2. Ein neuer Ebo? Der Fall Ebo in Flodoards Historia Remensis Ecclesiae
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Gerade am Beispiel der Visio Bernoldi770 lässt sich Flodoards Umgang mit
seinen Quellen gut nachverfolgen. Flodoard hat die Visio Bernoldi in zwei Teile
aufgespalten, es handelt sich um einen bewussten Eingriff in seine Vorlage. Bei
beiden Zitaten nennt er explizit die Autorschaft Hinkmars. Den ersten Teil
schließt er an die Schilderung von Ebos Amtszeit an und schafft somit eine ganz
neue Darstellung des Falls. Bernold sieht im Jenseits 41 Bischöfe in einem er-
barmungswürdigen Zustand, darunter Ebo. Ebo bittet Bernold, zu ihren Leuten,
geistlichen und weltlichen, zu gehen und ihnen zu sagen, dass sie für sie beten
und Almosen geben sollen. Als Bernold diesen Gefallen erfüllt und zu den Bi-
schöfen zurückkehrt, sehen diese frisch aus, sind gut gekleidet und danken ihm.
Den zweiten Teil der Vision zitiert Flodoard in III c. 18 in Zusammenhang mit
Hinkmarbriefen an Karl den Kahlen. Hier findet sich der Teil der Vision, der über
den König handelt: er hat auf Ratschläge von Hinkmar und anderen Getreuen
nicht gehört und schmort jetzt deswegen in der Hölle771.
Flodoard schafft durch die Anordnung und Bearbeitung seiner Quellen zu
Ebo eine neue Darstellung des Falles. Er würdigt Ebo in seinem Buch II zu seiner
eigenen Regierungszeit, indem er Urkunden, Deperdita Ludwigs des Frommen,
Inschriften und die historio graphischen Zeugnisse auswertet. Er kreiert das Bild
eines idealen Bischofs, der den ottonischen Reichsbischof schon vorwegnimmt.
Die Absetzung Ebos und die anschließenden Diskussionen haben Flodoard of-
fensichtlich vor größere Probleme gestellt, wie kann dieser Fall mit der un-
übersichtlichen Überlieferungslage in den Griff zu bekommen sein? Er ordnet
den Fall einerseits Ebos und andererseits Hinkmars Amtszeit zu und versucht,
eine chronologische und inhaltliche Einordnung der Dokumente, die er im Ar-
chiv vorfand, vorzunehmen. Eine Darstellung des Hintergrunds von Ebos
Amtsenthebung nimmt er nicht vor, die Absetzung Ludwigs des Frommen
thematisiert er kaum.
Er gibt eine eigene Erklärung für die Absetzung Ebos: er wurde wegen in-
fidelitas abgesetzt, so wie in der gleichen Zeit auch Jesse von Amiens. Eine Er-
klärung, die wohl seiner Wahrnehmung eher entsprach als der Verweis auf
Sünden, Buße und Resignation aus den 830er bis 860er Jahren. Eine Argumen-
tation mit infidelitas/fidelitas der Bischöfe ist aber auch dem 9. Jahrhundert nicht
fremd gewesen, wie etwa die Diskussionen um die Absetzung Wenilos von Sens
zeigen772. Flodoard betont somit eine mögliche Deutungsebene bei Bischofsab-
setzungen.
Zur Gliederung des Teils über die Absetzung dient ihm eine Fassung des
Synodalbriefes von Troyes. Die Unterlagen zu Ebo waren es wert, perpetuiert zu
werden. Die Anlage als Gesta Episcoporum führt zwangsläufig zur Beschäfti-
gung mit den Amtsinhabern — auch mit Ebo. Es ist vor diesem Befund zu
770 Edition der Visio Bernoldi jetzt bei Maaike van der Lugt, Visio; vgl. auch Patzold, Konsens und
Konkurrenz.
771 Vgl. dazu Patzold, Konsens und Konkurrenz.
772 S. Kapitel III. Der König und seine Bischöfe.
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Gerade am Beispiel der Visio Bernoldi770 lässt sich Flodoards Umgang mit
seinen Quellen gut nachverfolgen. Flodoard hat die Visio Bernoldi in zwei Teile
aufgespalten, es handelt sich um einen bewussten Eingriff in seine Vorlage. Bei
beiden Zitaten nennt er explizit die Autorschaft Hinkmars. Den ersten Teil
schließt er an die Schilderung von Ebos Amtszeit an und schafft somit eine ganz
neue Darstellung des Falls. Bernold sieht im Jenseits 41 Bischöfe in einem er-
barmungswürdigen Zustand, darunter Ebo. Ebo bittet Bernold, zu ihren Leuten,
geistlichen und weltlichen, zu gehen und ihnen zu sagen, dass sie für sie beten
und Almosen geben sollen. Als Bernold diesen Gefallen erfüllt und zu den Bi-
schöfen zurückkehrt, sehen diese frisch aus, sind gut gekleidet und danken ihm.
Den zweiten Teil der Vision zitiert Flodoard in III c. 18 in Zusammenhang mit
Hinkmarbriefen an Karl den Kahlen. Hier findet sich der Teil der Vision, der über
den König handelt: er hat auf Ratschläge von Hinkmar und anderen Getreuen
nicht gehört und schmort jetzt deswegen in der Hölle771.
Flodoard schafft durch die Anordnung und Bearbeitung seiner Quellen zu
Ebo eine neue Darstellung des Falles. Er würdigt Ebo in seinem Buch II zu seiner
eigenen Regierungszeit, indem er Urkunden, Deperdita Ludwigs des Frommen,
Inschriften und die historio graphischen Zeugnisse auswertet. Er kreiert das Bild
eines idealen Bischofs, der den ottonischen Reichsbischof schon vorwegnimmt.
Die Absetzung Ebos und die anschließenden Diskussionen haben Flodoard of-
fensichtlich vor größere Probleme gestellt, wie kann dieser Fall mit der un-
übersichtlichen Überlieferungslage in den Griff zu bekommen sein? Er ordnet
den Fall einerseits Ebos und andererseits Hinkmars Amtszeit zu und versucht,
eine chronologische und inhaltliche Einordnung der Dokumente, die er im Ar-
chiv vorfand, vorzunehmen. Eine Darstellung des Hintergrunds von Ebos
Amtsenthebung nimmt er nicht vor, die Absetzung Ludwigs des Frommen
thematisiert er kaum.
Er gibt eine eigene Erklärung für die Absetzung Ebos: er wurde wegen in-
fidelitas abgesetzt, so wie in der gleichen Zeit auch Jesse von Amiens. Eine Er-
klärung, die wohl seiner Wahrnehmung eher entsprach als der Verweis auf
Sünden, Buße und Resignation aus den 830er bis 860er Jahren. Eine Argumen-
tation mit infidelitas/fidelitas der Bischöfe ist aber auch dem 9. Jahrhundert nicht
fremd gewesen, wie etwa die Diskussionen um die Absetzung Wenilos von Sens
zeigen772. Flodoard betont somit eine mögliche Deutungsebene bei Bischofsab-
setzungen.
Zur Gliederung des Teils über die Absetzung dient ihm eine Fassung des
Synodalbriefes von Troyes. Die Unterlagen zu Ebo waren es wert, perpetuiert zu
werden. Die Anlage als Gesta Episcoporum führt zwangsläufig zur Beschäfti-
gung mit den Amtsinhabern — auch mit Ebo. Es ist vor diesem Befund zu
770 Edition der Visio Bernoldi jetzt bei Maaike van der Lugt, Visio; vgl. auch Patzold, Konsens und
Konkurrenz.
771 Vgl. dazu Patzold, Konsens und Konkurrenz.
772 S. Kapitel III. Der König und seine Bischöfe.