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X. König — Bischof- Abt in der monastischen Historiographie
der Erzbischöfe gestrichen worden ist. Ob daraus nun eine Opposition Helgalds
zu seiner eigenen Abtei und zu Abbo herauszulesen ist1163, der damals vehement
für die Wiedereinsetzung von Gerberts Gegner Arnulf gestritten hat, ist aller-
dings fraglich. Helgald konzentrierte sich nämlich ganz auf Robert II. und
Fleury1164. Aber nicht nur im Falle Gerberts verschweigt Helgald Auseinander-
setzungen, nein, er lässt auch jegliche Konflikte, die die Amtseinsetzungen
Gauzlins als Abt von Fleury betrafen, aus. Dies ist als Folge seiner Erzählabsicht
zu verstehen. Es fehlen zudem zentrale Ereignisse aus der Regierungszeit Ro-
berts, wie die Verurteilung der Häretiker von Orleans. Auch über die Ehen Ro-
berts schweigt er zunächst, aber nur, um die Eheaffäre und die Scheidung von
seiner zweiten Frau Bertha zum Mittelpunkt des Werks zu machen, da er um
diese Affäre das Handeln Abbos aufbaut. Um die Darstellung Helgalds zu
verstehen, benötigt man folgende Hintergrundinformationen: In zweiter Ehe
hatte Robert Bertha, die Witwe Odos von Blois geheiratet, nachdem die erste Ehe
mit Rozana-Susanna kinderlos geblieben war1165. Auch diese zweite Ehever-
bindung war Ausdruck von Roberts Bemühungen, Allianzen mit wichtigen
Adelsfamilien einzugehen und so die Herrschaft der kapetingischen Dynastie zu
sichern1166. Die Ehe mit Bertha wurde von vielen Zeitgenossen kritisch betrachtet,
da die beiden Ehepartner im dritten kanonischen Grad miteinander verwandt
waren und Robert zudem die Patenschaft für eines von Berthas Kindern über-
nommen hatte1167. Bereits 997 hatte Papst Gregor V. in Pavia diejenigen franzö-
sischen Bischöfe exkommuniziert, die der Ehe zugestimmt hatten. Robert selbst
drohte die Exkommunikation. Er trennte sich vermutlich um 1004/05 zumindest
vorläufig von Bertha und ging eine dritte Ehe ein. Unzweifelhaft ist, dass Abbo
1163 Wie Bautier vermutet, er formuliert ganz dezidiert: „il (i. e. Helgald) est aux cötes de Gerbert et de
l'eveque d'Orleans, contre l'abbe de sa propre abbaye, Abbon".
1164 Bautiers Argument, dass Helgalds Haltung pro Gebert sich auch daran zeige, dass Abbo in der
Vita nur eine konventionelle Eloge gewidmet sei, in der er als wahrer Heiliger und Märtyrer
gefeiert werde, ist so nicht haltbar, wie die Untersuchung der Buß-Szene und der Rolle Abbos
darin zeigen wird. S. unten.
1165 Die ältere Forschung sah die zweite Ehe Roberts romantisierend entweder als Akt reiner Liebe
(vs. „Zweckehe") oder als ebenso romantisch aufgeladener Akt der Rebellion gegen den Vater
(Vgl. zur Romantisierung Dachowski, First among abbots, S. 173 mit Hinweis auf Pfister und Lot).
Hingegen betont etwa Kortüm, Robert II., S. 93 f. dass im Einklang mit den zeitgenössischen
Quellen wohl eher die Kinderlosigkeit Susannas ausschlaggebend gewesen sein dürfte.
1166 Schneidmüller, Art. „Robert II", in: Lexikon des Mittelalters: Aufgrund der Unterstützung des
Adels gelang es Robert auch, seine beiden Söhne noch zu Lebzeiten zu Mitkönigen krönen zu
lassen. Hingegen hatte sein Vater Hugo Capet bei Roberts Krönung zum Mitkönig den Adel
noch „überrumpeln" und ganz auf die Unterstützung des Episkopats unter Anführung Adal-
beros von Reims setzen müssen. Zur Erhebung und Weihe Hugo Capets und zur Bindung an die
Bischöfe vgl. auch Sot, Elevations (Erbrecht kein konstitutives Element, um sakrales Königtum
zu erhalten); Bautier, Sacres; Goetz, Hugo Capet. Aber Roberts Politik hinderte mächtige Va-
sallen wie Odo II. von Blois nicht daran, eigene, erfolgreiche Herrschaftsbildung zu betreiben
und königliche Einflussnahme außerhalb der Krondomäne weiter zu beschneiden. Vgl. Kortüm,
Robert II., S. 87.
1167 Zur Ehe- und Inzestgesetzgebung im frühen und hohen Mittelalter vgl. jetzt Karl Ubl, Inzest-
gesetzgebung.
X. König — Bischof- Abt in der monastischen Historiographie
der Erzbischöfe gestrichen worden ist. Ob daraus nun eine Opposition Helgalds
zu seiner eigenen Abtei und zu Abbo herauszulesen ist1163, der damals vehement
für die Wiedereinsetzung von Gerberts Gegner Arnulf gestritten hat, ist aller-
dings fraglich. Helgald konzentrierte sich nämlich ganz auf Robert II. und
Fleury1164. Aber nicht nur im Falle Gerberts verschweigt Helgald Auseinander-
setzungen, nein, er lässt auch jegliche Konflikte, die die Amtseinsetzungen
Gauzlins als Abt von Fleury betrafen, aus. Dies ist als Folge seiner Erzählabsicht
zu verstehen. Es fehlen zudem zentrale Ereignisse aus der Regierungszeit Ro-
berts, wie die Verurteilung der Häretiker von Orleans. Auch über die Ehen Ro-
berts schweigt er zunächst, aber nur, um die Eheaffäre und die Scheidung von
seiner zweiten Frau Bertha zum Mittelpunkt des Werks zu machen, da er um
diese Affäre das Handeln Abbos aufbaut. Um die Darstellung Helgalds zu
verstehen, benötigt man folgende Hintergrundinformationen: In zweiter Ehe
hatte Robert Bertha, die Witwe Odos von Blois geheiratet, nachdem die erste Ehe
mit Rozana-Susanna kinderlos geblieben war1165. Auch diese zweite Ehever-
bindung war Ausdruck von Roberts Bemühungen, Allianzen mit wichtigen
Adelsfamilien einzugehen und so die Herrschaft der kapetingischen Dynastie zu
sichern1166. Die Ehe mit Bertha wurde von vielen Zeitgenossen kritisch betrachtet,
da die beiden Ehepartner im dritten kanonischen Grad miteinander verwandt
waren und Robert zudem die Patenschaft für eines von Berthas Kindern über-
nommen hatte1167. Bereits 997 hatte Papst Gregor V. in Pavia diejenigen franzö-
sischen Bischöfe exkommuniziert, die der Ehe zugestimmt hatten. Robert selbst
drohte die Exkommunikation. Er trennte sich vermutlich um 1004/05 zumindest
vorläufig von Bertha und ging eine dritte Ehe ein. Unzweifelhaft ist, dass Abbo
1163 Wie Bautier vermutet, er formuliert ganz dezidiert: „il (i. e. Helgald) est aux cötes de Gerbert et de
l'eveque d'Orleans, contre l'abbe de sa propre abbaye, Abbon".
1164 Bautiers Argument, dass Helgalds Haltung pro Gebert sich auch daran zeige, dass Abbo in der
Vita nur eine konventionelle Eloge gewidmet sei, in der er als wahrer Heiliger und Märtyrer
gefeiert werde, ist so nicht haltbar, wie die Untersuchung der Buß-Szene und der Rolle Abbos
darin zeigen wird. S. unten.
1165 Die ältere Forschung sah die zweite Ehe Roberts romantisierend entweder als Akt reiner Liebe
(vs. „Zweckehe") oder als ebenso romantisch aufgeladener Akt der Rebellion gegen den Vater
(Vgl. zur Romantisierung Dachowski, First among abbots, S. 173 mit Hinweis auf Pfister und Lot).
Hingegen betont etwa Kortüm, Robert II., S. 93 f. dass im Einklang mit den zeitgenössischen
Quellen wohl eher die Kinderlosigkeit Susannas ausschlaggebend gewesen sein dürfte.
1166 Schneidmüller, Art. „Robert II", in: Lexikon des Mittelalters: Aufgrund der Unterstützung des
Adels gelang es Robert auch, seine beiden Söhne noch zu Lebzeiten zu Mitkönigen krönen zu
lassen. Hingegen hatte sein Vater Hugo Capet bei Roberts Krönung zum Mitkönig den Adel
noch „überrumpeln" und ganz auf die Unterstützung des Episkopats unter Anführung Adal-
beros von Reims setzen müssen. Zur Erhebung und Weihe Hugo Capets und zur Bindung an die
Bischöfe vgl. auch Sot, Elevations (Erbrecht kein konstitutives Element, um sakrales Königtum
zu erhalten); Bautier, Sacres; Goetz, Hugo Capet. Aber Roberts Politik hinderte mächtige Va-
sallen wie Odo II. von Blois nicht daran, eigene, erfolgreiche Herrschaftsbildung zu betreiben
und königliche Einflussnahme außerhalb der Krondomäne weiter zu beschneiden. Vgl. Kortüm,
Robert II., S. 87.
1167 Zur Ehe- und Inzestgesetzgebung im frühen und hohen Mittelalter vgl. jetzt Karl Ubl, Inzest-
gesetzgebung.