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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0084
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IV. Hinkmar von Reims über seine
Amtsbrüder

1. Der Metropolit und seine Suffragane. Hinkmar von Reims
und Rothad II. von Soissons 861-865
1.1. Ablauf des Verfahrens, Chronologie der Ereignisse
Erzbischof Hinkmar von Reims betrieb ab 861 ein Verfahren gegen seinen Suf-
fragan Rothad II. von Soissons, dem er Ungehorsam, Kompetenzüberschreitung
und die Missachtung der Rechte des Metropoliten vorwarf291.
Der Anlass dazu war die Absetzung eines Priesters aus dem Klerus von
Soissons durch Rothad. Der Priester soll bei einem nicht näher bezeichneten
(vermutlich homosexuellen) Sexualvergehen ertappt worden sein. Er war dann
an den Genitalien verstümmelt und von Rothad aus seinem Amt entfernt wor-
den. Drei Jahre später, nämlich 861, weigerte sich Rothad, der Forderung
Hinkmars von Reims nachzukommen, den Priester zu restituieren292. Hinkmar
von Reims warf seinem Suffragan daraufhin vor, den Priester eigenmächtig,
ohne Verhandlung vor einer Synode abgesetzt zu haben. Deshalb kassierte er das
Urteil gegen den Priester, befahl Rothad in Haft zu nehmen und setzte den
abgesetzten und kastrierten Priester wieder ein293. Dieser Fall diente ihm als
Anlass, um Rothad Ungehorsam vorzuwerfen und ihn 861 zu exkommunizieren
und abzusetzen. Das Absetzungsurteil wurde auf der Synode und Reichsver-
sammlung von Pitres und Soissons bestätigt294. Hier beriet König Karl der Kahle
zusammen mit den Getreuen zur Zeit der Rebellion seiner Söhne über die An-
gelegenheiten der Kirche und des Reiches. Zu den Vorwürfen Hinkmars von

291 Zum Verfahren gegen Rothad vgl. Stratmann, Art. „Rothad II", in: LexMA 7, Sp. 1049; Fuhrmann,
Einfluß II, S. 254-272; Sot, Historien, S. 519-522 zur Darstellung bei Flodoard aus den Hink-
marbriefen; Devisse, Hincmar II, S. 583-600; Zur Hinkmars Auffassung von der Metropolitan-
gewalt als Hintergrund des Konflikts vgl. Schrör, Metropolitangewalt, S. 60-75, zum Verfahren
gegen Rothad bes. S. 64-67, eine Auflistung der Argumente Hinkmars in Hinblick auf die
Metropolitanrechte findet sich ebd. S. 66 in Anm. 318. Vgl. ferner auch Goetz, Auctoritas, S. 32;
Hartmann, Autorität, S. 120 f; Bauer, Kontinuität, S. 53, 94 f.; zu den Konzilien, auf denen der Fall
behandelt wurde vgl. Hartmann, Synoden und Pangerl, Metropolitanverfassung. Vgl. zur fol-
genden Darstellung vor allem Fuhrmann, Einfluß II (wie oben).

292 Von dem Konfliktanlass hören wir erst aus Rothads eigener Darstellung vor der Synode von
Rom 864. In seinem Libellus heißt es über den Priester: „...der in abscheulicher Lasterhaftigkeit
ertappt worden ist und dem die Geschlechtsteile abgeschlagen worden waren". MGH Cone. IV,
S. 180, 22 und S. 180, 22-27 zur Verweigerung der Restitution.

293 Bekannt aus den Akten der Synode von Rom 864, MGH Cone. IV, S. 183, 185 und aus dem Libellus
Rothads.

294 Akten der Synode von Pitres und Soissons MGH Cone. IV, S. 96-122; vgl. Hartmann, Synoden,
S. 313-316, 328f.
 
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