1. Die Vorstellungen Karls des Kahlen
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zierten, die sich um Ludwig geschart hatten, öffentlich die Messe gelesen; hat
Karls Neffen Lothar II. gegen ihn aufgebracht und Karl dessen Hilfe entzogen
(adiutorium) (c.7). Er nahm an Beratungen über die Sicherung des eroberten
Landes regen Anteil: Aquitanien, das Ludwig und Wenilo Karl beeidet haben
und in dem Wenilo Karl zum König geweiht hat, erhält Ludwig und Karl verliert
es (c.8). Er gebärdet sich wie ein Getreuer Ludwigs und Getreue empfangen
honores. So erwähnt Karl den Erwerb der Abtei S. Colombe in Sens und Besit-
zungen (res) und Ämter (honores) des Reiches (c.10), außerdem habe Wenilo
königliche Rechte von Ludwig verliehen bekommen (er darf Steine aus einer
Stadtmauer brechen) (c. 11). Schließlich wirft ihm Karl noch vor, er habe für sich
und seine Verwandten bei Ludwig Gunstbeweise herausgeschlagen (c. 13)245.
Neben der Anklageschrift Karls wurden in Savonnieres noch zwei weitere Do-
kumente abgefasst: eine bischöfliche Zusammenfassung der Anklage und ein
Synodalbrief an Wenilo.
Die Synode zeigt so einerseits anschaulich das Zusammenspiel von Bischö-
fen und König, andererseits aber auch, dass man es für nötig hielt, zwei ver-
schiedene Dokumente zu verfassen. In dem Libellus proclamationis schildert
Karl den Fall aus seiner Sicht246, er führt die Anklage. Das Synodalschreiben ist
von 39 Bischöfen ausgestellt worden und fasst in weiten Teilen die Anklage des
Königs zusammen247. Die Bischöfe sehen sich in Verantwortung für die Wie-
derherstellung des Friedens und des „richtigen" Zustands der Kirchen im Reich
zusammen mit ihrem König und Herrn Karl.
In dem Synodalbrief an Wenilo werden die Vorwürfe Karls zusammenge-
fasst, die Darstellung folgt dem Libellus proclamationis sehr eng: Wenilo sei als
einziger Bischof des Westfrankenreiches zu Ludwig übergelaufen, habe seinen
Treueid gebrochen und das Bündnis zwischen Karl und Lothar II. zerstört. Er-
wähnt werden die gegenseitigen Eide, die in dem Chirograph schriftlich fest-
gehalten worden sind und die Garantie für die einzelnen Reichsteile, die Wenilo
auch beeidet hat248. Die Bischöfe verweisen also auch auf die Eide als wichtigstes
Bindeglied der politischen Ordnung.
In dem Schreiben folgt auf die Zusammenfassung die Zusammenstellung
von Konzilsbeschlüssen zu angeklagten Bischöfen und zu Prozessen gegen Bi-
245 Steffen Patzold sieht die Familienbindungen der Bischöfe als zweitrangig an, in klarer Ab-
grenzung zu dem Modell der Reichsaristokraten im weltlichen Gewand (vgl. Episcopus, S. 526
dezidiert gegen Friedrich Prinz). Das ist sicher richtig, was die bischöfliche Sicht des ministeriums
betrifft. Doch bleibt die Verwandtschaft und die Familie ein wichtiges Strukturprinzip jeder
realen bischöflichen Amtsausübung. Das spiegelt sich in der Kritik an Bischöfen wider. Der
Vorwurf, Verwandte zu begünstigen und sich von familiären Überlegungen und nicht von der
Autorität des Amtes leiten zu lassen, wird nicht nur dem unfreien Ebo gemacht (wie Patzold
meint), sondern ebenso Wenilo von Sens, Gunthar von Köln und Seulf von Reims, um nur einige
Beispiele, zu nennen.
246 Vgl. auch Patzold, Episcopus, S. 290.
247 MGH Cone.. III, S. 468-472.
248 MGH Cone. III, Nr. 47 C, S. 468-472, hier S. 469.
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zierten, die sich um Ludwig geschart hatten, öffentlich die Messe gelesen; hat
Karls Neffen Lothar II. gegen ihn aufgebracht und Karl dessen Hilfe entzogen
(adiutorium) (c.7). Er nahm an Beratungen über die Sicherung des eroberten
Landes regen Anteil: Aquitanien, das Ludwig und Wenilo Karl beeidet haben
und in dem Wenilo Karl zum König geweiht hat, erhält Ludwig und Karl verliert
es (c.8). Er gebärdet sich wie ein Getreuer Ludwigs und Getreue empfangen
honores. So erwähnt Karl den Erwerb der Abtei S. Colombe in Sens und Besit-
zungen (res) und Ämter (honores) des Reiches (c.10), außerdem habe Wenilo
königliche Rechte von Ludwig verliehen bekommen (er darf Steine aus einer
Stadtmauer brechen) (c. 11). Schließlich wirft ihm Karl noch vor, er habe für sich
und seine Verwandten bei Ludwig Gunstbeweise herausgeschlagen (c. 13)245.
Neben der Anklageschrift Karls wurden in Savonnieres noch zwei weitere Do-
kumente abgefasst: eine bischöfliche Zusammenfassung der Anklage und ein
Synodalbrief an Wenilo.
Die Synode zeigt so einerseits anschaulich das Zusammenspiel von Bischö-
fen und König, andererseits aber auch, dass man es für nötig hielt, zwei ver-
schiedene Dokumente zu verfassen. In dem Libellus proclamationis schildert
Karl den Fall aus seiner Sicht246, er führt die Anklage. Das Synodalschreiben ist
von 39 Bischöfen ausgestellt worden und fasst in weiten Teilen die Anklage des
Königs zusammen247. Die Bischöfe sehen sich in Verantwortung für die Wie-
derherstellung des Friedens und des „richtigen" Zustands der Kirchen im Reich
zusammen mit ihrem König und Herrn Karl.
In dem Synodalbrief an Wenilo werden die Vorwürfe Karls zusammenge-
fasst, die Darstellung folgt dem Libellus proclamationis sehr eng: Wenilo sei als
einziger Bischof des Westfrankenreiches zu Ludwig übergelaufen, habe seinen
Treueid gebrochen und das Bündnis zwischen Karl und Lothar II. zerstört. Er-
wähnt werden die gegenseitigen Eide, die in dem Chirograph schriftlich fest-
gehalten worden sind und die Garantie für die einzelnen Reichsteile, die Wenilo
auch beeidet hat248. Die Bischöfe verweisen also auch auf die Eide als wichtigstes
Bindeglied der politischen Ordnung.
In dem Schreiben folgt auf die Zusammenfassung die Zusammenstellung
von Konzilsbeschlüssen zu angeklagten Bischöfen und zu Prozessen gegen Bi-
245 Steffen Patzold sieht die Familienbindungen der Bischöfe als zweitrangig an, in klarer Ab-
grenzung zu dem Modell der Reichsaristokraten im weltlichen Gewand (vgl. Episcopus, S. 526
dezidiert gegen Friedrich Prinz). Das ist sicher richtig, was die bischöfliche Sicht des ministeriums
betrifft. Doch bleibt die Verwandtschaft und die Familie ein wichtiges Strukturprinzip jeder
realen bischöflichen Amtsausübung. Das spiegelt sich in der Kritik an Bischöfen wider. Der
Vorwurf, Verwandte zu begünstigen und sich von familiären Überlegungen und nicht von der
Autorität des Amtes leiten zu lassen, wird nicht nur dem unfreien Ebo gemacht (wie Patzold
meint), sondern ebenso Wenilo von Sens, Gunthar von Köln und Seulf von Reims, um nur einige
Beispiele, zu nennen.
246 Vgl. auch Patzold, Episcopus, S. 290.
247 MGH Cone.. III, S. 468-472.
248 MGH Cone. III, Nr. 47 C, S. 468-472, hier S. 469.