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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0086
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1. Der Metropolit und seine Suffragane

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Nikolaus I. war in den 860er Jahren besonders aufmerksam bezüglich der
kirchenpolitischen Vorgänge im Frankenreich (besonders im Westfrankenreich
und Lothringen), wie sein Agieren im Zusammenhang mit den Absetzungen
Ebos von Reims (mit der Klage der sogenannten Ebo-Kleriker und dem Konzil
von Troyes 866/867), Rothads von Soissons sowie Gunthars von Köln und
Thietgauds von Trier zeigt302. Sein Augenmerk richtete Nikolaus wohl nicht
zuletzt aufgrund der Intervention Rothads von Soissons auf das Frankenreich303.
Der Fall Rothads gewährt Einblicke in die verschiedenen Vorstellungen der
Beteiligten bezüglich der Konstellationen der politischen und kirchlichen
Amtsträger: von Papst, König, Erzbischof und Bischof. Neben dem Streit zwi-
schen Metropolit und Suffragan spielte sich nämlich auch noch ein Konflikt
zwischen König Karl dem Kahlen und Bischof Rothad ab, Mitbischöfe aus dem
ehemaligen Mittelreich griffen in das Verfahren ein und der Papst wurde durch
die Appellation Rothads einbezogen. Die Vorstellungen der beteiligten Akteure
über die jeweiligen Ämter und ihre Kompetenzen lassen sich aus den Argu-
menten im Verfahren erschließen.
1.2. Die Argumente der Beteiligten
1.2.1. Hinkmars Darstellung in den Annales Bertiniani
Die Jurisdiktionsrechte des Metropoliten, die Zuständigkeit von Provinzialsyn-
oden und ihre Geltungskraft sowie die Rolle des Papstes bei der Absetzung von
Bischöfen stehen für Hinkmar von Reims im Mittelpunkt des Rothad-Falls304.
Das Verhältnis zwischen Rothad von Soissons und seinem Metropoliten
Hinkmar war wahrscheinlich bereits seit Hinkmars Weihe 845 wegen der Dis-
kussionen um die Wiedereinsetzung des abgesetzten Ebos von Reims 840, an der
Rothad maßgeblich beteiligt gewesen sein soll, belastet305. Hinkmar hat stets die

302 S. Kapitel „Ebo von Reims" sowie „Die Absetzung Gunthars von Köln und Thietgauds von
Trier".

303 Die Wiederaufnahme des Verfahrens der Ebo-Kleriker 866 und das Eingreifen Nikolaus I. bringt
auch Patzold mit der Appellation Rothads an den Papst in Verbindung. Der zweite Hintergrund
waren die Bestrebungen Karls des Kahlen, seinen Vertrauten Wulfad, einer der Ebo-Kleriker,
zum Erzbischof von Bourges zu machen (vgl. Patzold, Episcopus, S. 330).

304 Zur Argumentation Hinkmars mit Metropolitanrechten vgl. Schrör, Metropolitangewalt, S. 66
mit Anm. 318.

305 Die Ebo-Kleriker berichten in ihrer Narratio, mit der diese 866, mehr als 30 Jahre nach der
Absetzung um die Rechtmäßigkeit ihrer Weihen kämpften, dass die Suffragane Ebo 840 wieder
in sein Amt eingesetzt hätten und schildern das feierliche Ritual in der Reimser Kathedrale:
Rothad II. von Soissons wird eine maßgebliche Rolle zugesprochen. Er habe Ebos rechte Hand in
der Kirche gestützt, als jener zu seinem Bischofsstuhl geleitet wurde. Der Bericht ist wahr-
scheinlich erst 866 verfasst, sicher nicht tendenzfrei und nicht nachprüfbar, doch war zumindest
Rothad 866 noch im Amt und hätte die Darstellung kritisieren können, wenn sie von der
Wahrheit zu stark abgewichen wäre (vgl. Patzold, Episcopus, S. 318 f.). Horst Fuhrmann möchte
das Verhältnis Rothads und Hinkmars vor 853 noch als völlig unbelastet ansehen, allerdings
 
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