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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0296
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3. Andreas von Fleury und seine Vita Gauzlini

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nicht weiter analysiert. Es lässt sich jedoch zeigen, dass Andreas bestimmte
Strategien verfolgte, um Königsnähe zu demonstrieren, die vor allem das Ziel
hatten, das Selbstbild der Gemeinschaft von Fleury zu stabilisieren. Deshalb hat
er Gauzlin als Ratgeber des Königs dargestellt und bestimmte Vorstellungen von
abbatialem (und episkopalem) Handeln in seinem Text transportiert.
Ebenso wie Helgald betont Andreas die Nähe der eigenen Abtei zum (mehr
oder weniger fernen) Königtum. Dabei rekurriert er auf die Geschichte der Abtei
als Königskloster mitsamt den wichtigen Privilegien.
Ziel meiner Herangehensweise ist es, noch deutlicher zu erhellen, welche
Bedeutung er dem Königtum zugewiesen und aus welchem Anlass er die Vita
verfasst hat. Voraussetzung für eine solche Analyse ist, dass man Andreas'
Darstellung von Gauzlin als Abt und als Bischof ins Auge fasst.
Andreas baut seinen Helden als vorbildlichen Reformabt auf. Die Vita
Gauzlini ist daher auch vor allem als Abtsvita und als Ausdruck der gewach-
senen abatialen Macht gelesen worden1243. Welche Facetten des Abtsbildes bietet
Andreas? Und wie steht es mit dem Bischof ? Wie verhält sich Gauzlin selbst als
Erzbischof von Bourges gegenüber Klöstern? Ist das überhaupt Thema in der
Vita — und andererseits: Wie agiert Gauzlin selbst als Abt von Fleury gegenüber
Bischöfen, an erster Stelle gegenüber seinem Diözesanbischof von Orleans?
3.2. Gauzlin als Abt
Gauzlin als Abt ist das große Thema des Andreas. Und so ist es konsequent, dass
die ihm folgende Forschung, Gauzlin stets als Abt gewürdigt hat, unter dem die
Unabhängigkeitsbestrebungen Fleurys und die abbatiale Macht einen Höhe-
punkt erreichten1244. Fleury ging nach verbreiteter Forschungsmeinung eine
„Allianz" mit der neuen Dynastie ein, um die monastische Unabhängigkeit
weiter voran zu treiben. Wichtigstes Instrument hierfür war die päpstliche Ex-
emtion, ergänzend kam die königliche Privilegierung Fleurys mit Verleihung des
Königsschutzes und der freien Abtswahl hinzu. Der Königsschutz wurde nach
verbreiteter Forschungsmeinung mit nachlassender Zentralgewalt weniger
wichtig. Bei Autoritätsverfall des Königtums wenden sich Mönche an ihren
Patron Benedikt zum Kampf gegen die unliebsame bischöfliche Autorität1245.
Gerne übersehen wird bei solchen Überbetonungen des „unabhängigen" Kö-
nigsklosters, dass Robert Gauzlin selbst eingesetzt hat. Von Widerstand unter
den Mönchen berichtet nur Ademar von Chabannes, der diese Ablehnung
Gauzlins mit seiner angeblich unehelichen Geburt begründet1246. Diese Stelle
kann zwar als Ausdruck von zeitgenössischen Vorbehalten gegenüber illegiti-
mer Geburt bei geistlichen Würdenträgern verstanden werden, lässt aber kaum

1243 Vgl. Paxton, Abbas, S. 197f.

1244 Ebd.

1245 Vgl. Head, Hagiography, S. 237f.

1246 Ademar von Chabannes, Chronicon I. III, c. 39, ed. Chavanon, S. 161 f.; Vgl. dazu Schreiner,
Illegitimität, S.100.
 
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