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VIII. Wissensaufbereitung und Deutungskämpfe: Arnulf von Reims
haben wir uns aus Liebe zur Religion und aus Eifer für unseren verehrtesten
König, Herrn Hugo, hier versammelt, um zu beraten, wie wir eine solche
Schande (infamia) behandeln können und ob unser Bruder und Mitbischof ver-
sucht, die angenommenen Vergehen abzuschwächen oder das crimen regie
maiestatis904 zurückzuweisen. Wisset nämlich, dass nicht alle in Verruf geraten
dürfen wegen der Untreue (infidelitas) und Wortbrüchigkeit eines Einzelnen"905.
Es wird gleich zu Beginn der Verhandlungen — soweit wir die Acta als Pro-
tokoll ernst nehmen können — ein Zusammenhang mit der bischöflichen Würde
und dem Bischofsamt hergestellt. Die Bischöfe müssen diesen Fall beraten, sie
sind dazu gezwungen, das Verfahren in ihrer Hand zu halten, da ihr gesamter
Stand und ihr Platz in der politischen Ordnung verteidigt werden muss. Auf
Bischöfen lastet eine besondere Verantwortung, sie sind „von Christus für das
ministerium salutis, den Dienst zum Heil aller bestellt worden", wie Seguin von
Sens anführt, um deutlich zu machen, dass für die Verurteilung von Bischöfen
besondere Maßstäbe gelten sollten906. Sie haben besondere Rechte, aber auch
besondere Pflichten. Aber ihr Stand ist nicht frei von Sündern. Wie Gerbert
vermerkt, gefällt es Bischöfen, ungestraft zu sündigen907. Auch die Sünden von
Bischöfen dürfen nicht ungestraft bleiben. Es steht also die Anklage wegen
Hochverrats/Majestätsverbrechen im Raum und die Zuständigkeit der „weltli-
chen Hand", jedoch ist diese Anklage eingebunden in den Diskurs über das
Bischofsamt. Es geht um bischöfliches Fehlverhalten, das nicht auf den Bi-
schofsstand als Ganzes zurückfallen darf. Aufgrund der besonderen Würde der
Bischöfe stehen sie auch unter besonderer Beobachtung. Es soll jedoch gemäß
den toletanischen Konzilien keine Anklage wegen Hochverrats erhoben werden,
bevor nicht die Könige und Bischöfe eine milde Behandlung (indulgentia) ver-
sprochen haben908.
Die Argumente pro und contra Arnulf stellt Gerbert in verschiedenen Reden
gegeneinander. Bruno von Langres macht klar, dass er trotz seiner Verwandt-
schaft mit Arnulf für dessen Verurteilung plädiert909.
Eine Verurteilung wegen Hochverrats und somit ein Todesurteil wird im-
merhin erwogen, aber nicht verhängt. Der Treuebruch gegen den König ist der
Kern der Anklage hier in St. Basie. Jedoch ist dieser Vorwurf eingebettet in den
Vorwurf des Missbrauchs der bischöflichen Binde- und Lösegewalt und des
Bischofsamtes, wie besonders die Behandlung der Plünderungen der Stadt
904 Zur Verwendung des Begriffs crimen regie maiestatis in der Eröffnungsrede als Beleg für die
Rezeption römischen gelehrten Rechts durch Gerbert vgl. Poly, Sac de cuir.
905 MGH Cone. VI, 2, c. 2, S. 396,
906 Ebd., c. 3, S. 396, 23; Zitat aus Toledo IV (633), c. 31 aus der pseudo-isidorischen Fassung.
907 Ebd. c. 2, S. 396,14. Zitat aus Chalon 813, c. 36. Vgl. auch Hohenaltheim 916, c. 5. Es scheint sich
laut Ernst-Dieter Hehl um einen schon beinahe sprichwörtlichen Vorwurf gegenüber Bischöfen
gehandelt zu haben.
908 Ebd. c. 3.
909 MGH Cone. VI,2, c. 5, S. 397,13: Die Liebe zu Christus steht über der Liebe zu den Verwandten; c.
6, S. 398, 23 f.: ein gerechtes Urteil soll gesprochen werden.
VIII. Wissensaufbereitung und Deutungskämpfe: Arnulf von Reims
haben wir uns aus Liebe zur Religion und aus Eifer für unseren verehrtesten
König, Herrn Hugo, hier versammelt, um zu beraten, wie wir eine solche
Schande (infamia) behandeln können und ob unser Bruder und Mitbischof ver-
sucht, die angenommenen Vergehen abzuschwächen oder das crimen regie
maiestatis904 zurückzuweisen. Wisset nämlich, dass nicht alle in Verruf geraten
dürfen wegen der Untreue (infidelitas) und Wortbrüchigkeit eines Einzelnen"905.
Es wird gleich zu Beginn der Verhandlungen — soweit wir die Acta als Pro-
tokoll ernst nehmen können — ein Zusammenhang mit der bischöflichen Würde
und dem Bischofsamt hergestellt. Die Bischöfe müssen diesen Fall beraten, sie
sind dazu gezwungen, das Verfahren in ihrer Hand zu halten, da ihr gesamter
Stand und ihr Platz in der politischen Ordnung verteidigt werden muss. Auf
Bischöfen lastet eine besondere Verantwortung, sie sind „von Christus für das
ministerium salutis, den Dienst zum Heil aller bestellt worden", wie Seguin von
Sens anführt, um deutlich zu machen, dass für die Verurteilung von Bischöfen
besondere Maßstäbe gelten sollten906. Sie haben besondere Rechte, aber auch
besondere Pflichten. Aber ihr Stand ist nicht frei von Sündern. Wie Gerbert
vermerkt, gefällt es Bischöfen, ungestraft zu sündigen907. Auch die Sünden von
Bischöfen dürfen nicht ungestraft bleiben. Es steht also die Anklage wegen
Hochverrats/Majestätsverbrechen im Raum und die Zuständigkeit der „weltli-
chen Hand", jedoch ist diese Anklage eingebunden in den Diskurs über das
Bischofsamt. Es geht um bischöfliches Fehlverhalten, das nicht auf den Bi-
schofsstand als Ganzes zurückfallen darf. Aufgrund der besonderen Würde der
Bischöfe stehen sie auch unter besonderer Beobachtung. Es soll jedoch gemäß
den toletanischen Konzilien keine Anklage wegen Hochverrats erhoben werden,
bevor nicht die Könige und Bischöfe eine milde Behandlung (indulgentia) ver-
sprochen haben908.
Die Argumente pro und contra Arnulf stellt Gerbert in verschiedenen Reden
gegeneinander. Bruno von Langres macht klar, dass er trotz seiner Verwandt-
schaft mit Arnulf für dessen Verurteilung plädiert909.
Eine Verurteilung wegen Hochverrats und somit ein Todesurteil wird im-
merhin erwogen, aber nicht verhängt. Der Treuebruch gegen den König ist der
Kern der Anklage hier in St. Basie. Jedoch ist dieser Vorwurf eingebettet in den
Vorwurf des Missbrauchs der bischöflichen Binde- und Lösegewalt und des
Bischofsamtes, wie besonders die Behandlung der Plünderungen der Stadt
904 Zur Verwendung des Begriffs crimen regie maiestatis in der Eröffnungsrede als Beleg für die
Rezeption römischen gelehrten Rechts durch Gerbert vgl. Poly, Sac de cuir.
905 MGH Cone. VI, 2, c. 2, S. 396,
906 Ebd., c. 3, S. 396, 23; Zitat aus Toledo IV (633), c. 31 aus der pseudo-isidorischen Fassung.
907 Ebd. c. 2, S. 396,14. Zitat aus Chalon 813, c. 36. Vgl. auch Hohenaltheim 916, c. 5. Es scheint sich
laut Ernst-Dieter Hehl um einen schon beinahe sprichwörtlichen Vorwurf gegenüber Bischöfen
gehandelt zu haben.
908 Ebd. c. 3.
909 MGH Cone. VI,2, c. 5, S. 397,13: Die Liebe zu Christus steht über der Liebe zu den Verwandten; c.
6, S. 398, 23 f.: ein gerechtes Urteil soll gesprochen werden.