5. Richers Historia und Gerberts Konzilsakten: der Verratsdiskurs
229
5. Richers Historia und Gerberts Konzilsakten:
der Verratsdiskurs
Unsere Hauptquelle für die Vorgeschichte und die Hintergründe bei Arnulf von
Reims ist Richer von Reims. Er behandelt den Konflikt zwischen Hugo Capet
und Karl von Niederlothringen in seiner Historia sehr ausführlich. Für das
Verfahren gegen Arnulf jedoch hat er als Vorlage die Akten Gerberts über die
Synode von St. Basie benutzt. Desweiteren liegen uns Gerberts Schriften vor, die
er zur Rechtfertigung der Absetzung Arnulfs nach St. Basie verfasst hat. Hier ist
besonders der Brief an Wilderord von Straßburg zu erwähnen950, der einen
Kommentar Gerberts zu den Synodalakten darstellt951.
Richer und Gerbert stimmen zwar in weiten Teilen mit der Schilderung des
Verfahrens überein, doch es gibt auch Unterschiede. Richer schreibt in seiner
Historia die von Gerbert redigierten Konzilsakten nicht aus, folgt nicht streng der
Linie, die dieser in den Akten und in seinen Briefen vorgibt, sondern er trifft eine
gezielte Auswahl dessen, was er in seinen Bericht einfügt und was er weglässt.
Sein St. Basie ist ein anderes Konzil als Gerberts St. Basie obwohl er seine Historia
dem verehrten Lehrer gewidmet hat und das Buch auch tatsächlich in Gerberts
Besitz überging, der es aus Westfranken nach Italien mitnahm952. Ein Unter-
schied zwischen der Darstellung Richers und Gerberts lässt sich einerseits in der
Schärfe der Vorwürfe, der Unerbittlichkeit gegenüber Arnulf erkennen953. Zur
Zeit der Abfassung von Richers Werk war vermutlich klar, dass sich das Blatt
gegen Gerbert wenden wird. Ein weiterer gewaltiger Unterschied ist jedoch mit
der Textgattung zu erklären. Richer erzählt eine Geschichte und die Geschichte
Arnulfs von Reims ist bei ihm eingebettet in die Geschichte des Verrats des
Bischofs Adalbero von Laon. Nur durch eine Hinterlist des Bischofs konnte
nämlich Karl von Niederlothringen in Reims besiegt werden. Aus Rachsucht für
die Vertreibung aus seiner civitas Laon durch die Truppen Karls erschleicht sich
Adalbero das Vertrauen Karls und Arnulfs und gaukelt Arnulf von Reims vor,
sich mit Karl und im Gegenzug ihn, Arnulf, mit Hugo Capet versöhnen zu
wollen954.
Die Ereignisse rund um die Absetzung des Erzbischofs Arnulf von Reims in
S. Basie und den anschließenden Streit um die Rechtmäßigkeit des Urteils und
um die Zuständigkeit des Papsttums schildert Richer in Übereinstimmung mit
der Meinung Gerberts, der als Nachfolger Arnulfs eingesetzt worden war. Seine
950 Gerbert, Ep. 217.
951 Hehl, Cone. VI, S. 381.
952 Hoffmann, Einleitung zu Richer, Historiae.
953 Glenn, Politics, S. 277 ff. Erkennbar sind die Diskrepanzen zwischen der Darstellung Gerberts
und derjenigen Richers etwa bei der Eröffnung des Konzils im Prolog. Richer ist sehr viel
gemäßigter.
954 Richer, Historiae IV, c. 41, 42
229
5. Richers Historia und Gerberts Konzilsakten:
der Verratsdiskurs
Unsere Hauptquelle für die Vorgeschichte und die Hintergründe bei Arnulf von
Reims ist Richer von Reims. Er behandelt den Konflikt zwischen Hugo Capet
und Karl von Niederlothringen in seiner Historia sehr ausführlich. Für das
Verfahren gegen Arnulf jedoch hat er als Vorlage die Akten Gerberts über die
Synode von St. Basie benutzt. Desweiteren liegen uns Gerberts Schriften vor, die
er zur Rechtfertigung der Absetzung Arnulfs nach St. Basie verfasst hat. Hier ist
besonders der Brief an Wilderord von Straßburg zu erwähnen950, der einen
Kommentar Gerberts zu den Synodalakten darstellt951.
Richer und Gerbert stimmen zwar in weiten Teilen mit der Schilderung des
Verfahrens überein, doch es gibt auch Unterschiede. Richer schreibt in seiner
Historia die von Gerbert redigierten Konzilsakten nicht aus, folgt nicht streng der
Linie, die dieser in den Akten und in seinen Briefen vorgibt, sondern er trifft eine
gezielte Auswahl dessen, was er in seinen Bericht einfügt und was er weglässt.
Sein St. Basie ist ein anderes Konzil als Gerberts St. Basie obwohl er seine Historia
dem verehrten Lehrer gewidmet hat und das Buch auch tatsächlich in Gerberts
Besitz überging, der es aus Westfranken nach Italien mitnahm952. Ein Unter-
schied zwischen der Darstellung Richers und Gerberts lässt sich einerseits in der
Schärfe der Vorwürfe, der Unerbittlichkeit gegenüber Arnulf erkennen953. Zur
Zeit der Abfassung von Richers Werk war vermutlich klar, dass sich das Blatt
gegen Gerbert wenden wird. Ein weiterer gewaltiger Unterschied ist jedoch mit
der Textgattung zu erklären. Richer erzählt eine Geschichte und die Geschichte
Arnulfs von Reims ist bei ihm eingebettet in die Geschichte des Verrats des
Bischofs Adalbero von Laon. Nur durch eine Hinterlist des Bischofs konnte
nämlich Karl von Niederlothringen in Reims besiegt werden. Aus Rachsucht für
die Vertreibung aus seiner civitas Laon durch die Truppen Karls erschleicht sich
Adalbero das Vertrauen Karls und Arnulfs und gaukelt Arnulf von Reims vor,
sich mit Karl und im Gegenzug ihn, Arnulf, mit Hugo Capet versöhnen zu
wollen954.
Die Ereignisse rund um die Absetzung des Erzbischofs Arnulf von Reims in
S. Basie und den anschließenden Streit um die Rechtmäßigkeit des Urteils und
um die Zuständigkeit des Papsttums schildert Richer in Übereinstimmung mit
der Meinung Gerberts, der als Nachfolger Arnulfs eingesetzt worden war. Seine
950 Gerbert, Ep. 217.
951 Hehl, Cone. VI, S. 381.
952 Hoffmann, Einleitung zu Richer, Historiae.
953 Glenn, Politics, S. 277 ff. Erkennbar sind die Diskrepanzen zwischen der Darstellung Gerberts
und derjenigen Richers etwa bei der Eröffnung des Konzils im Prolog. Richer ist sehr viel
gemäßigter.
954 Richer, Historiae IV, c. 41, 42