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I. Einleitung
in dieser Zeit (und früher) überwiegend eine vergleichende Perspektive der
„Nationsbildung", also der Entstehung von Deutschland und Frankreich aus
gemeinsamen Ursprüngen. Dazu gehören vor dem Hintergrund der „deutsch-
französischen Freundschaft" die Arbeiten Karl-Ferdinand Werners28 und Carl-
richard Brühls29. In Weiterentwicklung und Abgrenzung von Brühl setzte Bernd
Schneidmüller neue Akzente besonders zu Wahrnehmungsmustern und politi-
schen Vorstellungen30. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls besonders auf die
Untersuchungen Joachim Ehlers zur Nationsbildung zu verweisen31. Diese
mittlerweile „klassische" Forschungsrichtung der vergleichenden Geschichte
der Nationsbildung hat sich in der neuesten Forschung zu Gunsten von Spe-
zialuntersuchungen zu den einzelnen Frankenreichen verschoben32.
Obwohl in jüngerer Zeit zwei deutschsprachige Untersuchungen zur Re-
gierungszeit Karls des Kahlen vorgelegt worden sind33, wurde die Rolle der
Bischöfe in der politischen Praxis darin nur knapp berücksichtigt34. Für Ost-
franken hingegen liegen zwei Werke vor, die auch die komplexen politischen
Beziehungen von Bischöfen und Königen unter Berücksichtigung neuerer For-
schungsergebnisse würdigen: Die Habilitationsschrift von Roman Deutinger zur
pragmatischen Verfassungsgeschichte des ostfränkischen Reiches35 und die
Dissertation von Boris Bigott zu Ludwig dem Deutschen und der Reichskirche36.
In deutschsprachigen Darstellungen zu Westfranken wurden Bischöfe hingegen
bis zur Studie Pätzolds generell vernachlässigt37.
In der französischen Forschung gibt es eine Tradition der Erforschung von
Bischöfen, die durch die Annales-Schule geprägt ist und einen regionalen bzw.
feld und werden seit der Nachkriegszeit intensiv untersucht. Vgl. dazu vor allem die Arbeiten
Jean-Marie Lemarigniers (Gouvernement royale; Structures politiques et religieuse) und seiner
Schüler (bes. Olivier Guillot) sowie die Studien von Robert-Henri Bautier, Dominique Bart-
helemy, Dominique Iogna-Prat, Olivier Guyotjeannin sowie Michel Parisse.
28 Werner hat sich schon lange vor den 1980er Jahren mit der gemeinsamen Geschichte Deutsch-
lands und Frankreichs beschäftigt. Vgl. aus der Fülle der Arbeiten bes. Werner, Ursprünge; Ders.,
Westfranken-Frankreich sowie Ders., Das hochmittelalterliche Imperium.
29 Vg. Brühl, Deutschland-Frankreich; Ders., Geburt zweier Völker.
30 Vgl. neben den oben schon genannten Arbeiten als Auswahl etwa Schneidmüller, Außenblicke
für das eigene Herz; Ders., Wahrnehmungsmuster; Ders., Frankenreich-Westfrankenreich-
Frankreich.
31 Vgl. Ehlers, Anfänge der französischen Geschichte; Ders., Elemente mittelalterlicher Nations-
bildung; Ders., L'image; Ders., Strukturen; Ders., Deutsche Nation; Ders., Entstehung.
32 Vgl. für Westfranken: Aspner, Vertrag und Konsens; Krah, Entstehung; für Ostfranken: Deutin-
ger, Königsherrschaft.
33 Nämlich mit den Studien Adelheid Krahs (Entstehung der „potestas regia") und Burkhard
Apsners (Vertrag und Konsens).
34 Burkhard Apsner beschäftigt sich mit der Entwicklung des Vertragsgedankens; er untersucht
dabei zwar auch ausführlich einschlägige Quellen wie die Krönunsgordines; sein Augenmerk
gilt aber dem Verhältnis von Königtum und Episkopat im Hinblick auf die Rolle der Bischöfe bei
der Legitimation der Königsherrschaft (vgl. Apsner, Vertrag und Konsens, bes. S. 251 f. zu den
Ordines in Westfranken von 877 und 888).
35 Deutinger, Königsherrschaft.
36 Bigott, Ludwig der Deutsche.
37 Vgl. auch Bührer-Thierry in ihrer Forschungsbilanz (Episcopat et royaute).
I. Einleitung
in dieser Zeit (und früher) überwiegend eine vergleichende Perspektive der
„Nationsbildung", also der Entstehung von Deutschland und Frankreich aus
gemeinsamen Ursprüngen. Dazu gehören vor dem Hintergrund der „deutsch-
französischen Freundschaft" die Arbeiten Karl-Ferdinand Werners28 und Carl-
richard Brühls29. In Weiterentwicklung und Abgrenzung von Brühl setzte Bernd
Schneidmüller neue Akzente besonders zu Wahrnehmungsmustern und politi-
schen Vorstellungen30. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls besonders auf die
Untersuchungen Joachim Ehlers zur Nationsbildung zu verweisen31. Diese
mittlerweile „klassische" Forschungsrichtung der vergleichenden Geschichte
der Nationsbildung hat sich in der neuesten Forschung zu Gunsten von Spe-
zialuntersuchungen zu den einzelnen Frankenreichen verschoben32.
Obwohl in jüngerer Zeit zwei deutschsprachige Untersuchungen zur Re-
gierungszeit Karls des Kahlen vorgelegt worden sind33, wurde die Rolle der
Bischöfe in der politischen Praxis darin nur knapp berücksichtigt34. Für Ost-
franken hingegen liegen zwei Werke vor, die auch die komplexen politischen
Beziehungen von Bischöfen und Königen unter Berücksichtigung neuerer For-
schungsergebnisse würdigen: Die Habilitationsschrift von Roman Deutinger zur
pragmatischen Verfassungsgeschichte des ostfränkischen Reiches35 und die
Dissertation von Boris Bigott zu Ludwig dem Deutschen und der Reichskirche36.
In deutschsprachigen Darstellungen zu Westfranken wurden Bischöfe hingegen
bis zur Studie Pätzolds generell vernachlässigt37.
In der französischen Forschung gibt es eine Tradition der Erforschung von
Bischöfen, die durch die Annales-Schule geprägt ist und einen regionalen bzw.
feld und werden seit der Nachkriegszeit intensiv untersucht. Vgl. dazu vor allem die Arbeiten
Jean-Marie Lemarigniers (Gouvernement royale; Structures politiques et religieuse) und seiner
Schüler (bes. Olivier Guillot) sowie die Studien von Robert-Henri Bautier, Dominique Bart-
helemy, Dominique Iogna-Prat, Olivier Guyotjeannin sowie Michel Parisse.
28 Werner hat sich schon lange vor den 1980er Jahren mit der gemeinsamen Geschichte Deutsch-
lands und Frankreichs beschäftigt. Vgl. aus der Fülle der Arbeiten bes. Werner, Ursprünge; Ders.,
Westfranken-Frankreich sowie Ders., Das hochmittelalterliche Imperium.
29 Vg. Brühl, Deutschland-Frankreich; Ders., Geburt zweier Völker.
30 Vgl. neben den oben schon genannten Arbeiten als Auswahl etwa Schneidmüller, Außenblicke
für das eigene Herz; Ders., Wahrnehmungsmuster; Ders., Frankenreich-Westfrankenreich-
Frankreich.
31 Vgl. Ehlers, Anfänge der französischen Geschichte; Ders., Elemente mittelalterlicher Nations-
bildung; Ders., L'image; Ders., Strukturen; Ders., Deutsche Nation; Ders., Entstehung.
32 Vgl. für Westfranken: Aspner, Vertrag und Konsens; Krah, Entstehung; für Ostfranken: Deutin-
ger, Königsherrschaft.
33 Nämlich mit den Studien Adelheid Krahs (Entstehung der „potestas regia") und Burkhard
Apsners (Vertrag und Konsens).
34 Burkhard Apsner beschäftigt sich mit der Entwicklung des Vertragsgedankens; er untersucht
dabei zwar auch ausführlich einschlägige Quellen wie die Krönunsgordines; sein Augenmerk
gilt aber dem Verhältnis von Königtum und Episkopat im Hinblick auf die Rolle der Bischöfe bei
der Legitimation der Königsherrschaft (vgl. Apsner, Vertrag und Konsens, bes. S. 251 f. zu den
Ordines in Westfranken von 877 und 888).
35 Deutinger, Königsherrschaft.
36 Bigott, Ludwig der Deutsche.
37 Vgl. auch Bührer-Thierry in ihrer Forschungsbilanz (Episcopat et royaute).