3. Vorgeschichte und Hintergrund der Absetzungsverfahren im 10. Jahrhundert
189
3. Vorgeschichte und Hintergrund der Absetzungsverfahren
im 10. Jahrhundert
Der Reimser Bistumsstreit ist Ausdruck der Konflikte zwischen Karolingern,
Robertinern und mächtigen Adelsfamilien wie den Vermandois in der ersten
Hälfte des 10. Jahrhunderts. Er belegt nachdrücklich die Verstrickung von Bi-
schöfen in die politischen Auseinandersetzungen774. Der Konflikt um die Be-
setzung des Reimser Erzbistums ist im Zusammenhang mit den bürgerkriegs-
ähnlichen Kämpfen in der Francia zwischen den Anhängern der Karolinger und
Robertiner zu sehen. Das reiche Kirchengut, das Prestige und die politische Rolle
der Erzbischöfe von Reims als Spender der Königssalbung machten das Erz-
bistum zu einem wichtigen Faktor in politischen Auseinandersetzungen775.
Graf Heribert II. von Vermandois, der das reiche Erbe seines Vaters ange-
treten hatte, spielte in wechselnden Koalitionen einen entscheidenden Part, da
die Anhängerschaft des mächtigen Vasallen die Vorreiterrolle in der Francia
garantierte776. In der Schlacht von Soissons standen sich der Karolinger Karl III.,
der Einfältige und der Robertiner Robert I. gegenüber. Robert, einer der ein-
flussreichsten Männer des Westfrankenreiches777, war 921 gegen Karl zum König
erhoben worden. Robert I. fiel in dieser Schlacht, Heribert II. von Vermandois
nahm den karolingischen König gefangen und konnte ihn danach als „Faust-
pfand" gegen den neuen König Rudolf von Burgund, Schwiegersohn König
Roberts778, einsetzen.
Der Dualismus zwischen den Grafen von Vermandois und den Robertinern
wird in der Forschung als Grund für die Erhebung des Karolingers Ludwig IV.
durch Hugo Magnus genannt779.
Die (militärischen) Konflikte in der Francia, die sich auch über die Regie-
rungszeit Ludwigs IV. (936-956) erstreckten, stehen im Mittelpunkt der Annalen
des Reimser Archivars Flodoard von Reims780. Flodoard beschäftigt sich in den
zeitgenössisch geführten Annalen ausführlich mit den Wirren und behandelt die
774 Zur Darstellung des Bistumsstreits bei Flodoard vgl. Jacobsen, Flodoard, S. 31-45; Sot, Historien,
S. 261-318.
775 Zu den Beziehungen zwischen den Karolingern und den Reimser Erzbischöfen im 10. Jhr. Vgl.
McKitterick, See.
776 Zu den Kämpfen in der Francia vgl. die klassische Darstellung bei Lauer, Louis IV.; Ders., Robert
I. et Raoul de Bourgogne. Vgl. unter Berücksichtigung neuer Forschungspositionen die Artikel in
dem Handbuch „Die französischen Könige des Mittelalters": Felten, Robert I. und Rudolf I.;
Brühl, Ludwig IV. Zur Darstellung bei Flodoard ausführlich Sot, Historien, S. 245-260.
777 Robert war der Bruder König Odos und hatte die robertinischen honores nach dessen Tod geerbt.
Dazu gehörten neben den Grafschaften an prominenter Stelle die vornehmen Abteien wie St.
Martin in Tours, denen Robert als Laienabt vorstand. Zu dem Laienabbatiat Roberts s. Felten,
Äbte, S. 52-55.
778 Zu Rudolf s. Felten, Robert I. und Rudolf I.
779 Vgl. Schneidmüller, Karolingisches Königtum; Schieffer, Karolinger.
780 Flodoard, Annalen, ed. Lauer.
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3. Vorgeschichte und Hintergrund der Absetzungsverfahren
im 10. Jahrhundert
Der Reimser Bistumsstreit ist Ausdruck der Konflikte zwischen Karolingern,
Robertinern und mächtigen Adelsfamilien wie den Vermandois in der ersten
Hälfte des 10. Jahrhunderts. Er belegt nachdrücklich die Verstrickung von Bi-
schöfen in die politischen Auseinandersetzungen774. Der Konflikt um die Be-
setzung des Reimser Erzbistums ist im Zusammenhang mit den bürgerkriegs-
ähnlichen Kämpfen in der Francia zwischen den Anhängern der Karolinger und
Robertiner zu sehen. Das reiche Kirchengut, das Prestige und die politische Rolle
der Erzbischöfe von Reims als Spender der Königssalbung machten das Erz-
bistum zu einem wichtigen Faktor in politischen Auseinandersetzungen775.
Graf Heribert II. von Vermandois, der das reiche Erbe seines Vaters ange-
treten hatte, spielte in wechselnden Koalitionen einen entscheidenden Part, da
die Anhängerschaft des mächtigen Vasallen die Vorreiterrolle in der Francia
garantierte776. In der Schlacht von Soissons standen sich der Karolinger Karl III.,
der Einfältige und der Robertiner Robert I. gegenüber. Robert, einer der ein-
flussreichsten Männer des Westfrankenreiches777, war 921 gegen Karl zum König
erhoben worden. Robert I. fiel in dieser Schlacht, Heribert II. von Vermandois
nahm den karolingischen König gefangen und konnte ihn danach als „Faust-
pfand" gegen den neuen König Rudolf von Burgund, Schwiegersohn König
Roberts778, einsetzen.
Der Dualismus zwischen den Grafen von Vermandois und den Robertinern
wird in der Forschung als Grund für die Erhebung des Karolingers Ludwig IV.
durch Hugo Magnus genannt779.
Die (militärischen) Konflikte in der Francia, die sich auch über die Regie-
rungszeit Ludwigs IV. (936-956) erstreckten, stehen im Mittelpunkt der Annalen
des Reimser Archivars Flodoard von Reims780. Flodoard beschäftigt sich in den
zeitgenössisch geführten Annalen ausführlich mit den Wirren und behandelt die
774 Zur Darstellung des Bistumsstreits bei Flodoard vgl. Jacobsen, Flodoard, S. 31-45; Sot, Historien,
S. 261-318.
775 Zu den Beziehungen zwischen den Karolingern und den Reimser Erzbischöfen im 10. Jhr. Vgl.
McKitterick, See.
776 Zu den Kämpfen in der Francia vgl. die klassische Darstellung bei Lauer, Louis IV.; Ders., Robert
I. et Raoul de Bourgogne. Vgl. unter Berücksichtigung neuer Forschungspositionen die Artikel in
dem Handbuch „Die französischen Könige des Mittelalters": Felten, Robert I. und Rudolf I.;
Brühl, Ludwig IV. Zur Darstellung bei Flodoard ausführlich Sot, Historien, S. 245-260.
777 Robert war der Bruder König Odos und hatte die robertinischen honores nach dessen Tod geerbt.
Dazu gehörten neben den Grafschaften an prominenter Stelle die vornehmen Abteien wie St.
Martin in Tours, denen Robert als Laienabt vorstand. Zu dem Laienabbatiat Roberts s. Felten,
Äbte, S. 52-55.
778 Zu Rudolf s. Felten, Robert I. und Rudolf I.
779 Vgl. Schneidmüller, Karolingisches Königtum; Schieffer, Karolinger.
780 Flodoard, Annalen, ed. Lauer.