohnräume — der eine für eine werktätige
Frau, der zweite für einen Junggesellen — und im Ober-
stock — von der Küche bis zur Bücherei und zum Salon —
Interieurs unterschiedlichster Bestimmung.
Unter den Architekten, die hier mitgetan haben, finden
sich bekannte Namen, deren Arbeitsweise in unseren Blättern
bei Gelegenheit schon eingehend beschrieben und gewürdigt
worden ist. Doch neben ihnen erscheinen auch einige junge
Künstler, auf die auch ein notgedrungen so kurzer Bericht
wie der vorliegende mit besonderem Nachdruck hinweisen
möchte. Es sind Schüler von Behrens und Holzmeister,
Hoffmann und Strnad. Und sie verleugnen nicht ihre Schulen.
Beweglich, hell und geräumig Otto Niedermoser und die
Arbeitsgemeinschaft Schlesinger und Wiesner, sehr besonnen
und entschieden durchgearbei-
tet der Raum von Hans Matu-
schek, kräftiger noch auf das
farbige und plastische Möbel
eingestellt Hans Puffer, Leo-
pold Herrlosh, Willy Legler
und Stephan Simony, sauber,
schlicht und klar das Speise-
zimmer von Anton Ubl. Sorg-
fältig und hingegeben alle,
keiner spielerisch, die Besten
von einer bei solcher Jugend
besonders sympathischen
Selbstbeherrschung. Diese Ju-
gend gezeigt zu haben, ist
nicht das geringste Verdienst
der Ausstellung.
Im Ganzen tritt hier das
nach dem Entwurf der Archi-
tekten gearbeitete Tischler-
möbel hervor. Es behauptet
auch in seinen neuen Haltun-
gen den vortrefflichen Ruf
des Wiener Handwerkes. Es
behauptet auch in dieser
schwierigen Zeit seinen Le-
bensmut und seinen Charakter.
Denn es braucht heute eine
ungewöhnliche moralische
Energie, um — fast ohne Aussicht auf einen materiellen
Erfolg — ein Unternehmen wie dieses zu wagen.
Der Plan der Ausstellung, ihre Anlage, die Säle des
Kunstgewerbes und der Bücher, eine Reihe von Wohnräumen
und Einrichtungen und nicht zuletzt der wirksame Apell
an das Wiener Handwerk — das. alles kommt von Otto
Prutscher. Er hat eine Unsumme von Arbeit geleistet. Sie
war auch diesmal, im Sinne seiner Vergangenheit, auf die
Organisation der Tüchtigkeit, auf die Verständigung mit
dem bürgerlichen Geschmack gerichtet, der schrittweis zu
besseren Einsichten geführt sein will. Und in diesem Sinn war
es ein höchst respektables Stück sozialer Arbeit. Max Eisler
NEUE WIENER WOHNRÄUME
Zur Sommerausstellung im Künstlerhaus. Mit 19 Aufnahmen von J. Scherb, Wien
Auch das Künstlerhaus am Karlsplatz, das Haus der ältesten
Wiener Kunstvereinigung, muß dem Zug der Zeit folgen.
Durch Generationen eine Schaustätte der Malerei und Skulp-
tur, zeigt es seit einigen Jahren nun auch die Arbeit der
angewandten Künste. Das begann auf den Weihnachtsaus-
stellungen mit etwas Handwerk und Möbel, später sah man
schon einzelne eingerichtete
Innenräume und jetzt hat —
abgesehen von dem Saal der
Bauschule Behrens-Popp und
den Räumen des Buches und
des Kunstgewerbes — dieWoh-
nung beide Stockwerke des
Gebäudes okkupiert. Aus
einem bescheidenen Akt der
Wirtschaftshilfe ist ein pro-
grammatisches Unternehmen
geworden. Jedenfalls aber
zeigt kein anderes Beispiel so
klar, wie rapid in den letzten
Jahren das Interesse auch des
konservativen Publikums für
die freien Künste gefallen,
wie sehr seine Aufmerksam-
keit für den Raum und seine
Einrichtung gestiegen ist.
Zu ebener Erde wird ein
erstes Mal versucht, eine ganze
Wohnung — Vorzimmer und
Garderobe, Empfangsraum,
Wohnstube, Speisezimmer,
Schlafraum, Ankleideraum der
Stephan Simony, Wien — Philipp Krabina
Aus einem Schlafraum
Dame und endlich einen Raum
in einem Gartenpavillon —
von verschiedenen Künstlern
durchführen zu lassen. Aber, genau genommen, geht es schon
hier um eine Folge von Einzelräumen, d. h. um eine An-
einanderreihung und nicht um einen aus einem funktionellen
Grundriß entwickelten Zusammenhang. Dazu kommen im
Parterre zwei Einwohnräume — der eine für eine werktätige
Frau, der zweite für einen Junggesellen — und im Ober-
stock — von der Küche bis zur Bücherei und zum Salon —
Interieurs unterschiedlichster Bestimmung.
Unter den Architekten, die hier mitgetan haben, finden
sich bekannte Namen, deren Arbeitsweise in unseren Blättern
bei Gelegenheit schon eingehend beschrieben und gewürdigt
worden ist. Doch neben ihnen erscheinen auch einige junge
Künstler, auf die auch ein notgedrungen so kurzer Bericht
wie der vorliegende mit besonderem Nachdruck hinweisen
möchte. Es sind Schüler von Behrens und Holzmeister,
Hoffmann und Strnad. Und sie verleugnen nicht ihre Schulen.
Beweglich, hell und geräumig Otto Niedermoser und die
Arbeitsgemeinschaft Schlesinger und Wiesner, sehr besonnen
und entschieden durchgearbei-
tet der Raum von Hans Matu-
schek, kräftiger noch auf das
farbige und plastische Möbel
eingestellt Hans Puffer, Leo-
pold Herrlosh, Willy Legler
und Stephan Simony, sauber,
schlicht und klar das Speise-
zimmer von Anton Ubl. Sorg-
fältig und hingegeben alle,
keiner spielerisch, die Besten
von einer bei solcher Jugend
besonders sympathischen
Selbstbeherrschung. Diese Ju-
gend gezeigt zu haben, ist
nicht das geringste Verdienst
der Ausstellung.
Im Ganzen tritt hier das
nach dem Entwurf der Archi-
tekten gearbeitete Tischler-
möbel hervor. Es behauptet
auch in seinen neuen Haltun-
gen den vortrefflichen Ruf
des Wiener Handwerkes. Es
behauptet auch in dieser
schwierigen Zeit seinen Le-
bensmut und seinen Charakter.
Denn es braucht heute eine
ungewöhnliche moralische
Energie, um — fast ohne Aussicht auf einen materiellen
Erfolg — ein Unternehmen wie dieses zu wagen.
Der Plan der Ausstellung, ihre Anlage, die Säle des
Kunstgewerbes und der Bücher, eine Reihe von Wohnräumen
und Einrichtungen und nicht zuletzt der wirksame Apell
an das Wiener Handwerk — das. alles kommt von Otto
Prutscher. Er hat eine Unsumme von Arbeit geleistet. Sie
war auch diesmal, im Sinne seiner Vergangenheit, auf die
Organisation der Tüchtigkeit, auf die Verständigung mit
dem bürgerlichen Geschmack gerichtet, der schrittweis zu
besseren Einsichten geführt sein will. Und in diesem Sinn war
es ein höchst respektables Stück sozialer Arbeit. Max Eisler