1. Konzeption und Ziel des Kapitels
179
Flodoard war an dem Reimser Bistumsstreit zwischen Hugo und Artold
direkt beteiligt. Auch wenn kein formales Absetzungsverfahren gegen einen der
Konkurrenten eröffnet wurde, da es sich um einen Streit wegen einer Doppel-
besetzung handelte, so geht es in dem Konflikt doch darum, wie man einen
rechtmäßigen Bischof bestimmen kann und wie bischöfliches Fehlverhalten oder
Amtsmissbrauch definiert werden kann. Eine bestimmende Rolle spielte bei den
Diskussionen um Artold und Hugo die Frage der Weihe. Ein als unrechtmäßig
angesehener Bischof musste auch bei einer Doppelbesetzung notgedrungen
abgesetzt werden. Daher lohnt es sich zu prüfen, ob für Flodoard die von ihm
selbst in der Reimser Kirchengeschichte beschriebenen und aus dem Archiv in
eine eigene Ordnung eingepassten karolingischen Absetzungsverfahren als
Orientierung dienten oder ob er keinen Bezug zwischen diesen Fällen und dem
aktuellen Konflikt herstellte. Wandte er bekannte Modelle an und gab somit
gesichertes Wissen weiter? Und noch mehr: falls seine Wiedergabe und Verar-
beitung von karolingischen Modellen etwa im Falle Ebos eine Folge seiner
Reimser Ausbildung und Sozialisation war742 — so müssten sich bei seiner
Schilderung eines zeitgenössischen, selbst erlebten Konflikts um den Bischofs-
stuhl ein Niederschlag davon finden — in Darstellungsweise, Reflexionen etc..
Stellt er einen Zusammenhang zwischen der Schilderung der karolingischen
Fälle und der zeitgenössischen Absetzung, bzw. Erklärung der Unrechtmäßig-
keit her?
In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, ob es Unterschiede zwi-
schen der Darstellungsweise Flodoards und Richers im Fall Hugos und Artolds
gibt.
Zunächst aber steht die Darstellungsweise Flodoards im Mittelpunkt. Es ist ei-
nerseits zu berücksichtigen, dass Flodoard die Ereignisse in zwei verschiedenen
Texten geschildert hat, die unterschiedlich angelegt sind. Während es sich bei
den Annalen um Zeitgeschichtsschreibung mit recht knappen Berichten zu den
Ereignissen handelt, hat Flodoard mit seiner Historia Remensis Ecclesie die
Geschichtsschreibung seines Bistums begründet. Auch wenn der Teil zu Hugo
und Artold ebenfalls Zeitgeschichtsschreibung ist, so passt er sich doch ein in den
Rahmen des Werkes. Andererseits hat Flodoard seine Texte rückwirkend bear-
beitet und Darstellungen verändert und seiner gewandelten Einstellung ange-
passt. Er erkennt auch eine Diskrepanz zwischen seiner Haltung und der Mei-
nung anderer. Bei Flodoard ist auffällig, dass er seine Darstellung und die bei ihm
inserierte Apologie Artolds schlichtweg hintereinander aufführt, ohne Kom-
mentar und so gleichsam zwei Arten, das Geschehen zu deuten, in einem Text
nebeneinanderstehen.
Flodoard änderte seine Haltung zu den Ereignissen, bzw. er versuchte, sich
über seine Haltung klar zu werden und dies auch rückwirkend in seinen Texten
zum Ausdruck zu bringen. Diese Technik wird im Vergleich ausgewählter Ab-
742 Patzold vermutet, dass Flodoard die letzte typisch karolingische Synode von Trosly 909 selbst
erlebt oder zumindest gut im Gedächtnis gehabt haben könnte.
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Flodoard war an dem Reimser Bistumsstreit zwischen Hugo und Artold
direkt beteiligt. Auch wenn kein formales Absetzungsverfahren gegen einen der
Konkurrenten eröffnet wurde, da es sich um einen Streit wegen einer Doppel-
besetzung handelte, so geht es in dem Konflikt doch darum, wie man einen
rechtmäßigen Bischof bestimmen kann und wie bischöfliches Fehlverhalten oder
Amtsmissbrauch definiert werden kann. Eine bestimmende Rolle spielte bei den
Diskussionen um Artold und Hugo die Frage der Weihe. Ein als unrechtmäßig
angesehener Bischof musste auch bei einer Doppelbesetzung notgedrungen
abgesetzt werden. Daher lohnt es sich zu prüfen, ob für Flodoard die von ihm
selbst in der Reimser Kirchengeschichte beschriebenen und aus dem Archiv in
eine eigene Ordnung eingepassten karolingischen Absetzungsverfahren als
Orientierung dienten oder ob er keinen Bezug zwischen diesen Fällen und dem
aktuellen Konflikt herstellte. Wandte er bekannte Modelle an und gab somit
gesichertes Wissen weiter? Und noch mehr: falls seine Wiedergabe und Verar-
beitung von karolingischen Modellen etwa im Falle Ebos eine Folge seiner
Reimser Ausbildung und Sozialisation war742 — so müssten sich bei seiner
Schilderung eines zeitgenössischen, selbst erlebten Konflikts um den Bischofs-
stuhl ein Niederschlag davon finden — in Darstellungsweise, Reflexionen etc..
Stellt er einen Zusammenhang zwischen der Schilderung der karolingischen
Fälle und der zeitgenössischen Absetzung, bzw. Erklärung der Unrechtmäßig-
keit her?
In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, ob es Unterschiede zwi-
schen der Darstellungsweise Flodoards und Richers im Fall Hugos und Artolds
gibt.
Zunächst aber steht die Darstellungsweise Flodoards im Mittelpunkt. Es ist ei-
nerseits zu berücksichtigen, dass Flodoard die Ereignisse in zwei verschiedenen
Texten geschildert hat, die unterschiedlich angelegt sind. Während es sich bei
den Annalen um Zeitgeschichtsschreibung mit recht knappen Berichten zu den
Ereignissen handelt, hat Flodoard mit seiner Historia Remensis Ecclesie die
Geschichtsschreibung seines Bistums begründet. Auch wenn der Teil zu Hugo
und Artold ebenfalls Zeitgeschichtsschreibung ist, so passt er sich doch ein in den
Rahmen des Werkes. Andererseits hat Flodoard seine Texte rückwirkend bear-
beitet und Darstellungen verändert und seiner gewandelten Einstellung ange-
passt. Er erkennt auch eine Diskrepanz zwischen seiner Haltung und der Mei-
nung anderer. Bei Flodoard ist auffällig, dass er seine Darstellung und die bei ihm
inserierte Apologie Artolds schlichtweg hintereinander aufführt, ohne Kom-
mentar und so gleichsam zwei Arten, das Geschehen zu deuten, in einem Text
nebeneinanderstehen.
Flodoard änderte seine Haltung zu den Ereignissen, bzw. er versuchte, sich
über seine Haltung klar zu werden und dies auch rückwirkend in seinen Texten
zum Ausdruck zu bringen. Diese Technik wird im Vergleich ausgewählter Ab-
742 Patzold vermutet, dass Flodoard die letzte typisch karolingische Synode von Trosly 909 selbst
erlebt oder zumindest gut im Gedächtnis gehabt haben könnte.