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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0079
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78

III. Der König und seine Bischöfe

An dem Eid 858 in Quierzy hatte Hinkmar jedenfalls nichts auszusetzen274
bzw. er wurde in einem Kontext geleistet, in dem es darum ging, die Verant-
wortung der Bischöfe für das gesamte Reich und die Königsherrschaft zu de-
monstrieren. Doch seine Überlegungen über den Bischofseid anlässlich des
Einfall Ludwigs des Deutschen waren dennoch grundsätzlicher Natur. Die
nächste wichtige Etappe in den Diskussionen über den Bischofseid lässt sich
knapp 20 Jahre später verorten. Anders als im Umfeld von Quierzy 858 trugen
Hinkmar und Karl der Kahle 876 offen einen Konflikt über die Eidesleistungen
von Bischöfen aus.
Karl verlangte von Hinkmar (zum wiederholten Male) die Ablegung eines
Eides275. Im Gegensatz zur Versammlung in Quierzy 858 verweigerte Hinkmar
dies und nahm sogar das Eidformular süffisant auseinander: Er solle Karl als
seinem senior schwören, das ginge nicht, da er, Hinkmar, ja viel älter als Karl sei,
wie er dem König vorrechnete. Hinkmar weigerte sich (gezielt?), sich auf die
königlichen Vorstellungen und Beurteilungsmaßstäbe einzulassen. Die Forde-
rung, dem König als senior zu schwören, betrifft die königlichen Konzepte von
Hierarchie, wie in der Anklageschrift Karls gegen Wenilo von Sens von 859
deutlich wurde.
Die Reaktion Hinkmars ist in der Forschung bislang unter zwei verschie-
denen Perspektiven beurteilt worden. Einerseits sind die verfassungsrechtliche
Ebene und die rechtlichen Kategorien untersucht worden. Hans Hubert Anton
geht mit Heinrich Mitteis davon aus, dass es eine vasallitische Bindung von
Bischöfen an den König samt Kommendation gegeben habe und Hinkmar sich
an Hinweisen auf diese Bindung störte. Anton zerlegt die verschiedenen Eide in
ihre einzelnen Bestandteile, um vasallitische und nicht-vasallitische Bestandteile
zu analysieren. In der Unterscheidung zwischen promissio, sacramentum und
professio sieht er ein Bestreben Hinkmars, rechtlich verbindliche Kategorien zu
schaffen, die keine vasallitische Beziehungen andeuten276.
Steffen Patzold hingegen schließt sich der älteren Meinung von Heinrich
Schrörs an, der Hinkmars harsche Reaktion als Zeichen einer akuten Missstim-
mung zwischen dem Reimser Erzbischof und seinem König deutet. Es handelt
sich unter dieser Perspektive um eine situative Formulierung. Hinkmar sei
verärgert gewesen, da Ansegis von Sens mit dem Vikariat für Gallien betraut
worden sei und er selbst mehr und mehr ins Abseits geraten sei277. Eine Analyse
der Werke Hinkmars zeigt, dass es ihm oft darum ging, sich selbst ins Gespräch
zu bringen und wieder als führender Ratgeber Gehör zu finden. Insofern sind
seine Äußerungen oftmals von aktuellen politischen Konstellationen abhän-
gig278. So hatte Hinkmar keine Vorbehalte, in dem von ihm ausgearbeiteten Ordo

274 Anton, Fürstenspiegel, S. 321 f. vermutet, dass er den Eid nicht vasallitisch verstanden hatte.

275 Vgl. Anton, Fürstenspiegel, S. 320-325; Metteis, Lehnrecht, S. 73-75; Patzold, Konsens und
Konkurrenz, S. 79 f; Schrörs, Hinkmar, S. 363 f.

276 Vgl. Anton, Fürstenspiegel, S. 319-324.

277 Vgl. Patzold, Konsens und Konkurrenz, S. 79f.

278 Dies ist das Ergebnis aufwendiger Studien zu verschiedenen Hinkmar-Werken. So zu dem
Traktat De Divortio Lotharii (vgl. die Bemerkungen Letha Böhringers in ihrer Einleitung zur
 
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