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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0073
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III. Der König und seine Bischöfe

schöfe. Im Anschluss nennen die Bischöfe die konkrete Anschuldigung (obiectio)
im Fall Wenilos:
Karls Leben sei gefährdet gewesen, Wenilo habe mit Exkommunizierten
Messe gefeiert und seine Eide sehr oft gebrochen (sacramenta saepissimme violasti),
wenn es ihm zum Vorteil gereichen konnte. Die Konzilsbeschlüsse stammen von
den Synoden von Karthago, Chaldekon, Serdika und Toledo VI. Die afrikani-
schen Konzilien sind in der Zählung der Dionysia-Hadriana angegeben249. Die
Kanones betreffen auffallend häufig den Königsschutz und den Treuebruch.
Darauf zielt auch Karls Erwähnung der Salbung ab, denn er steht unter beson-
derem Schutz als Gesalbter des Herrn.
Zusammengefasst kann man festhalten, dass Wenilo auf der politischen Ebene
der Vorwurf der Untreue und des Verrats gemacht wurde. Aus dem Verfahren
gegen Ebo kennen wir den Begriff des crimen, als eines mit Sünde verbundenen
Verbrechens, die dem unwürdigen Bischof angelastet worden ist250. Überra-
schenderweise finden sich jedoch im Fall Wenilos keinerlei Parallelen. In den für
Savonnieres produzierten Texten ist an keiner Stelle von einem crimen die Rede in
Bezug auf Wenilo, der Begriff der infidelitas wird ebenfalls nicht verwendet251.
Die einzelnen Vergehen werden zwar sehr detailliert und konkret aufgeführt
und benannt. Es wird ausführlich beschrieben, was es heißt, einen Eid nicht
einzuhalten und einem Gegner und Feind des Königs Rat und Hilfe zu geben.
Das Bischofsbild ist multiperspektivisch, die Anklageschrift Karls macht das
deutlich: c. 1 stellt stark Erbrecht, Dynastie, königliche Souveränität in den
Vordergrund sowie persönliche Verpflichtung Wenilos gegenüber Karl durch
Kommendation und Treueeid.
Karl ist also ohne Zweifel mit dem Pariser Modell vertraut, denn es war über
den engen Kreis der Bischöfe bekannt252. Aber wie setzt er es ein? Dass die
Beziehung durch Treueid, Kommendation, die Beziehung zu Bischöfen als fideles
(eben geistliche) für Karl letztlich im Vordergrund gestanden haben mag, zeigt
die Beilegung des Konflikts.

249 Es war somit schon in der Karolingerzeit durchaus üblich, mit Kanones aus afrikanischen und
westgotischen Konzilien zu argumentieren. Diese Praxis findet sich ebenfalls wieder am Ende
des 10. Jahrhunderts, etwa im Absetzungsverafhren gegen Arnulf von Reims. Auf der Synode
von St. Basle wurden die Toletanischen Konzilien herangezogen (c. 33), ebenso wie auf anderen
Synoden im 10. Jahrhundert (Hohenaltheim 916, Ingelheim 948), MGH Cone. VI,2, S. 435 mit
Anm.389. Die während des Absetzungsverfahrens gegen Arnulf von Reims 991 zum Schutz des
Königtums herangezogenen Kanones stehen also in einer gewissen Tradition. Das Argument
von Huth, Erzbischof Arnulf, S. 102, der Griff zur Hispana und zu westgotischen oder kartha-
gischen Kanones des 7. Jahrhunderts sei alles andere als naheliegend und ein Ausweis von
Gerberts „abgefeimter" Strategie, kann somit zurückgewiesen werden.

250 S. Kap. zu Ebo von Reims. Es gibt keinen säkularen crimen-Begriff.

251 In der Obiectio zum cap. 18 des Konzils von Chaldekon heißt es, dass Wenilo Messen mit
Exkommunizierten gefeiert habe, die wegen ihrer crimina aus der Kirche ausgeschlossen worden
waren (MGH Cone. III, S. 471).

252 Und Patzold führt den Libellus auch als Indiz dafür an, dass Karl mit diesem Modell vertraut war
und es sich also über den engen Kreis der Bischöfe hinaus verbreitet hatte.
 
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