DIPLOMATEN AN DIE FRONT
Für die Kaffeier Akademie war Schmidt-Rottluff als Direktor vorgelehen, ein Künft-
ler von Rang, ein aufrechter unabhängiger Menlch. „Kaffel" lehnte ihn ab. Ein
Schmidt-Rottluff ilt nicht genehm, nicht bequem.
Für die Gewerklchaften hat Max Taut zweimal gebaut, mit großem künftlerifchen
Erfolg. Sein Bürohaus in der Inlelftrafje bezeichnet eine Wendung in der Bauge-
Ichichte des ADGB., fein Buchdruckerhaus in der Dreibundffrafje ilt ein Meilterwerk.
M ax Taut, ein Künftler von Rang, ein aufrechter unabhängiger Menfch, war dem
Bauherrn nicht genehm, nicht bequem. Der ADGB. lehnt ihn für die Zukunft ab.
Zwar gewinnt Max Taut den erften Preis im Wettbewerb für die Erweiterung feines
Baues in der Infelftraf^e, und zwar nach einftimmigem Urteil der Preisrichter, aber
den Bau erhält er nicht.
Statt Max Taut wird alfo Walter Würzbach, von dem bisher nur mondäne Arbeiten
bekannt wurden, den Bau Max Tauts weiterführen.
Für die Sezeffion war es einmal Ziel des Ehrgeizes, eine Richtung, die den Mäch-
tigen ganz und gar nicht paf)te, kämpfend durchzufefyen. Das Schimpfwort „Rinn-
fteinkunft" nahm fie aufrecht und unabhängig an. Sie ftellte Conftantin Meunier aus
und Zille und Balufchek, Arbeiter und Proletenbilder. Das Thema ift heute den
Gönnern der „Sezelfion" nicht mehr genehm und bequem. Die jetzige Plaftik-Aus-
ftellung iTt fo rein arkadifch, fo fauber paradiefifch, dafj gewify kein Plutokrat ver-
ftimmt werden kann.
Statt einer Richtung ift die Sezeffion heute eine Schichtung, Lieferantin einer be-
(timmten Gefellfchaftsfchicht, garantiert proletenrein.
Für Caffirer, für Gurlitt war es einmal nobile officum, junge Talente zu entdecken
und durchzufe^en. Widerftände ermutigten fie, und ihrem Mute verdanken fie ihren
Erfolg und ihren Ruhm. Heute machen fie nur tödlichere Sachen. Obwohl der
Salon Caffirer aus den Auktionen alter Kunft gewaltige Summen gewinnt, die ihn
aufrecht und unabhängig machen könnten, ift er feiner Antiquitätenkundfchaft fo
genehm und bequem wie möglich. Nur ein paar kleinere und kleinfte Salons, die
nichts zu verlieren haben, wagen es noch, junge Talente auszuftellen. Aber es find
das nicht die Salons, in denen die „Welt" kauft.
Was wird überhaupt gekauft? Ein hübfches Frauenbild des Ghirlandajo kam bei
Caffirer auf 750000 Mark. Ein allerdings viel weniger glatter Chriftuskopf von Rem-
brandt, leicht proletarifch wirkend, kam nicht einmal auf 150000 Mark.
Wo junge Künftler in diefen Monaten ausftellten, ging kaum ein gutes Bild nicht
in das Atelier zurück, und unter den Ausftellern waren ganz ausgezeichnete Talente.
Aber in der Doffena-Ausftellung wurde gekauft.
Statt Jugend und Originalität die raffinierte Kopie, der faft perverfe Kult neu ge-
machten, alt gefpielten Verfalls.
Statt der magifchen Gewalt anonymer Negerkunft ein „(chwarzer Raffael", der
feine Bilder ordentlich mit feinem Namen Kalifala Sidibe figniert.
„Alle, die ihn getroffen haben, (childern ihn als ein lächelndes und liebenswürdiges
Wefen", und dasfelbe erzählt uns Dr. Cürrlis, der ihn filmte, von Alceo Doffena.
Der Verlag Reckendorf erklärt fich bereit, das Bild eines jungen modernen Künlt-
lers aus feiner Kunftblatt-Ausftellung für das Kronprinzenpalais zu (tiften, und es
find doch Bilder dabei von Scholz, von Schlichter, von Röhl, von Driefch. Doch
Jufti wählt auch in diefem Glücksfall die biedermeierlichfte Anfichtskarte.
Nie war Deutfchland plutokratifcher als heute, und in der Kunft drückt [ich die Ge-
finnung der Plutokratie klar und deutlich aus. Alles macht die Wendung zum mon-
ALCEO DOSSENA
St. Antonius
St. Anthony
Saint-Antoine
ALCEO DOSSENA
Bildnisbüfte in Marmor
Marble Bust
Büste en marbre
Junger Bauer aus dem Eilenftein-Film „Der Kampf um die
Erde” (Die Generallinie) • Young Peasant from Mr. Eisen-
stein's film „The Fight for ihe Earth” (The General Line)
Jeune Paysan, figure du film de M. Eisenstein „La Bataille
pour la Terre” (La Ligne generale), produit par la Prome-
theus Film A. G., Berlin
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Für die Kaffeier Akademie war Schmidt-Rottluff als Direktor vorgelehen, ein Künft-
ler von Rang, ein aufrechter unabhängiger Menlch. „Kaffel" lehnte ihn ab. Ein
Schmidt-Rottluff ilt nicht genehm, nicht bequem.
Für die Gewerklchaften hat Max Taut zweimal gebaut, mit großem künftlerifchen
Erfolg. Sein Bürohaus in der Inlelftrafje bezeichnet eine Wendung in der Bauge-
Ichichte des ADGB., fein Buchdruckerhaus in der Dreibundffrafje ilt ein Meilterwerk.
M ax Taut, ein Künftler von Rang, ein aufrechter unabhängiger Menfch, war dem
Bauherrn nicht genehm, nicht bequem. Der ADGB. lehnt ihn für die Zukunft ab.
Zwar gewinnt Max Taut den erften Preis im Wettbewerb für die Erweiterung feines
Baues in der Infelftraf^e, und zwar nach einftimmigem Urteil der Preisrichter, aber
den Bau erhält er nicht.
Statt Max Taut wird alfo Walter Würzbach, von dem bisher nur mondäne Arbeiten
bekannt wurden, den Bau Max Tauts weiterführen.
Für die Sezeffion war es einmal Ziel des Ehrgeizes, eine Richtung, die den Mäch-
tigen ganz und gar nicht paf)te, kämpfend durchzufefyen. Das Schimpfwort „Rinn-
fteinkunft" nahm fie aufrecht und unabhängig an. Sie ftellte Conftantin Meunier aus
und Zille und Balufchek, Arbeiter und Proletenbilder. Das Thema ift heute den
Gönnern der „Sezelfion" nicht mehr genehm und bequem. Die jetzige Plaftik-Aus-
ftellung iTt fo rein arkadifch, fo fauber paradiefifch, dafj gewify kein Plutokrat ver-
ftimmt werden kann.
Statt einer Richtung ift die Sezeffion heute eine Schichtung, Lieferantin einer be-
(timmten Gefellfchaftsfchicht, garantiert proletenrein.
Für Caffirer, für Gurlitt war es einmal nobile officum, junge Talente zu entdecken
und durchzufe^en. Widerftände ermutigten fie, und ihrem Mute verdanken fie ihren
Erfolg und ihren Ruhm. Heute machen fie nur tödlichere Sachen. Obwohl der
Salon Caffirer aus den Auktionen alter Kunft gewaltige Summen gewinnt, die ihn
aufrecht und unabhängig machen könnten, ift er feiner Antiquitätenkundfchaft fo
genehm und bequem wie möglich. Nur ein paar kleinere und kleinfte Salons, die
nichts zu verlieren haben, wagen es noch, junge Talente auszuftellen. Aber es find
das nicht die Salons, in denen die „Welt" kauft.
Was wird überhaupt gekauft? Ein hübfches Frauenbild des Ghirlandajo kam bei
Caffirer auf 750000 Mark. Ein allerdings viel weniger glatter Chriftuskopf von Rem-
brandt, leicht proletarifch wirkend, kam nicht einmal auf 150000 Mark.
Wo junge Künftler in diefen Monaten ausftellten, ging kaum ein gutes Bild nicht
in das Atelier zurück, und unter den Ausftellern waren ganz ausgezeichnete Talente.
Aber in der Doffena-Ausftellung wurde gekauft.
Statt Jugend und Originalität die raffinierte Kopie, der faft perverfe Kult neu ge-
machten, alt gefpielten Verfalls.
Statt der magifchen Gewalt anonymer Negerkunft ein „(chwarzer Raffael", der
feine Bilder ordentlich mit feinem Namen Kalifala Sidibe figniert.
„Alle, die ihn getroffen haben, (childern ihn als ein lächelndes und liebenswürdiges
Wefen", und dasfelbe erzählt uns Dr. Cürrlis, der ihn filmte, von Alceo Doffena.
Der Verlag Reckendorf erklärt fich bereit, das Bild eines jungen modernen Künlt-
lers aus feiner Kunftblatt-Ausftellung für das Kronprinzenpalais zu (tiften, und es
find doch Bilder dabei von Scholz, von Schlichter, von Röhl, von Driefch. Doch
Jufti wählt auch in diefem Glücksfall die biedermeierlichfte Anfichtskarte.
Nie war Deutfchland plutokratifcher als heute, und in der Kunft drückt [ich die Ge-
finnung der Plutokratie klar und deutlich aus. Alles macht die Wendung zum mon-
ALCEO DOSSENA
St. Antonius
St. Anthony
Saint-Antoine
ALCEO DOSSENA
Bildnisbüfte in Marmor
Marble Bust
Büste en marbre
Junger Bauer aus dem Eilenftein-Film „Der Kampf um die
Erde” (Die Generallinie) • Young Peasant from Mr. Eisen-
stein's film „The Fight for ihe Earth” (The General Line)
Jeune Paysan, figure du film de M. Eisenstein „La Bataille
pour la Terre” (La Ligne generale), produit par la Prome-
theus Film A. G., Berlin
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