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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0218
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2. Die Synode von St. Basie und die Dokumentation des Falls

217

können900. Hier zitiert er kirchenrechtliche Autoritäten, vor allem aus den spa-
nischen Konzilien, die den Schutz des Königtums betonen. Er rekurriert auf die
Freiwilligkeit von Arnulfs Geständnis, das er gemäß dem karolingischen poli-
tischen Diskurs als Beichte und Bitte um Buße deutet. Rekonziliation (im Sinne
von Wiedereingliederung in die christliche Gemeinschaft) können nur Bischöfe
aufgrund ihrer apostolischen Binde- und Lösegewalt gewähren901.
Es gibt also mehrere Perspektiven auf den Fall ,Arnulf: Er ist Verräter und
gleichzeitig Sünder, hat Majestätsverbrechen begangen, den Treueid gegenüber
seinem senior gebrochen und den Bischofstand beschädigt. Er wurde nicht zum
Tode verurteilt (oder geblendet), sondern zu einem freiwilligen Amtsverzicht
gebracht. Eine Parallele mit Ebo besteht nicht nur in den Formulierungen der
Resignationserklärung, sondern auch im Vorgehen. Dass Arnulf sich vermutlich
nicht aus ganz freien Stücken diesem Verfahren unterworfen hat, sondern sich
dem auf ihn ausgeübten Druck gebeugt hat, hat dazu geführt, dass die Synode
von St. Basie als eine Art „Schauprozess" eingeschätzt worden ist902. Jedoch
übersieht eine solche Deutung, dass einer solchen Art öffentlicher Verhandlun-
gen über normativem Verhalten immer eine Grundproblematik innewohnt:
Wenn normative Vorstellungen in Praktiken sinnfällig werden (Beichte, Buße),
dann müssen diese Praktiken um jeden Preis auch öffentlich ausgeführt werden.
Die Beichte Arnulfs selbst war aber geheim, öffentlich verkündet wurde nur,
dass er gebeichtet hatte.
Zudem lag einer Synode ein Weg der Rechtsfindung zu Grunde, der nicht
dem modernen Rechtsverständnis mit getrennter Anklage, Verteidigung und
Richtern entspricht. Das gewählte Verfahren basiert auf Vorstellungen und
Konzepten, die einen freiwilligen Amtsverzicht und eine Selbstbezeichnung
Arnulfs als Sünder bedingen. Eine detaillierte Untersuchung der Vorwürfe soll
diese Vorstellungen verdeutlichen.
2.1. Vorwürfe gegen Arnulf und Motivation der in St. Basie
versammelten Bischöfe
In der Eröffnungsrede Arnulfs von Orleans werden die Vergehen Arnulfs von
Reims benannt903: Die Stadt Reims sei verwüstet und von ihren Feinden ge-
plündert worden. Anstifter allen Übels sei Arnulf von Reims, der seine Stadt und
die cives vor den Feinden schützen sollte. Dieses Verhalten beschädigte in den
Augen der versammelten Bischöfe die bischöfliche Würde. Die dignitas sacerdo-
talis sei durch diese Sache in Mitleidenschaft gezogen worden und es hätte kaum
verhindert werden können, dass der gesamte Stand verhöhnt worden sei: „Nun

900 S.o. zu Ep. 217.

901 Nicht der König, s. dazu unten.

902 Huth, Erzbischof Arnulf, S. 93: „Der Ausgang des Prozesses war programmiert und der Prozeß
selbst, wie schon verschiedentlich bemerkt worden ist, eindeutig ein politischer"; S. 96 spricht er
von einer „Rumpfsynode".

903 MGH Cone. VI,2, c. 2, S. 395 f.
 
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