BEMERKUNGEN ZU BÜCHERN UND Z E I T S C H R I F T E N
Noch einmal das „Mufeum der Gegenwart".
In einigen Heften des lebten Jahres ift an diefer Stelle von
Freunden und Gegnern überdas „Mufeum der Gegenwart“ ge-
fprochen worden.
Nun tritt (oeben eine neue Zeitfchrift auf den Plan, die fich dielen
Titel zulegt: „M u fe u m der Gegenwart. Zeitfchrift der
deutfchen Mufeen für neuere Kunft". Sie wird in Verbin-
dung mit einigen jüngeren Mufeumsdirektoren (Dorner, Hartlaub,
Wartmann, Sauerlandt u. a.) vom Direktor der Berliner National-
galerie, Ludwig Jufti, herausgegeben (Verlag Ernft Rathenau,
Berlin) und bringt in ihrem I. Heft neben dem Programm Juftis
Auffäße aus dem Kreife der Herausgeber. Themen : Die deutfchen
Mufeen und die deutfche Gegenwartskunft (Sauerlandt), Erich
Heckeis Triptychon aus dem Jahre 1913 (Gofebruch). Das über-
finnliche bei Paul Klee (Schardt) u. a. Mit andern Worten: Man
unterhält (ich darüber, in welcher Weife Malerei und Plaftik der
Gegenwart — Expreffionismus und was auf ihn folgte — für die
Mufeen angekauft wird, und welche Werte diefer Kunft innewoh-
nen. Man beginnt alfo an einem Punkte, der von der deutfchen
und ausländifchen Mufeumspolitik z. T. fchon vor dem Kriege
erreicht war und befchreibt eine Sammeltätigkeit, die fchon längft
ihre Früchte trug und für jedes halbwegs gute Mufeum eine
Selbftverftändlichkeit geworden ift.
Gerade, weil (ich die Zeitfchrift einen Namen gegeben hat, mit
dem fchon ganz andere Vorftellungen verbunden werden, fei es
geftattet, hier auf die Fruchtlofigkeit diefes Programmes aufmerk-
fam zu machen. Eine neue Zeitfchrift ohne eine neue oder auch
nur umkämpfte Idee — welcher Luxus! Gerade die Mufeums-
direktoren, die bei den heutigen Verhältniffen mit jedem Pfennig
rechnen müffen, werden die Enftäufchung verftehen, welche die-
fes ihr Organ mit dem Programm von 1910 im Jahre 1930 auslöft.
„Mufeum der Gegenwart“ das kann heute nur eine Sammlung
oder ein Inftitut fein, welches (ich in ganz lebendiger Form mit
den Fragen der heutigen Lebensgeftaltung auseinanderfeßt, wozu
wirklich nicht nur die einftigen „Bildenden Künfte“, fondern eben
alles gehört, was dem Menfchen und nicht nur dem befitzenden
Bürger an geftalteter oder zu geftaltender Form in Stadt, Strafe,
Haus, Wohnung, Garten, Beruf, Hygiene, Politik, Erziehung ent-
gegentritt! Wir wollen hoffen, daß die folgenden Hefte der Zeit-
fchrift von diefem großen Reiche einige Ausfchnitte bringen, und
daß die Auffäße von diefen Problemen etwas erkennen taffen
werden. Gelingt es dann der Zeitfchrift in ihren eigenen Kreifen,
d. h. eben in den deutfchen Sammlungen und ihren periodifchen
Ausheilungen, diefen Ideen zur Geltung zu verhelfen, dann hat
fie eine fchöne und große Aufgabe erfüllt.
Ein Sonderheft von „Praefens".
Wir haben fchon auf das Erfcheinen diefer Publikation aufmerkfam
gemacht. Die Gruppe „Praefens“, die aus wenigen Architekten
und Malern befteht und wohl die (tärkften Kräfte des jungen Polen
vereinigt, legt mit diefem ftattlichen Bande ein außergewöhnliches
Zeugnis ihrer Aktivität ab. Man muß die Auffäße und Bilder auf
diefen 200 Seiten vor allem unter dem Gefichtspunkte ihrer Wir-
kung auf ein Land betrachten, in dem das neue Bauen nur zögernd
Fuß faßt.
In dem einleitenden Auffaß „Le dynamisme de l'architecture mo-
derne" rollt der Herausgeber S. Syrkus den ganzen Fragen-
komplex des neuen Bauens nach der technifchen wie äfthetifchen
Seite hin noch einmal breit und refolut auf. Es folgen dann die
intereffanten Arbeiten der Mitglieder der Gruppe „Praefens“ —
worunter als wichtigfte Lächert und Szanajca fowie Syrkus felbff —,
ferner Auffäße von Piotrowfki, Niemojewfki, Oud, van Eefteren,
Pronaszko, Mondrian, Flouquetu.a. Die Proben polnifcher Male-
rei überzeugen nicht fehr und ftehen faft ganz im Schatten der
abftrakten Bilder aus Wefteuropa. In dem Kapitel Theater und
Film : ein ausgezeichneterEntwurf von Syrkus, Auffäße von Moholy-
Nagy, Richter u. a.
Eine Beobachtung in diefem fchönen Heft ift erftaunlich: daß fich
offenbar auch das junge Polen gegen Rußland faft ganz abfchließt,
troß aller fprachlichen und ralfemäßigen Verwandtfchaft. Es find
fehr viele Dokumente aus Wefteuropa, und nicht immer die beften,
herangezogen; aus Rußland faft nichts. Politifche Gründe? Auch
hier, in einer fo fehr international empfindenden und arbeitenden
Gruppe junger Menfchen?
Lexika
Ein impofantes Unternehmen hat der Verlag Ernft Wasmuth A.-G.,
Berlin, begonnen: er gibt ein vierbändiges Lexikon der Bau-
kunft heraus, das in einer großen überficht alle die Architektur
berührenden Gebiete — Gefchichte, Konftruktion, Materialien,
Baurecht, Städte, Einzelbauten, Architekten etc. — behandelt und
in feiner gewiffenhaften Ausführlichkeit kaum einen Gegenftand
überfieht. Günther Wasmuth zeichnet für die Herausgabe,
Leo Adler für die Redaktion. Der erfte Band mit feinen 700
Seiten und mehreren hundert Abbildungen gibt einen Begriff von
der immenfen Arbeit, die hier geleiftet worden ift. Von befonderer
Wichtigkeit ift die Erklärung der zahlreichen neuen Baumaterialien
und Konftruktionsdetails, die die neue Architektur an den Tag ge-
bracht hat, ferner die Artikel über orientalifche Baukunft (von Oskar
Reuther), die Abhandlungen über einzelne Städte ufw.
Wir werden nach Erfcheinen der folgenden Bände auf einzelne
prinzipiell wichtige Artikel noch zurückkommen. Gantner.
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Noch einmal das „Mufeum der Gegenwart".
In einigen Heften des lebten Jahres ift an diefer Stelle von
Freunden und Gegnern überdas „Mufeum der Gegenwart“ ge-
fprochen worden.
Nun tritt (oeben eine neue Zeitfchrift auf den Plan, die fich dielen
Titel zulegt: „M u fe u m der Gegenwart. Zeitfchrift der
deutfchen Mufeen für neuere Kunft". Sie wird in Verbin-
dung mit einigen jüngeren Mufeumsdirektoren (Dorner, Hartlaub,
Wartmann, Sauerlandt u. a.) vom Direktor der Berliner National-
galerie, Ludwig Jufti, herausgegeben (Verlag Ernft Rathenau,
Berlin) und bringt in ihrem I. Heft neben dem Programm Juftis
Auffäße aus dem Kreife der Herausgeber. Themen : Die deutfchen
Mufeen und die deutfche Gegenwartskunft (Sauerlandt), Erich
Heckeis Triptychon aus dem Jahre 1913 (Gofebruch). Das über-
finnliche bei Paul Klee (Schardt) u. a. Mit andern Worten: Man
unterhält (ich darüber, in welcher Weife Malerei und Plaftik der
Gegenwart — Expreffionismus und was auf ihn folgte — für die
Mufeen angekauft wird, und welche Werte diefer Kunft innewoh-
nen. Man beginnt alfo an einem Punkte, der von der deutfchen
und ausländifchen Mufeumspolitik z. T. fchon vor dem Kriege
erreicht war und befchreibt eine Sammeltätigkeit, die fchon längft
ihre Früchte trug und für jedes halbwegs gute Mufeum eine
Selbftverftändlichkeit geworden ift.
Gerade, weil (ich die Zeitfchrift einen Namen gegeben hat, mit
dem fchon ganz andere Vorftellungen verbunden werden, fei es
geftattet, hier auf die Fruchtlofigkeit diefes Programmes aufmerk-
fam zu machen. Eine neue Zeitfchrift ohne eine neue oder auch
nur umkämpfte Idee — welcher Luxus! Gerade die Mufeums-
direktoren, die bei den heutigen Verhältniffen mit jedem Pfennig
rechnen müffen, werden die Enftäufchung verftehen, welche die-
fes ihr Organ mit dem Programm von 1910 im Jahre 1930 auslöft.
„Mufeum der Gegenwart“ das kann heute nur eine Sammlung
oder ein Inftitut fein, welches (ich in ganz lebendiger Form mit
den Fragen der heutigen Lebensgeftaltung auseinanderfeßt, wozu
wirklich nicht nur die einftigen „Bildenden Künfte“, fondern eben
alles gehört, was dem Menfchen und nicht nur dem befitzenden
Bürger an geftalteter oder zu geftaltender Form in Stadt, Strafe,
Haus, Wohnung, Garten, Beruf, Hygiene, Politik, Erziehung ent-
gegentritt! Wir wollen hoffen, daß die folgenden Hefte der Zeit-
fchrift von diefem großen Reiche einige Ausfchnitte bringen, und
daß die Auffäße von diefen Problemen etwas erkennen taffen
werden. Gelingt es dann der Zeitfchrift in ihren eigenen Kreifen,
d. h. eben in den deutfchen Sammlungen und ihren periodifchen
Ausheilungen, diefen Ideen zur Geltung zu verhelfen, dann hat
fie eine fchöne und große Aufgabe erfüllt.
Ein Sonderheft von „Praefens".
Wir haben fchon auf das Erfcheinen diefer Publikation aufmerkfam
gemacht. Die Gruppe „Praefens“, die aus wenigen Architekten
und Malern befteht und wohl die (tärkften Kräfte des jungen Polen
vereinigt, legt mit diefem ftattlichen Bande ein außergewöhnliches
Zeugnis ihrer Aktivität ab. Man muß die Auffäße und Bilder auf
diefen 200 Seiten vor allem unter dem Gefichtspunkte ihrer Wir-
kung auf ein Land betrachten, in dem das neue Bauen nur zögernd
Fuß faßt.
In dem einleitenden Auffaß „Le dynamisme de l'architecture mo-
derne" rollt der Herausgeber S. Syrkus den ganzen Fragen-
komplex des neuen Bauens nach der technifchen wie äfthetifchen
Seite hin noch einmal breit und refolut auf. Es folgen dann die
intereffanten Arbeiten der Mitglieder der Gruppe „Praefens“ —
worunter als wichtigfte Lächert und Szanajca fowie Syrkus felbff —,
ferner Auffäße von Piotrowfki, Niemojewfki, Oud, van Eefteren,
Pronaszko, Mondrian, Flouquetu.a. Die Proben polnifcher Male-
rei überzeugen nicht fehr und ftehen faft ganz im Schatten der
abftrakten Bilder aus Wefteuropa. In dem Kapitel Theater und
Film : ein ausgezeichneterEntwurf von Syrkus, Auffäße von Moholy-
Nagy, Richter u. a.
Eine Beobachtung in diefem fchönen Heft ift erftaunlich: daß fich
offenbar auch das junge Polen gegen Rußland faft ganz abfchließt,
troß aller fprachlichen und ralfemäßigen Verwandtfchaft. Es find
fehr viele Dokumente aus Wefteuropa, und nicht immer die beften,
herangezogen; aus Rußland faft nichts. Politifche Gründe? Auch
hier, in einer fo fehr international empfindenden und arbeitenden
Gruppe junger Menfchen?
Lexika
Ein impofantes Unternehmen hat der Verlag Ernft Wasmuth A.-G.,
Berlin, begonnen: er gibt ein vierbändiges Lexikon der Bau-
kunft heraus, das in einer großen überficht alle die Architektur
berührenden Gebiete — Gefchichte, Konftruktion, Materialien,
Baurecht, Städte, Einzelbauten, Architekten etc. — behandelt und
in feiner gewiffenhaften Ausführlichkeit kaum einen Gegenftand
überfieht. Günther Wasmuth zeichnet für die Herausgabe,
Leo Adler für die Redaktion. Der erfte Band mit feinen 700
Seiten und mehreren hundert Abbildungen gibt einen Begriff von
der immenfen Arbeit, die hier geleiftet worden ift. Von befonderer
Wichtigkeit ift die Erklärung der zahlreichen neuen Baumaterialien
und Konftruktionsdetails, die die neue Architektur an den Tag ge-
bracht hat, ferner die Artikel über orientalifche Baukunft (von Oskar
Reuther), die Abhandlungen über einzelne Städte ufw.
Wir werden nach Erfcheinen der folgenden Bände auf einzelne
prinzipiell wichtige Artikel noch zurückkommen. Gantner.
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