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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0163
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162 V. Bischofsabsetzung durch den Papst: Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier 863

blem doch nicht weiter, er nimmt also keine Differenzierungen zwischen Bi-
schöfen und Erzbischöfen bezüglich der Zuständigkeiten bei Absetzungen vor.
Regino war selbst ein wichtiger politischer Akteur und sein Werk fand weite
Verbreitung in bischofsnahen lothringischen und Zentren664. Regino hatte nicht
einen bestimmten Bischof als Helden auserkoren wie der Fuldaer Annalist und
betrieb auch keine Rechtfertigungspolitik wie der Autor der Xantener Annalen
zu Gunsten Williberts von Köln. Vielmehr ist er der erwählten Gattung der
Weltchronik verpflichtet. Doch strukturiert seine lange Erzählung des Ge-
schichtsverlauf nach seinen eigenen Kriterien: als erster bietet er eine Geschichte
vom Aufstieg und Fall der Karolinger665. Und er gibt für seine Leser Hinweise auf
den Ausgang der Geschichte, so erwähnt er anlässlich der Hochzeit Lothars II.
mit Theutberga, dass dies katastrophale Folgen für das Königreich haben wür-
de666. Regino erzählt von einem Ende: vom Ende Lothars II. und vom Ende des
selbständigen Lotharingiens — nach Gottes Willen, der Lotharingien keine Gnade
mehr schenkte. Mit Lothar „untergegangen" sind in Reginos Augen die Erzbi-
schöfe, die gefehlt haben667.
In verschiedenen Textgattungen finden sich ohne Zweifel verschieden ak-
zentuierte Bischofsbilder668. In der Historiographie wird nicht auf einer ab-
strakten Ebene über das Bischofsamt nachgedacht, sondern exemplarisch gear-
beitet, mit guten und schlechten Bischöfen.
Doch die Bewertungen, die sich in der Historiographie finden, können uns
Rückschlüsse geben auf die Wahrnehmung des Falls. In allen hier untersuchten
historiographischen Zeugnissen (Annales Fuldenses, Annales Bertiniani, An-
nales Xantenses und Reginos Chronik) wurde die Nähe der Metropoliten zum
König thematisiert. Es geht in allen Texten um das Komplementär-Paar König-
Bischöfe. Wer von beiden in dem Ehestreit die treibende Kraft war, bleibt in den
historiographischen Zeugnissen vage. Den Bischöfen wird entweder der Vor-
wurf gemacht, sich vom König instrumentalisieren zu lassen und ihn in seinem
„schändlichen Begehren" unterstützt zu haben — oder die Bischöfe erscheinen als
Anstifter. Bei Regino werden der Könige und seine Bischöfe als Schicksalsge-
meinschaft dargestellt.

664 Vgl. Airlie, Sad Stories, S. 110-112. Sein Werk widmete er Bischof Adalbero von Augsburg.
Verbreitung fand die Chronik aber vor allen Dingen in lothringischen monastischen und bi-
schofsnahen Zentren wie St. Maximin in Trier oder Gorze. Sein Werk wurde von einem loth-
ringischen Publikum gelesen, zu dem Regino ein ambivalentes Verhältnis gehabt haben dürfte,
stand er doch mit Teilen des lothringischen Adels in einem sehr schlechten Verhältnis und war
sogar aus Prüm vertrieben worden

665 Ebd., S.126: „His is the first account of the rise and the fall of the dynasty"

666 Reginonis Chronicon, ad. a. 856, ed. Kurze, S. 77.

667 Leyser, Early Medieval Warfare, S. 44. Zu Hinkmars und Reginos moralischer Sicht auf Lothars II.
Königtum vgl. Blattmann, Ein Unglück für sein Volk, S. 90.

668 Vgl. Patzold, Episcopus, S. 411. Vgl. das Kapitel zu Hinkmar von Laon mit einer Detailstudie.
 
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